Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
Haftung des Bürgermeisters nach § 839 BGB, die nicht nach Art. 34 S. 1 GG auf die Gemeinde überzuleiten ist, weil es sich nicht um eine hoheitliche Tätigkeit gehandelt hat[125].
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VI. Exkurs: Die innere Kreisverfassung
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Stärker noch als auf der gemeindlichen Ebene variierte früher die innere Verfassung der Kreise in den einzelnen Ländern. Aber auch insoweit hat sich – wie bei den Gemeindeverfassungen – seit den neunziger Jahren ein Reformprozess vollzogen, der zu einer deutlichen Annäherung des in der Vergangenheit disparaten Kreisverfassungsrechts geführt hat[126]. Herkömmliche Typisierungsversuche[127] erweisen sich daher nicht mehr als sinnvoll. Daher sollen lediglich einige Grundlinien der inneren Kreisverfassung aufgezeigt werden. Üblicherweise sind zwei oder drei Kreisorgane vorhanden,
– | durchweg der Kreistag als demokratisch legitimiertes Repräsentativorgan (vgl Art. 28 I 2 GG) mit einem ständigen Vorsitzenden und |
– | der Landrat als hauptberufliches Leitungsorgan der Kreisverwaltung (mit Ausnahme Hessens), |
– | dazu ggf noch der Kreisausschuss als kleineres kollegiales Gremium mit sich aus dem Kreistag rekrutierenden Mitgliedern (in Brandenb., Hess., Nds., NRW und im Saarl.). |
1. Der Kreistag
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Dem in allen Ländern einheitlich so bezeichneten Kreistag kommt durchgängig die Entscheidungsbefugnis in allen bedeutsamen Angelegenheiten des Kreises zu, soweit nicht ein anderes Kreisorgan (Landrat, Kreisausschuss) gesetzlich zuständig ist. Überwiegend (vgl § 30 bay.LKrO; § 104 III m.v.KVerf.; § 58 I NKomVG; § 26 I 2 KrO NRW) sehen die Kreisordnungen zudem noch einen Vorbehaltskatalog unübertragbarer Aufgaben vor.
Unterschiedlich geregelt ist der Vorsitz im Kreistag. Während in einigen Ländern der Landrat den Vorsitz ausübt (Baden-Württemberg, Bayern, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen), wird der Kreistagsvorsitzende in anderen Ländern (Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) aus der Mitte des Kreistages gewählt. Einen Sonderweg geht Thüringen insoweit, als hier der Landrat Vorsitzender des Kreistages ist, die Hauptsatzung aber auch die Wahl eines Kreistagsmitglieds vorsehen kann (vgl § 102 I thür.KO)[128].
2. Der Kreisausschuss
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Nicht einheitlich ist die Stellung des Kreisausschusses in den einzelnen Ländern.
In Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind Kreisausschüsse gar nicht vorgesehen; hier können lediglich fakultativ durch die Hauptsatzung beschließende und beratende Ausschüsse gebildet werden. Dies scheint auf den ersten Blick auch für Schleswig-Holstein zu gelten, doch zeigt eine nähere Betrachtung, dass er dort lediglich als „Hauptausschuss“ tituliert wird (vgl § 40b schl.h.KreisO).
In den übrigen Ländern variiert die rechtliche Ausgestaltung der Kreisausschüsse beträchtlich. Einerseits sind sie lediglich Organteil des Kreisorgans Kreistag (Bayern[129] [Art. 26 ff bay. LKrO], Mecklenburg-Vorpommern [§§ 113 ff m.v.KVerf.], Rheinland-Pfalz, Thüringen), andererseits kommt ihnen selbst Organqualität zu (Brandenburg, Hessen, Niedersachsen [§§ 74 ff NKomVG], NRW [§§ 56 ff KrO NRW], Saarland).
