Verteidigung bei Korruptionsfällen. Klaus Bernsmann
id="ulink_d0b51952-70fe-5d11-afc9-a790f10338dd">Der Gesetzgeber hat allerdings insofern ein Verständnis-„Problem“ geschaffen, als die Gesetzesbegründung meint, der Zusatz stelle lediglich klar, was vorher schon galt.[143]
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Wird das ernst genommen, ist der Frage nachzugehen, was denn vorher galt. Dabei stellt sich dann allerdings schnell der wenig überraschende Befund ein, dass „vorher“ in Bezug auf die Behandlung von Angestellten von privatwirtschaftlichen Unternehmen der öffentlichen Hand allein die Entscheidung BGHSt 38, 199 „galt“, weil es andere einschlägige höchstrichterliche Entscheidungen zu diesen Problemen nicht gab:
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Zu der Vorschrift des § 359 a. F., die – als Nachfolgeregelung zu § 333 des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten vom 14.4.1851 – zwischen 1871 und 1975 galt,[144] existiert keine Entscheidung des RG bzw. des BGH,[145] die trotz der allenthalben beklagten Weite des sog. „strafrechtlichen Beamtenbegriffs“[146] einen Angestellten einer GmbH oder einer AG, an der der Staat mit welchen Anteilen auch immer beteiligt war, als „Beamten“ eingestuft hätte.
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Dass der Grund dafür im Fehlen möglicherweise einschlägiger Fallkonstellationen zu suchen ist, ist auszuschließen: Seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt es in Deutschland zahlreiche privatrechtlich organisierte Unternehmen, an denen der Staat, vornehmlich die Kommunen, in verschiedener Größenordnung oder als Alleininhaber beteiligt war.[147] Immerhin wurde die notorische „Flucht des Staates in das Privatrecht“ schon Ende der 1920er Jahre von Vertretern des Verwaltungsrechts beklagt.[148] Dass es in den „geflohenen“ Unternehmen keine „Korruption“ gegeben hätte bzw. dass diese den Ermittlungsbehörden nicht bekannt geworden sein könnte, ist schon in Ansehung der Quantität der veröffentlichten Rechtsprechung allein des RG zu den Vorschriften der §§ 331 ff. so gut wie auszuschließen. „Korruption“ dürfte insoweit vielmehr der – zumindest früher – abseits gelegenen und als Antragsdelikt wenig effektiven Vorschrift des § 12 a. F. UWG zugeschlagen worden sein. Abgesehen davon scheint es aus Gründen der vom RG auch sonst durchaus ernst genommenen Wortlautgrenze der Auslegung[149] ausgeschlossen, in einem Geschäftsführer, Prokuristen, Vorstand etc. einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft einen „Beamten“ (vgl. § 359 a. F.) zu sehen, mag der strafrechtliche „Beamten“-Begriff auch ansonsten recht weit gewesen sein.[150] Soweit behauptet wird, dass es unter Geltung des § 359 a. F. „umstritten“ gewesen sei, „ob eine Beamteneigenschaft im strafrechtlichen Sinne auch dann vorliegen kann“, wenn sich der Staat „privatrechtlicher Organisationsformen bedient“,[151] fehlt es an Belegen für einen „Streit“; ganz zu schweigen von irgendeinem Nachweis aus der Rechtsprechung.
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Unabhängig davon war es ohnehin Ziel der gesetzgeberischen Bemühungen im Vorfeld der Reform des Allgemeinen Teils des StGB, den allgemein als (viel) zu weit bzw. unbestimmt erachteten „strafrechtlichen Beamtenbegriff“ nicht nur zu präzisieren, sondern ihn zugleich auch restriktiver zu fassen.[152] Beides ist in Gestalt der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 2c in der Fassung des EGStGB von 1974 kaum gelungen. Unbestreitbar bleibt gleichwohl, dass mit dem Gesetz gewordenen § 11 Abs. 2 Nr. 2c a. F. kein neuer, d. h. vor allem kein im Verhältnis zum überkommenen strafrechtlichen Beamtenbegriff expansiverer „Beamten“- bzw. nunmehr „Amtsträger“-Begriff geschaffen werden sollte. Die Norm enthält lediglich den Versuch des Gesetzgebers, den von der Rechtsprechung zu § 359 a. F. entwickelten „strafrechtlichen Beamtenbegriff“ gesetzlich zu fixieren.[153] Dem entspricht es, dass der „strafrechtliche Beamtenbegriff“ nach allgemeiner Meinung unbesehen für den „Amtsträgerbegriff“ weiter Geltung beanspruchen sollte.[154] Diese vom Gesetzgeber gewollte Kontinuität des „Beamten“-, dann „Amtsträgerbegriffs“ wird auch durch die Gesetzesbegründung belegt,[155] die in erster Linie aus der zu § 359 a. F. ergangenen Entscheidung des 5. Senats des BGH vom 10.10.1958[156] schöpft.
