Zwangsvollstreckungsrecht. Bettina Heiderhoff
kann hier aber § 407 I BGB als Einwendung vorgebracht werden. Nach § 407 BGB könnte ausnahmsweise doch auf die Kenntnis des S abzustellen sein. Danach verliert S nämlich erst durch die Kenntnis von der Abtretung die Möglichkeit, mit befreiender Wirkung an den Zedenten G leisten zu können. Hier hat S in der Tat erst nach Rechtskraft des gegen ihn ergehenden Urteils von der Abtretung der Forderung zwischen G und der B-Bank erfahren. § 407 I BGB greift also erst ab diesem Moment ein. Die Einwendung könnte „neu genug“ sein.
In der Literatur, sowie früher auch in der Rechtsprechung, wird die Auffassung vertreten, dass die nachträgliche Kenntnis des Schuldners von der Zession eine beachtliche Tatsache iSd. § 767 II ZPO darstelle[49]. Dies ließe sich damit begründen, dass für den Schuldner bis zum Zeitpunkt der Kenntnis objektiv kein Bedürfnis besteht, den Einwand der Abtretung geltend zu machen, da er ja gemäß § 407 I BGB noch mit befreiender Wirkung an den Zedenten leisten kann. Erst ab Kenntnis der Abtretung verändert sich seine Rechtsstellung nachteilig, da er ab diesem Zeitpunkt nur noch an den Zessionar mit befreiender Wirkung zahlen kann. Die Kenntniserlangung kann daher als subjektive Tatbestandsvoraussetzung des Einwands der fehlenden Aktivlegitimation gesehen werden. Da die Kenntnis hier nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eintrat, wäre der Einwand nicht präkludiert.
Nach der vom BGH vertretenen Gegenansicht kann die Kenntniserlangung nach § 407 I BGB dagegen keine Auswirkungen auf den Entstehungszeitpunkt der Einwendung fehlender Aktivlegitimation haben[50]. Für die Sichtweise des BGH spricht insbesondere, dass im Anwendungsbereich von § 767 II ZPO zum Schutz der Rechtskraft auf die objektive Lage abzustellen ist und diese nicht davon abhängen kann, ob die Beteiligten von der Lage Kenntnis haben. Zudem verliert der Schuldner durch die Kenntniserlangung nur eine Verteidigungsmöglichkeit gegenüber dem Zessionar, während in dem Rechtsverhältnis zum Zedenten keine Änderungen eingetreten sind. Folgt man dem, so kann die Kenntnis bei einer Klage nach § 767 I ZPO auch keine Einwendung im Verhältnis zum Zedenten begründen[51].
Für die Auffassung des BGH streitet folgende weitere Überlegung: Die Versagung der Vollstreckungsabwehrklage belastet den Schuldner nicht unzumutbar, da für ihn die Möglichkeit besteht, den geschuldeten Betrag zu hinterlegen und auf die Rücknahme zu verzichten, um ein Erlöschen der Forderung zu bewirken (§§ 372 S. 2, 378 BGB). Geht er so vor, kann er mit einer erneuten Vollstreckungsabwehrklage das Erlöschen der Forderung durch Hinterlegung geltend machen. Diese Einwendung wäre nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden und daher nicht nach § 767 II ZPO präkludiert.
III. Ergebnis: S kann gegen die Vollstreckung des G nicht dessen fehlende Aktivlegitimation einwenden. Hinterlegt er den Betrag, erwächst ihm der Erfüllungseinwand. Nur in diesem Fall hätte die Vollstreckungsabwehrklage des S Erfolg.
Hinweis: Bei Abtretungen vor oder während des Rechtsstreits muss man unbedingt § 407 II BGB beachten. Es macht einen wichtigen Unterschied, ob die Forderung vor Beginn des Verfahrens oder während des Verfahrens abgetreten wurde.
§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › VI. Übersicht: Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO)
VI. Übersicht: Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO)
257
Prozessuale Gestaltungsklage bei materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung. Klageziel: Unzulässigerklärung der Vollstreckung aus Urteilen sowie aus den weiteren der in § 794 I ZPO aufgeführten Titeln (vgl. § 795 ZPO). Der Titel selbst bleibt bestehen.
