BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann
1976, 31122246.
Vgl BGH BeckRS 1976, 31122246; BGH NJW 1981, 679, 680; BeckOK/Lorenz, BGB51, § 314 Rn 6; MünchKomm/Gaier, BGB8, § 314 Rn 12; Erman/Böttcher, BGB15, § 314 Rn 3c.
BeckOGK/Martens, BGB (1.9.2019), § 314 Rn 18; BeckOK/Lorenz, BGB51, § 314 Rn 6.
Teil I Grundlagen › § 3 Schuldrechtliche Pflichten – Einteilung und Abgrenzungen
§ 3 Schuldrechtliche Pflichten – Einteilung und Abgrenzungen
Inhaltsverzeichnis
I. Leistungspflichten (§ 241 Abs. 1)
II. Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2)
III. „Schulden“ und „Haften“
95
Fall 7:
A kauft für sein Studium in Münster das gebrauchte und individuell lackierte Hollandrad der B für 300 Euro (was dem Wert des Fahrrads entspricht). A zahlt sofort. B soll A das Fahrrad in einer Woche vorbeibringen. Am nächsten Tag lässt B das Fahrrad unabgeschlossen vor einem Buchladen stehen. Als B aus dem Laden kommt, ist das Fahrrad weg; ihre anschließende Suche hat keinen Erfolg. B hatte das Fahrrad versichern lassen und erhält die vereinbarte Versicherungssumme von 200 Euro.
Welche Ansprüche hat A gegen B? Lösung Rn 126
Fall 8:
T ist stolzer Besitzer eines Huskys mit dem Namen „Chuck“ und steht vor dem Antritt einer dreiwöchigen Urlaubsreise. Sein Bekannter S, der ebenfalls einen Husky namens „Trevor“ besitzt, erklärt sich bereit, Chuck während Ts Abwesenheit bei sich aufzunehmen. Der schusselige S lässt beide Huskys bei einem Spaziergang auf dem Waldweg an einer unübersichtlichen Stelle freilaufen, obwohl dort reger Radverkehr herrscht. Chuck wird beim Zusammenstoß mit einer E-Bike-Fahrerin verletzt.
Welche Ansprüche hat T gegen S?
Fall 9:
K kauft im Sportgeschäft der V ein Paar neue Sneaker des Herstellers N. Zwei Tage später erhält V ein Schreiben von N. Die Schuhe aus der aktuellen Charge sind mit einem gefährlichen Färbemittel in Kontakt gekommen, welches auch in geringen Dosen gesundheitsschädlich ist. Sie dürfen nicht weiterverkauft werden. V nimmt die Schuhe aus dem Sortiment. Allerdings ist sie sich nicht sicher, welche Verpflichtungen sie gegenüber K hat. V fragt ihre Tochter T, die im zweiten Semester Jura studiert, um Rat.
Was wird T antworten?
Fall 10:
A, B, C und D haben sich in der Vorlesung „Schuldrecht I“ kennen gelernt und treffen sich abends in einer Kneipe, um gemeinsam um Geld das Kartenspiel Doppelkopf zu spielen. Am Ende des langen Abends zeigen sich C und D als die großen Verlierer – beide schulden A und B jeweils 5 Euro.
a) | C weigert sich von vornherein, zu zahlen. Schließlich wisse doch jeder, dass Spielschulden nur Ehrenschulden seien. Als A darauf hinweist, dass C doch eine vertragliche Verpflichtung treffe, erwidert C nur: „Verklag mich doch!“ Kann A mit Erfolg klagen? |
b) | D zahlt ihre Spielschulden unmittelbar an A und B. Dann bekommt sie deren Diskussion mit C mit. Auch D meint, sie habe in der Vorlesung davon gehört, dass Spielschulden Ehrenschulden seien. Nun verlangt sie das an A und B gezahlte Geld zurück – mit Recht? |
96
Es gibt verschiedene schuldrechtliche Pflichten, die es auseinanderzuhalten gilt. Die Unterscheidung ist kein Glasperlenspiel, sondern eine praktische Notwendigkeit: Wenn A von B Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung verlangt, müssen wir wissen, um welche Pflicht es geht: Gem. § 280 Abs. 3 kann Schadensersatz „statt der Leistung“ nur unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen verlangt werden. Geht es um die Verletzung aus § 241 Abs. 2 ist beispielsweise § 282 einschlägig, nicht aber bei der Verletzung von Leistungspflichten aus § 241 Abs. 1, für die § 281 gilt. Die Maßstäbe der Normen sind aber unterschiedlich: Für § 282 ist entscheidend, ob die Leistung weiterhin zumutbar ist, während § 281 grundsätzlich den erfolglosen Ablauf einer Nachfrist voraussetzt.
Teil I Grundlagen › § 3 Schuldrechtliche Pflichten – Einteilung und Abgrenzungen › I. Leistungspflichten (§ 241 Abs. 1)
I. Leistungspflichten (§ 241 Abs. 1)
97
Leistungspflichten entstehen, wie § 241 Abs. 1 sagt, aus einzelnen Schuldverhältnissen. Sie verwirklichen das Interesse des Gläubigers, das vertraglich Vereinbarte unmittelbar zu erhalten (Leistungsinteresse). Wenn ich ein Auto verkaufe, trifft mich die Leistungspflicht aus § 433 Abs. 1 S. 1: Ich muss das Auto dem Käufer übergeben und es ihm übereignen. Natürlich soll ich auch meinerseits das vertraglich Vereinbarte erhalten, also den Kaufpreis (§ 433 Abs. 2). Diese Leistungspflichten können auch durch Klage geltend gemacht und zwangsweise von Gerichten und Vollstreckungsbehörden durchgesetzt werden.[1]
98
Dass Leistungspflichten als Zwangsrechte ausgestaltet sind, ist nicht selbstverständlich. Im englischen Recht sind Leistungspflichten nicht ohne Weiteres auch durch korrespondierende Klagerechte gestützt.[2] Ob der Gläubiger die Leistungspflicht selbst prozessual durchsetzen, also specific performance verlangen kann, oder ob er sich mit Schadensersatz begnügen muss, steht im Ermessen des Richters. In der Praxis unterscheiden sich englisches und deutsches Recht allerdings weniger, als es die unterschiedlichen Ausgangspunkte erwarten ließen.[3] Im deutschen Recht kann schon wegen verfahrensrechtlicher Grenzen oft nur Schadensersatz durchgesetzt werden, so etwa bei Dienstpflichten (vgl § 888 Abs. 3 ZPO). Umgekehrt gewähren auch englische Gerichte specific performance, wenn Schadensersatz nicht ausreicht, um das Gläubigerinteresse zu befriedigen. Wenn der Schuldner etwa eine einzigartige Sache liefern soll, für die sich kein Ersatz am Markt finden lässt, ist die Leistungspflicht auch im englischen Recht durchsetzbar.
1. Funktionen und Bedeutung
99