Praxis der Selbstanzeige. Sebastian Burger
hat die bereits seit Mai 2014 kommunizierte geplante Gesetzesverschärfung im letzten Quartal 2014, wie Stimmen aus der Finanzamtspraxis berichten, zu einer regelrechten „Jahresendrallye“ geführt. Viele Steuerpflichtige haben noch in den letzten Tagen des alten Jahres die Finanzämter mit Selbstanzeigen regelrecht überschwemmt, um noch in den „Genuss“ der alten Rechtslage zu kommen.[5]
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Insgesamt haben seit 2010 über 100.000 Personen eine Selbstanzeige abgegeben. Dies hat zu Mehreinnahmen des Fiskus von mehr als 4 Mrd. € geführt, so dass die Selbstanzeige unter fiskalischen Gesichtspunkten überwiegend als Erfolgsmodell gilt. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Topthema in der anwaltlichen und steuerlichen Beratung. Daran wird auch die Neuregelung der Selbstanzeige mittelfristig nichts ändern. Denn eine Selbstanzeige ist in der Praxis nicht nur im Zusammenhang mit Schwarzgeld oder im Ausland schlummernden Konten relevant. Die Bandbreite möglicher Sachverhalte, in denen nachträglich der Vorwurf der Steuerhinterziehung im Raum steht, ist groß. Neben dem Unternehmensbereich sind insbesondere Erbschafts- und Schenkungsfälle betroffen. Damit wird die Thematik, auch wenn Selbstanzeigen quantitativ in den folgenden Jahren das Niveau der letzten Jahre und speziell 2014 nicht mehr erreichen werden,[6] qualitativ über mutmaßlich höhere Steuersubstrate in der Rechts- und Steuerberatung weiterhin eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen.
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Vor allem auch Selbstanzeigen nach altem Recht dürften Berater in naher Zukunft noch in großem Umfang beschäftigen. Schließlich gilt es, den „Sondereffekt“, der in den letzten fünf Jahren über die Finanzämter hereingebrochen ist, auch von Beraterseite „aufzuarbeiten“. Nicht nur bei den in den Jahren 2013 und 2014 eingereichten Selbstanzeigen ist – nachvollziehbar – der Großteil weder steuerlich noch gar strafrechtlich abgeschlossen. Auch gibt es bei den „Altfällen“ der Selbstanzeigen 2012 und früher noch erheblichen Beratungsbedarf.
Dies betrifft etwa mangels vorliegenden Bankenmaterials oder aus Kapazitätsgründen nicht abgeschlossene Besteuerungsverfahren, aber auch schon Rechtsbehelfs- bzw. Finanzgerichtsverfahren. Parallel dazu ist das alte Recht in eingeleiteten und vor Bestandskraft der Besteuerungsverfahren üblicherweise nicht abgeschlossenen Steuerstrafverfahren sowie in aus Selbstanzeigen resultierenden Außen- bzw. Steuerfahndungsprüfungen von Bedeutung. Daneben spielt es aber auch eine Rolle bei der steuerstrafrechtlichen Klärung von Fällen der sogenannten „fehlgeschlagenen“ Selbstanzeigen.
Nicht zu vergessen ist auch die Vielzahl der im Gefolge von Steuerfahndungsmaßnahmen auf der Basis von angekauften Steuer-CDs laufenden Ermittlungsverfahren, bei denen vorrangig strafprozessuale Überlegungen, zunehmend aber auch gepaart mit steuerverfahrensrechtlichen Themen unter dem Oberbegriff der Verfahrenstaktik Bedeutung erlangen und eine solide Kenntnis des bisherigen „Selbstanzeigerechts“ erfordern. Hierauf ist noch im Einzelnen einzugehen (vgl. 3. Kap. Rn. 153 ff.). Auf die mit dem neuen Selbstanzeigerecht einhergehenden Veränderungen in Theorie und Praxis muss der Berater ohnehin für eine bestmögliche Unterrichtung und Vertretung des Mandanten vorbereitet sein.
Anmerkungen
Im Detail gehen die Angaben auseinander. Für 2013 berichtet die WirtschaftsWoche unter http://www.wiwo.de/finanzen/steuern-recht von 25.700 Selbstanzeigen, Focus meldet unter http://www.focus.de/finanzen/steuern/ ca. 24.000, die Welt unter http://www.welt.de/ im Artikel „40.000 Steuerhinterzieher zeigten sich 2014 selbst an“ vom 13.1.2015 gibt für 2013 eine Zahl von rund 27.000 Selbstanzeigen an.
Artikel „Selbstanzeige: Viele Steuerhinterzieher zu spät dran“ vom 9.3.2015, abrufbar unter http://m.welt.de/finanzen; Artikel „Rekord bei Selbstanzeigen von Steuerbetrügern“ vom 2.1.2015, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/selbstanzeige; die Welt meldet unter http://www.welt.de/ in ihrem Artikel „40.000 Steuerhinterzieher zeigten sich 2014 selbst an“ vom 13.1.2015 für 2014 eine Zahl von 38.587 Selbstanzeigen; Artikel jeweils abrufbar unter Eingabe des Suchbegriffs „Selbstanzeige“.
Artikel „2014 Rekordwert bei Steuer-Selbstanzeigen“ vom 12.1.2015, abrufbar unter http://www.wiwo.de unter Eingabe des Suchbegriffs „Selbstanzeige“; Artikel „Rekord bei Selbstanzeigen von Steuerbetrügern“ vom 2.1.2015, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/selbstanzeige.
Vgl. den Artikel „Viele Steuersünder zeigen sich selbst an“ vom 9.3.2015, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/selbstanzeige.
Manche Bundesländer melden für die ersten Monate des Jahres 2015 aber auch einen Anstieg der Zahl der Selbstanzeigen, vgl. die Artikel vom 9. und 10.3.2015 unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/selbstanzeige.; in seinem in der Wirtschaftswoche veröffentlichten Beitrag „Verwirrung um Neujahrsboom bei Selbstanzeigen“ vom 10.2.2015 hält Haerder schlicht einen Verwaltungsstau durch verlängerten Postlauf als Erklärung für möglich; Praktiker gehen noch bis 2017 von einer weiteren Selbstanzeigeflut aus (Kullen www.tagblatt.de [vom 4.2.2014 Stichwort: Selbstanzeige]).
1. Kapitel Einleitung › II. Die Neuregelung der Selbstanzeige 2015
II. Die Neuregelung der Selbstanzeige 2015
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Die Selbstanzeige ist seit fast 100 Jahren ein bewährtes Instrument zur Aufdeckung bislang unbekannter Steuerquellen und zur Rückkehr des Steuerpflichtigen in die Steuerehrlichkeit. Nachdem das Recht der Selbstanzeige im Jahr 2011 bereits erheblich verschärft worden war, hat die Novellierung zum 1.1.2015 die Möglichkeit, Strafbefreiung durch eine Selbstanzeige zu erlangen, nochmals erschwert. Der Beratungsbedarf ist, selbst wenn die Selbstanzeigewellen zunächst abklingen sollten, enorm, gilt doch eine Selbstanzeige ohne professionelle Beratung als „kaum noch erfolgversprechend“.[1]
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Ein Eckpunkt der Neuregelung ist die Verteuerung der Selbstanzeige. Die im Jahr 2011 eingeführte Betragsgrenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung ohne Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages bei Selbstanzeige straffrei bleiben kann, halbiert sich von 50.000 € auf 25.000 €. Gleichzeitig erhöht sich der Zuschlag für Selbstanzeigen, die aufgrund der Höhe der hinterzogenen