Verteidigung bei Korruptionsfällen. Klaus Bernsmann
und Organe der staatlichen Organisation, die in der Hauptsache zur öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinn bestellt sind.[213] Als Verwaltung im formellen Sinn wird die gesamte Tätigkeit der Verwaltungsorganisation bezeichnet, ohne Rücksicht darauf, ob sie materiell verwaltend, regierend, gesetzgebend oder rechtsprechend ist.[214] Mit alledem ist für das Strafrecht wenig gewonnen, weil die verwaltungsrechtlichen Begriffe lediglich beschreibenden Charakter haben und nicht fassbar wird, wie im zweifelhaften, strafrechtlichen Ernstfall Verwaltung von Nicht-Verwaltung abzugrenzen sein soll. Hinzukommt, dass die Verwaltung bei der Wahl der Rechtsform, mit der sie ihre Aufgaben erledigt, (angeblich) frei ist.[215] Dann aber kann jede Aufgabe, die sich die Verwaltung selbst stellt (bzw. an sich zieht), die sie jemals übernommen hat oder hätte übernehmen können, (auch) eine solche der öffentlichen Verwaltung sein. Dies gilt auch für die im Mittelpunkt korruptionsstrafrechtlicher Erwägungen stehenden Aufgaben der sog. „Daseinsvorsorge“: Soweit solche Aufgaben durch privatrechtlich organisierte Unternehmen wahrgenommen werden, verlieren sie ihren Charakter als Verwaltungsaufgabe nicht deswegen, weil der Staat eine privatrechtliche Organisationsform gewählt hat. Wohl aber können die diese Aufgaben wahrnehmenden Unternehmen nicht (mehr) zur Verwaltung gehören. Das ist unstreitig in Fällen der sog. materiellen Privatisierung der Fall.[216] Bei allen anderen Formen der Privatisierung präjudiziert die Wahrnehmung von „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ dagegen nicht, ob das tätig werdende Unternehmen eine „sonstige“, d.h. behördengleiche „Stelle“ ist oder nicht.[217]
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Daher kann man durchaus der Auffassung sein, dass die Tätigkeit eines Unternehmens „als Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge anzusehen ist“, zugleich aber – wie der BGH z. B. im Falle der „DB-AG“[218] – die Eigenschaft als „sonstige Stelle“ verneinen.
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Schwierig zu beantwortende Fragen entstehen umgekehrt, wenn eine „Behörde“ oder eine „sonstige Stelle“ sich nicht mit „klassischen“ Verwaltungsaufgaben (Eingriffs- und Leistungsverwaltung) befasst, sondern ausschließlich bzw. in abtrennbaren Unternehmenssegmenten fiskalisch bzw. erwerbswirtschaftlich tätig wird.
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Soweit fiskalisches Handeln, also die sog. Bedarfs- und Beschaffungsverwaltung in Zusammenhang mit der behörden- bzw. stellentypischen Eingriffs- oder Leistungsverwaltung steht, sollen die insoweit handelnden Personen „Amtsträger“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c sein können.[219] Bei Beschaffungsentscheidungen etc. wird sich das kaum bestreiten lassen, mag auch die in Bezug auf § 11 Abs. 1 Nr. 2c benutzte Argumentation mit dem Gesetzeszweck der §§ 331 ff.[220] fehl gehen.[221]
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Bei (intendierter) rein konkurrenzwirtschaftlicher Tätigkeit fehlt es dagegen schon an einer „sonstigen Stelle“,[222] jedenfalls aber an der Wahrnehmung von „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“.
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Bei der zuletzt angesprochenen Frage geht es allerdings in Wahrheit nicht um ein Problem einer – je nach Aufgabenwahrnehmung wechselnden – Amtsträgerstellung, sondern darum, ob das in Frage stehende Handeln „Dienstausübung“ i.S.d. §§ 331 ff. ist. In letzterem Zusammenhang ließe sich (nicht nur) bei Angestellten einer „sonstigen Stelle“ zwanglos eine Trennung zwischen „dienstlicher“ und „nicht-dienstlicher“ Tätigkeit vornehmen,[223] sondern ggf. auch bei Beamten im staatsrechtlichen Sinn (§ 11 Abs. 1 Nr. 2a).
