Zwangsvollstreckungsrecht. Bettina Heiderhoff
Das Prozessgericht des ersten Rechtszugs ist nach §§ 767 I, 802 ZPO ausschließlich örtlich und sachlich zuständig. Das Prozessgericht ist das Gericht der ersten Instanz des Rechtsstreits, in dem der Titel geschaffen wurde[14]; folglich kann Prozessgericht auch das Familiengericht sein[15].
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Bei anderen Titeln als Urteilen ist wie immer zu prüfen, ob nicht die §§ 795a ff ZPO Sonderregeln enthalten (siehe § 795 ZPO): Richtet sich die Klage gegen den in einem Vollstreckungsbescheid titulierten Anspruch, muss § 796 III ZPO beachtet werden. Danach ist das Gericht zuständig, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre.
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Bei gerichtlichen oder notariellen Urkunden regelt § 797 V ZPO die örtliche Zuständigkeit der Vollstreckungsabwehrklage. Zuständig ist also das Gericht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs (§§ 23, 71 GVG).
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Keine Besonderheiten gelten hingegen für Prozessvergleiche. Der Prozessvergleich ist zwar eine vollstreckbare Urkunde nach § 797 ZPO. Im Gegensatz zu den notariellen Urkunden existiert beim Prozessvergleich jedoch ein Prozessgericht erster Instanz. Deshalb spricht nichts dagegen, für die Klage nach § 767 ZPO auch dieses Gericht anzurufen. Im Ergebnis muss bei Prozessvergleichen § 797 V ZPO daher teleologisch reduziert werden. Die Zuständigkeit richtet sich vielmehr nach § 767 I ZPO.
§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › II. Zulässigkeit › 4. Rechtsschutzbedürfnis
4. Rechtsschutzbedürfnis
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Das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, wenn die Zwangsvollstreckung droht und noch nicht beendet ist. Die Zwangsvollstreckung droht bereits, sobald ein Vollstreckungstitel vorliegt. Beendet ist die Zwangsvollstreckung erst, wenn der Gläubiger vollständig befriedigt wurde.
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Die bloße Freigabe des gepfändeten Gegenstands oder der Verzicht auf die Zwangsvollstreckung lässt das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich nicht entfallen (anders bei § 771 ZPO, Rn. 542).
Problematisch kann das Rechtsschutzbedürfnis sein, wenn sich der Kläger gegen die Vollstreckung aus einem Prozessvergleich wehrt.
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Beispiel 18 (Rechtsschutzbedürfnis bei Vergleich):
A hat mit B einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen. Nun merkt er, dass B ihn getäuscht hat. Er will den Vergleich anfechten. B streitet die Täuschung ab und will aus dem Vergleich weiter vollstrecken.
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In Beispiel 18 verneint die herrschende Ansicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage nach § 767 ZPO[16]. Nach der Rechtsprechung kann der Vollstreckungsschuldner sich nur dann auf § 767 ZPO berufen, wenn er Einwendungen geltend macht, die eine nachträgliche Unwirksamkeit des Vergleichs oder der darin vereinbarten Forderung bedeuten. Der Vollstreckungsschuldner kann also z.B. dann die Vollstreckungsabwehrklage erheben, wenn er die Summe, die im Vergleich bestimmt wurde, danach bezahlt hat. Er kann dies auch tun, wenn ihm die Herausgabe der Leistung, die vereinbart wurde, nicht mehr möglich ist. Beruft er sich hingegen auf die anfängliche Unwirksamkeit oder auf formelle Mängel des Vergleichs (so wie im Beispiel) muss das alte Verfahren fortgesetzt werden[17]. Denn dann ist der Vergleich nicht mehr in der Welt, also ist das Verfahren gar nicht abgeschlossen. Die ursprüngliche Klage lebt gleichsam wieder auf und der Ausgangsrechtsstreit wird fortgesetzt.
Hinweis:
Wenn der Vergleich unwirksam ist und der Gläubiger trotzdem daraus vollstreckt, dann ist die richtige Klage die Titelgegenklage analog § 767 ZPO[18] (dazu Rn. 286).
In der Klausur kann man die Problematik des Rechtsschutzes gegen einen Vergleich insgesamt auch gut bereits bei der Statthaftigkeit abhandeln.
§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › III. Begründetheit
III. Begründetheit
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Für die Begründetheit der Vollstreckungsabwehrklage sind zwei Dinge wesentlich. Der Kläger (Schuldner) muss die behauptete Einwendung gegen den titulierten Anspruch wirklich haben und er darf mit dieser Einwendung nicht nach § 767 II oder III ZPO präkludiert sein. Bei der Präklusion muss man daran denken, dass diese (mit Abstand klausurrelevanteste) Voraussetzung nicht bei der Zulässigkeit eingeordnet werden darf. Der Wortlaut der Norm kann hier leicht irreführen.
§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › III. Begründetheit › 1. Einwendungen
1. Einwendungen
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Grundsätzlich kann der Kläger jede erdenkliche materiell-rechtliche Einwendung (z.B. Stundung, Erfüllung, Aufrechnung, Rücktritt, Abtretung, Unmöglichkeit, Nichtigkeit usw.) geltend machen. Eine Änderung der Rechtsprechung zugunsten des Schuldners gibt ihm allerdings keine Einwendung[19].
Als Einwendung kann auch die Verwirkung der Vollstreckung geltend gemacht werden. An die Voraussetzungen sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen.
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Beispiel 19 (Verwirkung):
Vermieter V hat einen Räumungstitel gegen Mieter M erwirkt. Trotz des Titels bleibt M in der Wohnung und zahlt weiterhin die Miete. V vollstreckt gegen M nicht. Erst nach zwei Jahren beginnt V mit der Vollstreckung. M meint, die Vollstreckung aus dem Titel sei wegen Zeitablaufs und im Hinblick auf § 721 V ZPO nicht mehr möglich. Hätte eine Klage des M Erfolg?
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Zunächst muss in Beispiel 19 beachtet werden, dass ein titulierter Anspruch nach § 197 I Nr. 3 BGB erst in dreißig Jahren verjährt. Das bedeutet, dass auch bei einer möglichen Verwirkung zunächst hohe Anforderungen an das Zeitmoment gestellt werden müssen. Zudem geht der Hinweis des Mieters auf § 721 V ZPO fehl. Die Vorschrift muss nämlich im Zusammenhang mit § 721 I ZPO gelesen werden. Dann ergibt sich, dass § 721 V ZPO den Gläubiger schützt, indem verhindert wird, dass eine zu lange Räumungsschutzfrist angeordnet werden kann. Wenn die Vorschrift aber den Gläubiger schützt, kann sich der Schuldner nach § 767 ZPO nicht darauf berufen. Es könnte noch kurz an § 545 BGB gedacht werden, wonach die Kündigung unter bestimmten Umständen unwirksam werden kann. Hier ist aber zu beachten, dass die Erwirkung eines Räumungsurteils eindeutig einen Widerspruch nach § 545 BGB darstellt und daher die Voraussetzungen der Norm nicht vorliegen. Solange die Parteien auch keinen neuen Mietvertrag (§ 535 BGB) durch schlüssiges Verhalten geschlossen haben, kommt als letzte Einwendung daher nur die Verwirkung in Betracht (§ 242 BGB). Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung[20] und setzt tatbestandlich voraus, dass der Berechtigte das Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat (sog. Zeitmoment) und der Verpflichtete aufgrund des Verhaltens des Berechtigten davon ausgehen durfte, er werde das Recht auch nicht mehr ausüben (sog. Umstandsmoment)[21]. Vorliegend sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Vermieter