Kommunalrecht Baden-Württemberg. Matthias Müller
die Beschränkung im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt sein.
40
Einen Eingriff in den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung bilden schließlich die Bestands- und Gebietsveränderungen, etwa durch eine Gebietsreform, bei der aus mehreren Teilen von ursprünglichen Gemeinden eine neue Gemeinde gebildet wird.
Hinweis
Zur Erinnerung: Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährt zwar den grundsätzlichen Bestand der Gemeinden, jedoch keinen Schutz der einzelnen Gemeinde auf Erhalt ihres Gemeindegebiets.
Aus welchen Gründen eine Veränderung des Gemeindegebiets zulässig ist, normiert § 8 GemO. Materiell-rechtliche Voraussetzung ist demnach stets das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Wohls, die eine solche Gebietsveränderung erfordern. Sie sind anzunehmen, wenn ein höheres Interesse der Allgemeinheit an der Gebietsänderung als am Gebietserhalt besteht (zu den formellen Voraussetzungen vgl. im Einzelnen § 8 GemO).
JURIQ-Klausurtipp
Die aufgezählten Aspekte, die für die Rechtfertigung eines Eingriffs in den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung herangezogen werden können, sind selbstverständlich nicht abschließend. Greifen Sie in der Klausur die im Sachverhalt genannten Vorgaben auf und zeigen Sie, dass Sie diese richtig gewichten und „klausurtechnisch verarbeiten“ können.
3. Teil Kommunale Selbstverwaltungsgarantie › B. Inhalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG › IV. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie in der Landesverfassung
IV. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie in der Landesverfassung
41
Sein landesverfassungsrechtliches Pendant findet Art. 28 Abs. 2 GG in Art. 71 Abs. 1 S. 1 und 2 LV. Der Schutzbereich des Art. 71 Abs. 1 S. 1 und 2 LV entspricht nach h.M. dem des Art. 28 Abs. 2 GG, so dass auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden kann.
3. Teil Kommunale Selbstverwaltungsgarantie › B. Inhalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG › V. Rechtsschutz
V. Rechtsschutz
42
Teil des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist die subjektive Rechtsstellungsgarantie, die den Gemeinden die gerichtliche Geltendmachung einer Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ermöglicht. Bezüglich der statthaften Verfahrensart ist danach zu unterscheiden, ob die Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie aufgrund eines formellen Landesgesetzes oder aber durch ein formelles oder materielles Bundesgesetz erfolgt.
1. Verletzung durch formelles Landesgesetz:
Kommunalrechtliche Normenkontrolle zum Staatsgerichtshof
43
Art. 76 LV i.V.m. §§ 8 Abs. 1 Nr. 8, 54 StGHG gewährt den Gemeinden und Gemeindeverbänden die Möglichkeit, beim Staatsgerichtshof Klage zu erheben mit der Behauptung, ein Landesgesetz im formellen Sinne verletze die Vorschriften der Art. 71–75 LV.
Kommunalrechtliche Normenkontrolle zum StGH
I. Zulässigkeit
1.Zuständigkeit
Zuständig ist gem. Art. 76 LV i.V.m. §§ 8 Abs. 1 Nr. 8, 54 StGHG der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg
2.Antragsteller
Gemeinde oder Gemeindeverbände, Art 76 LV
3.Antragsgegenstand
Nur formelle Landesgesetze; nicht: Rechtsverordnungen oder Satzungen (hiergegen ist aber u. U. eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO statthaft)
4.Antragsbefugnis
Die Antragsbefugnis der Gemeinde ist nur gegeben, wenn sie substantiiert geltend macht, ein formelles Landesgesetz verletze unmittelbar die in den genannten Verfassungsbestimmungen niedergelegte objektive verfassungsrechtliche Ordnung des Kommunalwesens und gleichzeitig ihre eigene subjektive verfassungsrechtlich garantierte Rechtsposition (Art. 76 LV). Bereits aufgelöste Kommunen sind antragsbefugt, soweit der Streit um ihre Rechte geht.
II. Begründetheit
Prüfungsmaßstab der kommunalrechtlichen Normenkontrolle sind die Art. 71–75 LV. Nur wenn das angegriffene Landesgesetz gegen diese Normen verstößt, ist die Normenkontrolle begründet.
2. Verletzung durch formelles oder materielles Bundesrecht: Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG
44
Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i.V.m. § 91 BVerfGG eröffnet den Gemeinden und Gemeindeverbänden mit Ausnahme der Zweckverbände die Möglichkeit, mit der Behauptung, ihr Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG sei durch ein (materielles oder formelles) Gesetz verletzt, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu erheben.
Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG
I. Zulässigkeit
1.Zuständigkeit
Zuständig ist das gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i.V.m. § 91 BVerfGG das BVerfG.
2.Beteiligtenfähigkeit
Gemeinden und Gemeindeverbände, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG.
3.Beschwerdegegenstand
Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig gegen ein Gesetz i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG. Umfasst werden neben förmlichen Gesetzen auch Rechtsverordnungen sowie alle anderen Arten vom Staat erlassener Rechtsnormen, die Außenwirkung gegenüber der Gemeinde entfalten. Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist auch gegen untergesetzliches Landesrecht zulässig. Unzulässig aufgrund Subsidiarität ist eine Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG gegen formelles Landesrecht (vgl. Wortlaut Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG). Staatliche Einzelmaßnahmen können nicht Beschwerdegegenstand sein.
4.Beschwerdebefugnis
Möglichkeit der Verletzung der aus Art. 28 Abs. 2 GG resultierenden Rechtsstellung, § 91 BVerfGG. Die beschwerdeführende Gemeinde (bzw. der Gemeindeverband) muss durch die von ihr angegriffene Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein. Der Unmittelbarkeit steht nicht entgegen, dass zur Gesetzesdurchführung noch Vollzugshandlungen erforderlich sind.
5.Form
Der Antrag muss schriftlich gestellt und begründet sein; ferner muss der Sachverhalt schlüssig dargetan werden, aufgrund dessen der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG (Kern- oder Randbereich) betroffen sein könnte.
6.Frist
Die Verfassungsbeschwerde ist binnen Jahresfrist nach Inkrafttreten der angegriffenen Rechtsnorm zu erheben, § 93 Abs. 3 BVerfGG.
7.Erschöpfung des Rechtswegs, § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG.
II. Begründetheit