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In der Gesetzesbegründung heißt es u. a., dass unter öffentlicher Verwaltung „sowohl die Wahrnehmung von Aufgaben der staatlichen Anordnungs- und Zwangsgewalt sowie die Tätigkeit des Staates zur Daseinsvorsorge, also die staatliche Tätigkeit, die dazu bestimmt ist, unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit oder ihrer Glieder zu sorgen[157] und schließlich auch die erwerbswirtschaftlich-fiskalische Tätigkeit des Staates und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts“[158] zu verstehen sei.
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Zu Formen staatlicher Leistungsverwaltung, die dem Bürger in Organisationsformen des Privatrechts entgegentritt, verhält sich die Gesetzesbegründung nicht. Um eine privatrechtlich strukturierte Unternehmung geht es auch in der in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 10.10.1958[159] nicht:
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Bei der dort in Frage stehenden „Kleinbahn“ handelt es sich vielmehr um einen sog. Eigenbetrieb, d. h. gerade nicht um ein rechtlich ausgegliedertes, in Privatrechtsform geführtes Unternehmen. Aus der Entscheidung wird sogar recht deutlich, dass der BGH bei einer „rein privatwirtschaftlichen“ Betätigung des Unternehmens die Beamteneigenschaften des Angeklagten verneint hätte: „Zugegeben werden muss, dass eine Kleinbahn einer Gemeinde auch als ein Unternehmen rein privatwirtschaftlicher Natur betrieben werden kann. Das ergibt aber nicht ohne weiteres, dass auch die hier in Rede stehende Kleinbahn ein solches Unternehmen sei und daher ihre Verrichtungen nicht aus der Staatsgewalt abzuleiten wären.“ [160]
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Was die „sonstige Stelle“ angeht, sollte dieser Begriff nach der Gesetzesbegründung nur verdeutlichen, dass nicht nur Behörden als Anstellungsinstitutionen von „Amtsträgern“ in Betracht kommen, sondern auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie Behördenteile, aber auch „sonstige Stellen, die zu öffentlichen Aufgaben berufen sind, so etwa Vereinigungen, Ausschüsse oder Beiräte, die bei der Ausführung von Gesetzen mitwirken“.[161] Auch diese vergleichsweise präzise Aufzählung von Beispielen für „sonstige Stellen“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c a. F. legt den Schluss nahe, dass privatrechtlich organisierte Unternehmen, die sich von den in der Gesetzesbegründung genannten „Stellen“ schon durch ihre rechtliche Verfassung kategorial unterscheiden, nicht erfasst sein sollten.
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Soweit der 2. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 19.12.1997[162] gleichwohl der Auffassung ist, die Gesetzesmaterialien seien „wenig ergiebig“ und „die mit den Worten „so etwa“ eingeleitete Aufzählung“ sei „selbst nur beispielhaft“ und schließe privatrechtlich organisierte Unternehmen „nicht von vornherein aus“,[163] ist dies mit den Regeln (seriöser) juristischer Argumentation kaum noch vereinbar:
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Wenn eine weit verbreitete, privatrechtliche Betätigungsform des Staates und hier insbesondere der Kommunen in einer sich über mehr als hundert Jahre erstreckenden, reichhaltigen Rechtsprechung[164] nicht als „beamten“- bzw. „amtsträger“-beschäftigend vorkommt und die zeitgenössische Kommentarliteratur die obige Gesetzesbegründung ebenfalls nicht zum Anlass nimmt, privatrechtlich organisierte Unternehmen des Staates als „sonstige Stellen“ in Erwägung zu ziehen,[165] kann die mit „so etwa“ eingeleitete Aufzählung kaum ernsthaft dafür in Anspruch genommen werden, sie schließe – weil nur beispielsbezogen – die letztgenannten Unternehmen nicht aus.[166] Nicht ausgeschlossen wurden auch materiell privatisierte Unternehmen, die „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnehmen. Gleichwohl können sie – unstreitig – keine „sonstigen Stellen“ sein. Auffällig ist zudem die Behördennähe