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Vergleichbare Probleme stellen sich bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten, die in der Regel auch eine reine Geschäftsbank-Abteilung haben. Öffentliche Sparkassen dienen zwar staatlichen Zwecken,[224] sind aber – soweit sie in Konkurrenz mit privaten Banken stehen – den Marktgesetzen unterworfen wie diese. Ob dann – wie etwa in Zusammenhang mit § 203 Abs. 2 Nr. 1 zur Vermeidung einer „Benachteiligung“ – von öffentlichen Sparkassen eine „viktimodogmatische“ Interpretation zur Tatbestandsrestriktion herhalten muss,[225] oder ob – zumindest bei konkurrenzwirtschaftlicher Tätigkeit – es sich um keine „sonstige“ Stelle handelt bzw. die handelnde Person keine „dienstliche Handlung“ vornimmt, spielt für das negative Ergebnis keine Rolle.[226]
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Gesetzliche Krankenkassen sollen dem BGH zu Folge[227] zwar „sonstige Stellen“ sein, gleichwohl nehme der Kassenarzt aber keine öffentlichen Aufgaben wahr.[228]
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Keine „sonstigen Stellen“, die „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnehmen, sind die sog. Staatskirchen.[229] Die Kirchen sind nicht vom Staat gesteuert und die Erfüllung von kirchlichen Aufgaben ist weder für „Kirchen-Beamte“ noch (erst recht nicht) für sonstige Kirchenbedienstete Wahrnehmung von Staatsaufgaben.[230]
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Auch die „Bundeswehr“ ist in Bezug auf die „Soldaten“ keine „sonstige Stelle“.[231] Anderes gilt, wenn sie ausschließlich mit Verwaltungstätigkeit beschäftigt sind.[232]
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Nicht zuletzt wahrscheinlich wegen der aus kriminologischer Perspektive kaum zu leugnenden erhöhten Korruptions-„Gefährdung“, hat der BGH die lange Zeit streitig behandelte Frage,[233] ob die „öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“ Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen bzw. „sonstige Stellen“ sind, „geklärt“.
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Dieses Ergebnis, das vom BGH auf Mitarbeiter des „ARD/ZDF/Deutschlandradio Beitragsservice“ (früher: „GEZ“)[234] übertragen wird, dürfte einer – vor allem verfassungsrechtlichen – Überprüfung kaum standhalten:
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Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind keine Behörden i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c. In Ansehung der inhaltslosen „Legaldefinition“ einer „Behörde“ in § 11 Abs. 1 Nr. 7[235] wird strafrechtlich üblicherweise auf den – allerdings auch wenig geklärten – sog. staatsrechtlichen Behördenbegriff zurückgegriffen.[236] Danach ist Behörde „eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sachlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein“.[237]
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Nach dem hier vertretenen „Behördenbegriff“[238] fallen Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht unter den Begriff der „Behörde“ in § 11 Abs. 1 Nr. 2c.[239] Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind auch keine „sonstigen Stellen“: Bei den Rundfunkanstalten fehlt es an der erforderlichen „Steuerung“ durch den Staat bzw. an der behördengleichen Einbindung in die öffentliche Verwaltung.[240] Darüber hinaus nehmen die Rundfunkanstalten auf Grund ihres besonderen, verfassungsrechtlich begründeten Status keine Aufgaben der Verwaltung wahr.
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Aufgaben der Verwaltung würden wahrgenommen, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – entsprechend der grundsätzlichen rechtlichen Qualifikation einer Anstalt – zur sog. mittelbaren Staatsverwaltung gehörten. Das wäre der Fall, wenn die gewählte Organisationsform – Anstalt bzw. Körperschaft („DeutschlandRadio“) – der fraglichen „Stelle“ unabhängig von den