Klausurenkurs im Bürgerlichen Recht II. Ulrich Falk

Klausurenkurs im Bürgerlichen Recht II - Ulrich Falk


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Nebenpflichten hergeleitet. Daran hat die Einführung des § 241 II BGB durch die Schuldrechtsreform nichts geändert. Die Leistungsnebenpflichten betreffen die Vorbereitung, Durchführung und Sicherung der Hauptleistung.[6] Ihr konkreter Inhalt hängt naturgemäß von der jeweils geschuldeten vertraglichen Hauptleistung ab. Auch diese kommen im vorliegenden Fall in Betracht. Der Unfall geschah bei der Rückgabe des als Hauptleistung anzusehenden Leihgegenstands. § 280 I 1 BGB umfasst Schutzpflichten und leistungsbezogene Nebenpflichten gleichermaßen.[7] Deshalb kann an dieser Stelle noch offenbleiben, ob die fragliche Pflicht nun § 241 II BGB oder § 242 BGB zuzuordnen ist. Jedenfalls hat B seine Pflicht, A beim Zurückbringen des Wagens vor allen vermeidbaren Schädigungen zu bewahren, objektiv verletzt, indem er in der engen, dunklen Garage neben der Tür einen scharfzackigen Rechen derart stehen ließ, dass sich ein Mensch gravierend verletzen konnte.

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      Hinweis zum Aufbau:

      Die Unterscheidung zwischen Schutzpflicht und leistungsbezogener Nebenpflicht wird bei der Frage, ob das Haftungsprivileg des § 599 BGB anwendbar ist, virulent und wird nach dem hier vorgeschlagenen Aufbau deshalb erst später beantwortet. Dies widerspricht einem streng der logischen Prüfungsreihenfolge verhafteten Gutachtenstil. Befasst man sich jedoch bereits bei der Pflichtverletzung näher mit dieser Unterscheidung, hängen die Ausführungen und auch das Ergebnis gewissermaßen in der Luft. Eine Pflichtverletzung ist ohne Zweifel gegeben. Die Bedeutung der Unterscheidung kann an dieser Stelle nur schwer vermittelt werden. Aus sachlichen Gründen bietet es sich deshalb an, die Frage hier noch offen zu lassen.

      Fernliegend ist die Prüfung von § 600 BGB. Der vorliegende Sachverhalt enthält keinerlei Anhaltspunkte für einen Mangel des verliehenen Oldtimers. Deshalb wird die Norm hier nicht in die Falllösung aufgenommen. Aufbautechnisch wäre § 600 BGB als spezielle Anspruchsgrundlage vor § 280 I BGB zu prüfen.

      3. Vertretenmüssen

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      Gemäß § 280 I 2 BGB haftet B nicht, wenn er die objektive Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

      Damit steht man vor der Frage, ob B grob fahrlässig gehandelt hat und – sollte dies bejaht werden – vor der Überlegung, ob das Haftungsprivileg des § 599 BGB auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist.

      a) Grobe Fahrlässigkeit

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      Insofern scheidet ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht deshalb aus, weil es in der Bevölkerung weit verbreitet ist, Gartengeräte in der Garage aufzubewahren. Entscheidend ist vielmehr, dass die Parteien im Klausurfall ausdrücklich vereinbarten, dass der Entleiher A das Auto in die Garage zurückbringen solle. Deshalb hatte B als Verleiher dafür Sorge zu tragen, dass sich seine Garage in einem verkehrssicheren Zustand befand. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Garage für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war. B musste sicherstellen, dass vorhersehbare Unfallgefahren für seinen Vertragspartner so weit wie möglich ausgeschlossen waren.

      Dieser Verpflichtung ist B nicht nachgekommen. Von dem Rechen ging eine erhebliche Gefährdung aus, weil er so postiert war, dass er leicht umfallen konnte. Dazu zeigten die Zacken nach oben, so dass besonders empfindliche Körperteile – namentlich die Augen – verletzt zu werden drohten. Außerdem war die Garage eng und unbeleuchtet. Eine Person, die mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertraut war, wurde dadurch einer gesteigerten Gefahr ausgesetzt, den Rechen zu übersehen. Das gefährliche Gerät befand sich ausgerechnet im Eingangsbereich der Garage. Ein weit geringeres Risiko hätte bestanden, wenn es stattdessen an der rückwärtigen Wand gelehnt hätte.

      Hier lässt sich mit entsprechender Begründung beides vertreten. Vorzugswürdig erscheint aufgrund der wenigen Anhaltspunkte im Sachverhalt, die das Verhalten des B aus dem Bereich der „normalen“ Fahrlässigkeit herausheben könnten, die Annahme bloß einfacher Fahrlässigkeit.

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      Ergänzender Hinweis:

      b) Anwendbarkeit von § 599 BGB

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      Nach der hier favorisierten Lösung könnte der lediglich fahrlässig handelnde B somit in den Genuss der Haftungserleichterung des § 599 BGB gelangen.


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