Dieser grundlegend unterschiedlichen Ausgangslage entsprechen auch die den Kreisausschüssen zugewiesenen Aufgaben. In Bayern, Rheinland-Pfalz und Thüringen haben sie vornehmlich die Beschlüsse des Kreistages vorzubereiten und stellen damit lediglich eine unselbstständige Hilfseinrichtung dieses Kreisorgans dar. Dagegen eröffnet sich in den übrigen Ländern den Kreisausschüssen ein breites Betätigungsfeld. Neben der auch hier teilweise (Brandenburg, Niedersachsen, NRW, Saarland) vorgesehenen Funktion, die Aufgabenerfüllung des Kreistages vorzubereiten, kommt ihnen – abgesehen von der Eilentscheidungsbefugnis in NRW, im Saarland und in Niedersachsen – zusätzlich noch eine Lückenkompetenz für die Angelegenheiten, die nicht der Entscheidung eines anderen Kreisorgans bedürfen, zu. Vereinzelt (Brandenburg, NRW) obliegt ihnen auch die Planung besonders bedeutsamer Verwaltungsaufgaben im Rahmen der vom Kreistag festgelegten allgemeinen Richtlinien. Ein weites Funktionsspektrum bietet sich den Kreisausschüssen in Hessen, wo sie die gesamte laufende Verwaltung des Kreises nach den vom Kreistag aufgestellten Grundsätzen und im Rahmen der bereitgestellten Mittel besorgen.
In Mecklenburg-Vorpommern besteht die Besonderheit, dass den Kreisausschüssen – obgleich kein Kreisorgan – ein den organschaftlich strukturierten Kreisausschüssen vergleichbarer Kompetenzrahmen zugewiesen ist (vgl § 113 II, III m.v.KVerf).
Den Vorsitz in den Kreisausschüssen führt regelmäßig der Landrat. Details zum Kreisausschuss bei Meyer, in: HKWP3, § 25 Rn 64 ff.
3. Der Landrat
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Ein weiteres Kreisorgan ist der Landrat, der als kommunaler Wahlbeamter hauptberuflich die Kreisverwaltung leitet. In seiner Position kommt die traditionelle Doppelfunktion der Landkreise als Selbstverwaltungskörperschaft und untere staatliche Verwaltungsbehörde besonders anschaulich zum Ausdruck.
Mit Blick auf die Selbstverwaltungsaufgaben obliegt ihm regelmäßig die Repräsentation des Landkreises. Er ist (außer in Hessen, vgl § 45 I 1 hess.LKrO: „Der Kreisausschuss vertritt den Landkreis“) gesetzlicher Vertreter des Kreises und ihm obliegt die Besorgung der Geschäfte der laufenden Verwaltung regelmäßig selbst (in Hessen, vgl § 44 II hess.LKrO). Abgesehen von einigen besonderen Aufgaben – so ergibt sich gemäß Art. 34 I Nr 2 bay.LKrO die Zuständigkeit für solche Angelegenheiten des Landkreises, die im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder geheim zu halten sind (ähnliche Regelungen etwa in Niedersachsen [§ 85 I Nr 5 NKomVG], dem Saarland und Sachsen-Anhalt) – ist er daneben insbesondere berechtigt, Eilentscheidungen zu treffen, wenn eine rechtzeitige Einberufung des zuständigen Kreisorgans nicht möglich ist[130].
Soweit er – im Rahmen der Organleihe (so zB traditionell in Baden-Württemberg und Bayern – s. auch u. Rn 212) – auch als untere staatliche Verwaltungsbehörde fungiert (die LKrO Sachsen und Sachsen-Anhalt vermeiden diesen Begriff), nimmt er zugleich originär staatliche Aufgaben wahr, was zu Zuordnungs- und Haftungsproblemen führen kann[131].
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Unterschiedlich geregelt ist die Wahl des Landrats. Traditionell geschieht dies in Baden-Württemberg (§ 39 V bw.LKrO) noch durch den Kreistag, in den anderen Ländern ist eine Direktwahl (§ 126 I BbgKVerfG; § 80 Abs. 1 NKomVG; Art. 40 bay. GLKrWG) durch die Kreisbürger vorgesehen. Schleswig-Holstein hat die Direktwahl allerdings 2009 schon wieder abgeschafft[132]. Dabei variiert die Amtsperiode zwischen fünf (§ 80 III i.V.m. § 47 II 1 NKomVG) und sieben bis neun Jahren (§ 116 II m.v.KVerf.).
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Im Rahmen der Ernennung ist ein staatlicher Mitwirkungsakt grundsätzlich nicht erforderlich. Teilweise ist eine Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde in der Bewerbungsphase vorgesehen (Baden-Württemberg, Hessen), teilweise darf der Wahl durch die Rechtsaufsichtsbehörde nicht widersprochen worden sein (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern).