Der Tod setzt Segel. Robin Stevens

Der Tod setzt Segel - Robin Stevens


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gelöscht waren und das Schiff am Ostufer neben einem dicken Wald aus Palmen angelegt hatte, stopften Daisy und ich Polster unter unsere Decken, für den Fall, dass jemand nach uns sehen würde, wickelten uns gegen die nächtliche Kälte in einen Schal und stiegen die steile Treppe zum Oberdeck hinauf. Kaum hatten wir es uns in unseren kleinen Korbstühlen bequem gemacht, erschien Amina, gefolgt von George und Alexander.

      »’n Abend!«, flüsterte George.

      »Man ist euch nicht gefolgt?«, fragte Daisy misstrauisch.

      »Miss Beauvais schnarcht«, sagte Amina, die ihr Taschentuch auffaltete, um einige extra Küchlein vom Abendessen zu präsentieren. »Also weiß ich, dass sie schläft. Außerdem habe ich sie für alle Fälle eingesperrt. Ist es nicht praktisch, dass die Schlüssel hier auf beiden Seiten der Kabinentüren funktionieren?«

      »Und Mr Young ist über seinen Notizen eingeschlafen«, berichtete George. »Er hat keinen blassen Schimmer vom antiken Ägypten, daher muss er seine ganze Zeit damit verbringen, heimlich in der Kabine vorauszulernen, was er uns beibringen will. Deswegen haben wir ihn ausgesucht! Er ist einer von Harolds Bekannten aus Cambridge. Er fällt in Geschichte durch, daher fand ich ihn perfekt. Vor dem Frühstück morgen wird er nicht nach uns sehen.«

      Wir fünf unterhielten und unterhielten uns, während über uns die Sterne funkelten, als wäre die Welt von Kerzen erleuchtet. Die Weidenzweige meines Stuhls stachen mir in die Arme und die Kälte zwickte mich in Wangen und Finger – und ich kam mir ungeheuer erwachsen und wagemutig vor. Ich war nachts draußen, mit Jungs. Ich betrachtete Alexanders Umriss im Dunkeln und überlegte, ob er wirklich meinetwegen hier war. In der Hitze des Tages war es mir unwahrscheinlich vorgekommen, doch hier oben, bei Nacht, während ich erschauderte, entweder wegen der kühlen Luft oder aber vor Aufregung, konnte ich es beinahe glauben.

      Die Uhr im Salon unter uns schlug zur vollen Stunde und Amina kicherte. »Zwei Uhr!«, flüsterte sie. »Lasst uns was anstellen – kommt!«

      »Was willst du denn machen?«, fragte Daisy neugierig.

      »Ach, keine Ahnung.« Amina zuckte mit den Schultern. »Die Nummern an den Kabinentüren vertauschen. In den Speisesaal schleichen und das gesamte Frühstücksbesteck durcheinanderbringen. Irgendwas

      »Was, wenn wir –«, begann Alexander, doch dann hielt Daisy die Hand hoch.

      »Psst!«, zischte sie. Ich dachte schon, sie wäre Alexander gegenüber schlicht unhöflich, wie immer, doch einen Moment später hörte auch ich, was sie aufgeschreckt hatte. Ein leises, gleichmäßiges Geräusch wie von einem Herzschlag – Schritte auf dem Deck unter uns.

      Wie ein Geist erhob Daisy sich aus ihrem Stuhl und trat zur Backbordseite des Schiffes. Wir alle folgten ihr und spähten über das Geländer. Mein eigenes Herz klopfte laut und ich klammerte mich an Daisys Arm.

      Das Deck unter uns wurde sanft vom Mond beschienen, der inzwischen ein cremiges Weiß angenommen hatte und fast direkt über unseren Köpfen stand. In seinem Glanz konnten wir sehen, dass etwas über das Salondeck trieb, und zwar mit einem merkwürdigen, unheimlichen Gang.

      Ich glaube nicht an Geister, das habe ich mir tausendmal gesagt, aber –

      Ich stieß hörbar die Luft aus und Daisy rammte mich mit dem Ellbogen.

      »Geister machen keine Schritte, Hazel«, wisperte sie in mein Ohr und ich kam wieder zu mir. Wie hatte ich so albern sein können? Was ich da sah, war lediglich ein Mensch in einem weißen Nachthemd – ein blasser Mensch mit langem gelocktem Haar, der die Hände ein wenig vor sich ausgestreckt hatte, als würde er nach etwas greifen.

      »Das ist Heppy!«, flüsterte Amina. »Was treibt sie da?«

      »Spazieren gehen!«, antwortete Alexander. »Wie seltsam. Es ist zwei Uhr morgens!«

      Seine Stimme musste bis nach unten gedrungen sein, denn Heppy zuckte zusammen und drehte das Gesicht in unsere Richtung. In diesem Moment sahen wir etwas, das uns einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Heppys Augen glitzerten im Licht der nächsten Lampe, doch sie waren völlig ausdruckslos.

      »Sie schlafwandelt!«, raunten George und Daisy im Chor und warfen sich einen verzückten Blick zu.

      Ich war zu beschäftigt damit, meine Atmung in den Griff zu bekommen, um irgendetwas anderes als blankes Entsetzen zu empfinden. Heppys kaltes, nichtssagendes Gesicht, ihre ausgestreckten Hände – es war, als würde man einen Albtraum von außen beobachten.

      Vor unseren Augen glitt sie übers Deck, blieb stehen und schob die Tür direkt unter uns auf.

      »Wessen Kabine ist das?«, flüsterte Alexander.

      »Entweder die von Miss Doggett oder Theodora Miller«, wisperte Daisy. »Oh, wie merkwürdig!«

      Wir warteten, atmeten behutsam und fünf Minuten später glitt Heppy wieder heraus und schloss leise die Tür hinter sich. Als sie sich abwandte war ihr Blick noch immer leer. Etwas Gruseligeres habe ich im ganzen Leben noch nicht gesehen und irgendwie war uns danach der Spaß vergangen. Wir zogen uns ins Bett zurück, unruhig und aufgewühlt.

      Wir hatten keine Ahnung, als wie wichtig sich das erweisen würde, was wir in dieser Nacht beobachtet hatten.

      3

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      Als ich am Morgen aufwachte, stand die Sonne schon hoch und der Himmel war strahlend hell, obwohl es erst kurz vor acht Uhr war. Das Frühstück bestand aus saftigen Früchten und Blätterteiggebäck auf dem Oberdeck, begleitet von winzigen Tassen mit schwarzem Kaffee. Ich beschloss, einen zu trinken, um erwachsen zu wirken, musste ihn aber angeekelt wegstellen, weil er so bitter und stark war.

      Wieder schipperten wir an niedrigen grünen Palmen und hohen gelben Bergen vorüber, während der breite Fluss um uns ruhig und dunkelblau dalag. Feluken glitten mit geblähten Segeln vorbei, Enten paddelten im Wasser und am Ufer jagte ein Mann in einer weißen Dschallabija seine Esel, die sich losgerissen hatten. Als wir die Esna-Schleuse passierten, ging ein Großteil unserer Reisegruppe an Deck, um zuzusehen, wie das Schiff prächtig in die Höhe schwebte. Rhiannon Bartleby spazierte vorüber und suchte händeringend nach ihrer Brille (die auf ihrem Kopf saß), weswegen sie von Theodora angekeift wurde. Heppy war schwer damit beschäftigt, für die anderen des Hauch-des-Lebens Sachen zu holen und zu tragen. Sie wirkte müde, wie ich fand, und tat mir umso mehr leid.

      Dann fuhren wir weiter. May beugte sich über die Reling und versuchte, Dinge in das sich drehende Schaufelrad zu werfen. Pik An, die recht grün um die Nase wirkte (im Zug hatte sie Salat gegessen, der ihr nicht gut bekommen war), zerrte sie fort.

      Am Nachmittag, als die Sonne schwer und heiß im Westen stand, ging das Schiff vor einer staubigen kleinen Stadt vor Anker und in einer Prozession von Pferden und Karren ratterten wir von dannen zu einem anderen Tempel. Pik An kam nicht mit – sie war wegen ihrer Lebensmittelvergiftung so grün wie nie und musste die Kabine hüten.

      Die trockene Hitze Ägyptens schillerte und die grellen, in der Sonne strahlenden Wände und Säulen überwältigten mich. Wohin ich auch blickte, gab es noch einen Pharao, der seine Feinde niederschmetterte, noch einen Gott mit einem Krokodil- oder Schakal- oder Löwengesicht. Dieser Tempel hatte eine Decke und die Räume waren dunkel. Mit der Zeit stellte sich in meinem Magen ein mehr als mulmiges Gefühl ein. Zugegeben kann ich nicht sagen, ob ich mir dieses Gefühl rückblickend nur einbilde – wegen dem, was später passierte –, aber ich erinnere mich wirklich daran, wie ich unter einem gewaltigen Fries stand und so aufgewühlt war, dass ich beinahe zitterte.

      »Schau«, sagte Amina mit vor Begeisterung funkelnden Augen zu Daisy. Sie hatte selbstverständlich keine Angst. »Das ist Osiris. Er wurde von seinem Bruder Seth umgebracht –«

      »Welches Motiv?«, unterbrach Daisy sie.

      »Ach, Eifersucht, schätze ich«, antwortete Amina schulterzuckend. »Jedenfalls zerschnitt Seth Osiris in vierzehn Teile und verstreute


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