Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
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Die Darstellung enthält hinsichtlich der funktionsbezogenen Kompetenzen sechs Kompetenzausprägungen, die jeweils am Ende der Lernphase vorliegen sollen.
– | A Grundwissen: Studierende kennen die wesentlichen Definitionen und können die herrschende Meinung wiedergeben. |
– | B Verständnis: Studierende können das Wissen ordnen und es systematisch wiedergeben. Probleme werden erkannt. |
– | C Anwendung: Studierende können das erworbene Wissen anwenden und eigene Berechnungen sowie Interpretationen erstellen. Einzelfälle können angemessen gelöst werden; die Ergebnisse können ausgewertet werden. |
– | D Analyse: Studierende können komplexe Problemstellungen erkennen und auf Basis der erworbenen Erfahrung analysieren. |
– | E Synthese: Studierende können korrigierend in Prozesse eingreifen, neue Vorgehensweisen entwickeln und Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Dazu gehört auch die Fähigkeit, die eigene Leistung angemessen darzustellen und lösungsorientiert weiterzuentwickeln. |
– | F Bewertung: Studierende können Werturteile abgeben, Vergleiche heranziehen und richtige Schlussfolgerungen ziehen. Sie können Prognosen erstellen und die eigenen Aussagen rechtfertigen. |
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Die von der Wirtschaftsprüferkammer veröffentlichten Klausuren des Prüfungsgebietes Wirtschaftsrecht wurden für dieses Handbuch ausgewertet.
Ziel des Handbuches ist es, die Kompetenz zu fachlicher Synthese und zur Bewertung von Lösungsmöglichkeiten durch Verknüpfung der Inhalte untereinander und mit den Vorgaben aus anderen betrieblichen Unternehmensfunktionen zu fördern. Die Darstellung erfolgt weitgehend anhand von Problemstellungen aus ganz unterschiedlichen Unternehmenszusammenhängen. Dadurch kann der Stoff gerade auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung nicht zuletzt im Rechnungswesen und in der Besteuerung behandelt werden.
Großer Wert wird schließlich auf Gestaltungsmöglichkeiten gelegt. Und zwar nicht durch bloßes Nebeneinanderstellen von Alternativen, sondern dadurch, dass herausgearbeitet wird, von welchen Tatsachen und wirtschaftlichen Zielen ihre Bewertung abhängt. Die Arbeit am (wirtschaftlichen) Sachverhalt, die Tatsachenermittlung und die Feststellung des wirtschaftlich Gewollten, ist mindestens ebenso wichtig, wie die darauf aufbauende Rechtsanwendung und Rechtsgestaltung.
§ 1 Vorbemerkung › B. Warum Recht im Wirtschaftsprüfungsexamen?
B. Warum Recht im Wirtschaftsprüfungsexamen?
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Bürgerliches Recht und Handelsrecht bilden die Grundlage des Wirtschaftsprüfungsauftrages. Der einem externen Wirtschaftsprüfer erteilte Prüfungsauftrag ist regelmäßig ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter. Er wird zudem meist ausgeformt durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die aber in besonderer Weise zum Vertragsinhalt gemacht werden müssen und einer strengen AGB-Inhaltskontrolle unterliegen. Aus diesem Schuldverhältnis haftet der Prüfer für Pflichtverletzungen durch ihn selbst oder seine Erfüllungsgehilfen (§§ 276, 278 BGB). Von großer Bedeutung ist, inwieweit ein Prüfungs- oder ähnlicher Vertrag, z.B. auf Erteilung einer Auskunft oder Erstattung eines Gutachtens, vertragliche Schutzwirkung zugunsten Dritter haben kann, die sich auf das Testat verlassen und ggf. den Wirtschaftsprüfer für fehlerhafte Feststellungen in Haftung nehmen können. Hinzu kommt die Deliktshaftung nach §§ 823 ff. BGB. Daneben tritt bei Pflichtprüfung als zentrale Haftungsnorm § 323 HGB. Im Rahmen einer Prospektbeurteilung greift die Prospekthaftung.
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Schaubild:
Aufgaben von Wirtschaftsprüfern
Die Vorbehaltsaufgaben von Wirtschaftsprüfern setzen ebenfalls vertiefte handels- und gesellschaftsrechtliche Kenntnisse, einschließlich des Umwandlungsrechts voraus. Nur so können gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen überhaupt fachlich geprüft werden; darauf wird in den Kapiteln zum Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht näher einzugehen sein.
Am Beispiel des nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu erstellenden Jahresabschlusses (§§ 242 ff. HGB) wird aber deutlich, dass Ersteller wie Prüfer in der Lage sein müssen, Geschäftsvorfälle (Handelsgeschäfte) als solche – auch juristisch – ebenso beurteilen zu können wie die Wirksamkeit daraus entstandener Forderungen und Verbindlichkeiten, Rechte und Pflichten nach ihren jeweiligen zivil- und handelsrechtlichen Grundlagen.
Das zu bilanzierende Vermögen (§ 247 HGB) des Kaufmanns machen denn auch nicht einfachhin Wirtschaftsgüter (Maschinen, Fahrzeuge etc.) aus, sondern vielmehr etwa das an ihnen bestehende rechtliche oder wirtschaftliche Eigentum, wobei letzteres oftmals auf der Einräumung von z.B. Nutzungsrechten aus dem Bereich des Schuld- oder Sachenrechts beruht.
Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zum Ansatz von Fortführungswerten in der Bilanz mit dem Hinweis auf womöglich entgegenstehende tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten unmittelbar ins Insolvenzrecht, auf Insolvenzgründe und Antragspflicht nach § 15a InsO verweist. Das muss seit Neuestem der Steuerberater ggf. bei der Aufstellung eines Jahresabschlusses bedenken (BGH, Urteil vom 26.1.2017 – IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374), vor allem aber der Abschlussprüfer in seinem Testat beurteilen, widrigenfalls Haftungsinanspruchnahmen drohen.
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Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern eröffnen sich aufgrund ihrer vielfältig rechtlich durchdrungenen Qualifizierung aber auch zusätzliche Betätigungsfelder. Für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer wie auch der Steuerberater von Bedeutung ist insb. die Regelung des § 5 Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG), der sich mit der Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit anderen Tätigkeiten beschäftigt. Das Vorliegen einer danach zulässigen Nebenleistung ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der für die Haupttätigkeit erforderlichen Rechtskenntnisse zu beurteilen. Ganz wesentlich ist also, dass WP und StB ein durch staatliches Berufsexamen belegtes fundiertes Wissen im Bilanzrecht, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht vorweisen können.
Hinsichtlich treuhänderischer Tätigkeiten i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 3 WPO sind etwa der Abschluss von Geschäftsbesorgungsverträgen zum Erwerb von Grundstücken und Immobilienfonds sowie Treuhandabreden zum Zahlungsverkehr zulässige Rechtsdienstleistungen.
Vor allem ist jedoch die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen i.S.d. § 15 AktG aus dem Anwendungsbereich des RDG von vornherein