I. | Zulässigkeit 1. Statthaftigkeit – statthaft bei materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den dem Titel zugrunde liegenden Anspruch – Abgrenzung möglicherweise erforderlich a) zur Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) Abgrenzung insbesondere problematisch beim Vorliegen einer sog. Vollstreckungsvereinbarung sowie bei Mangelhaftigkeit der Zug um Zug angebotenen Gegenleistung im Rahmen der Zug um Zug-Vollstreckung nach § 756 ZPO. b) zur Klauselgegenklage (§ 768 ZPO) Klagegegenstand kann ähnlich sein oder sogar Eingreifen beider Klagen nebeneinander möglich (dann objektive Klagehäufung). c) zur Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) d) zur Abänderungsklage (§ 323 ZPO) Anwendungsbereich überschneidet sich nicht mit dem von § 767 ZPO. e) zur (umstrittenen) Klage auf Titelherausgabe nach § 826 BGB f) und zur Berufung Vollstreckungsabwehrklage und Berufung sind meist beide statthaft und zulässig, wenn der Schuldner nach der letzten mündlichen Verhandlung, aber noch innerhalb der Berufungsfrist, eine Einwendung gegen den titulierten Anspruch erhält. Der Schuldner kann den günstigeren Rechtsbehelf wählen. 2. Zuständigkeit Örtlich und sachlich ausschließlich das Prozessgericht des ersten Rechtszugs, also das Gericht, bei dem der Rechtsstreit, in welchem der Titel erwirkt wurde, in der ersten Instanz geführt worden ist (§§ 767 I, 802 ZPO); Sonderregeln in §§ 795 ff ZPO; § 796 III ZPO (Vollstreckungsbescheid): Gericht, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre; § 797 III ZPO (notarielle Urkunde: Gericht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners). 3. Rechtsschutzbedürfnis – zeitlicher Rahmen: Zwangsvollstreckung droht und ist noch nicht beendet. – Bei Klage gegen Vollstreckung aus einem Prozessvergleich muss geprüft werden, ob nicht Unwirksamkeit des Vergleichs zu einem Wiederaufleben des Ausgangsrechtsstreits führt. |
II. | Begründetheit – Bestehen der Einwendung und keine Präklusion nach § 767 II oder III ZPO 1. Einwendungen – jede materiell-rechtliche Einwendung, u.a. auch (unter strengen Voraussetzungen) die Verwirkung der Vollstreckung – nicht jedoch: Änderung der Rechtsprechung zugunsten des Schuldners 2. Präklusion – Zweck der Präklusion: Schutz der Rechtskraft des Vollstreckungstitels, Rechtssicherheit – Anwendbarkeit der Präklusionsvorschriften nur auf rechtskräftige Titel; daher nicht anwendbar bei vollstreckbaren Urkunden (§ 797 IV ZPO) – maßgeblicher Zeitpunkt beim streitigen Urteil: Entstehung der Einwendung vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung – maßgeblicher Zeitpunkt beim Versäumnisurteil und Vollstreckungsbescheid: Entstehung der Einwendung vor Ende der Einspruchsfrist – Entstehung der Einwendung bedeutet bei einfachen Einwendungen: erstmalige Möglichkeit der Geltendmachung – Bei Gestaltungsrechten ist sehr streitig, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist (h.L.: tatsächliche Ausübung; Rspr.: früheste objektive Möglichkeit der Ausübung). – Bei einzelnen Gestaltungsrechten kommt es (unstreitig) auf die tatsächliche Ausübung an; so bei vertraglich vereinbarten Ausübungsfristen oder beim Widerrufsrecht. 3. „Doppelte Vollstreckungsabwehrklage“ (§ 767 III ZPO) – Wiederholung der Vollstreckungsabwehrklage möglich, sofern nicht aufgrund von § 767 III ZPO wegen Präklusion (hier subjektiver Maßstab!) unzulässig. |
Anmerkungen