Inneren Frieden bewahren. Gesche Rabten

Inneren Frieden bewahren - Gesche Rabten


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hinübergehen, als hätte ein Dieb mich beraubt.

      60  »Sicher wird materieller Wohlstand mir ermöglichen, zu leben, und dann werde ich Unheilsames zerstören und Heilsames tun.« Wenn ich aber wegen dieser Güter in Zorn gerate, wird dann nicht mein Verdienst zerstört und Unheilsames vermehrt?

      61  Was für einen Nutzen hat das Leben eines Menschen, der unheilsame Handlungen begeht, wenn er es, um materieller Vorteile willen, degenerieren läßt?

      62  »Sicher sollte ich denen zürnen, die unfreundliche Dinge sagen und damit anderer Leute Vertrauen zu mir schmälern.« Warum bin ich aber nicht genau so zornig auf Leute, die unangenehme Dinge über andere sagen?

      63  Wenn ich diesen Mangel an Vertrauen geduldig hinnehmen kann, weil er sich auf jemand anderes bezieht, warum bin ich dann ungeduldig, wenn jemand unfreundliche Worte über mich sagt, da sie doch auf das Entstehen von Verblendungen zurückzuführen sind?

      64  Wenn andere heilige Bilder, Reliquienschreine und das Heilige Dharma verleumden oder gar zerstören, ist es unangebracht, mich darüber zu ärgern; denn die Buddhas kann man nicht verletzen.

      65  Ich sollte denen gegenüber nicht ärgerlich werden, die meine spirituellen Lehrer, Verwandte und Freunde verletzen. Stattdessen sollte ich einsehen, wie schon vorher gezeigt, daß solche Dinge unter dem Einfluß der Umstände geschehen.

      66  Da die Geschöpfe sowohl von fühlendenWesen als auch von leblosen Dingen verletzt werden, warum nur Groll gegen die Wesen hegen? Stattdessen sollte ich jeden Schaden geduldig hinnehmen.

      67  Der eine tut Übles aus Unwissenheit, der andere wird aus Unwissenheit auf ihn wütend. Welcher von beiden ist im Irrtum, und welcher ist ohne Fehler?

      68  Warum habe ich früher jene Taten begangen, für die andere mir jetzt Leid zufügen? Da alles auf meine früheren Handlungen zu­rückzuführen ist, warum sollte ich auf die Feinde wütend sein?

      69  Nachdem ich dieses eingesehen habe, will ich mich um das bemühen, was verdienstvoll ist, damit alle von liebevollen Gedanken füreinander erfüllt werden.

      70  Wenn zum Beispiel Feuer von einem Haus auf ein anderes übergesprungen ist, wird es gut sein, Stroh und Ähnliches zu entfernen, damit das Feuer sich nicht weiter ausbreitet.

      71  Wenn in gleicher Weise das Feuer des Hasses auf das übergreift, an dem mein Geist haftet, so sollte ich es sofort beseitigen aus Angst, mein Verdienst könnte verbrennen.

      72  Warum fühlt sich ein zum Tod Verurteilter nicht vom Glück begünstigt, wenn ihm stattdessen die Hand abgehackt und er dann freigelassen wird? Warum schätze ich, der ich menschliches Elend erfahre, mich darum nicht glücklich, wenn mir dadurch die schrecklichen Qualen der Hölle erspart bleiben?

      73  Wenn ich unfähig bin, auch nur die Leiden der Gegenwart zu ertragen, warum enthalte ich mich dann nicht des Zornes, der die Quelle höllischen Elends ist?

      74  Um der Befriedigung meiner Wünsche willen habe ich zahlreiche Höllenbrände durchlitten und doch durch solches Tun weder mir noch anderen gedient.

      75  Aus weniger als einem Bruchteil jenes Leidens kann schon Bedeutendes hervorgehen. So sollte ich wahrhaftig froh sein über gegenwärtiges Leiden, das alle Übel vertreibt.

      76  Sollte jemand Glück und Freude darin finden, meinen Feind als eine vortreffliche Person zu loben, warum, Geist, lobst du ihn nicht auch und machst dich ebenso glücklich?

      77  An solcher Freude ist nichts Verkehrtes. Sie erfreut die Vollendeten und ist ein ausgezeichnetes Mittel, andere um dich zu sammeln.

      78  Es wird gesagt, daß es andere glücklich macht, wenn sie so gelobt werden. Wenn du ihnen aber dieses Glück nicht gönnst, wäre es aufrichtiger, du würdest zum Beispiel aufhören, deinen Dienern Löhne zu zahlen, weil sie das glücklich macht. Aber du würdest in diesem und in zukünftigen Leben nachteilige Wirkungen erfahren.

      79  Wenn andere meine Vorzüge loben, möchte ich sie auch glücklich sehen; aber wenn sie die Vorzüge anderer loben, bin ich selber gar nicht glücklich.

      80  Da ich den Erleuchtungsgeist erzeugt habe, der wünscht, daß alle Wesen glücklich sind, warum sollte ich zornig werden, wenn sie ein wenig Glück finden?

      81  Wenn ich allen fühlenden Wesen wünsche, daß sie Buddhas werden, verehrt in den drei Bereichen, warum quält es mich dann, wenn ich sehe, daß sie gewöhnliche, weltliche Achtung genießen?

      82  Wenn ein Verwandter, um den ich mich kümmere und dem ich vieles zukommen lasse, fähig wird, seinen eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, würde ich nicht eher glücklich als zornig sein?

      83  Wenn ich den Wesen nicht einmal dieses gönne, wie kann ich ihnen wünschen, daß sie erleuchtet werden? Und wo ist ein Erleuchtungsgeist in dem, der zornig wird, wenn andere etwas bekommen?

      84  Was tut’s, ob meinem Feind etwas gegeben wird oder nicht? Ob er es erhält, oder ob es im Haus des Wohltäters verbleibt, ich selbst habe sowieso nichts davon.

      85  Warum also verschleudere ich meine Verdienste, mein Vertrauen und meine guten Eigenschaften dadurch, daß ich wütend werde? Sag mir, warum ich nicht mir selbst zürne, weil ich die Ursachen für Gewinn nicht in mir habe?

      86  Oh Geist, du empfindest nicht einmal Reue über das Schlechte, das du begangen hast. Warum willst du dann mit anderen wetteifern, die verdienstvoll gehandelt haben?

      87  Wenn deinem Feind Unglück widerfährt, was ist daran, worüber du dich freuen könntest?Dein bloßer Wunsch hat nicht bewirkt, daß er verletzt wurde.

      88  Und selbst wenn er so leidet, wie du es dir gewünscht hast, was ist daran, worüber du dich freuen könntest? Und wenn du sagst: »Jetzt endlich bin ich zufrieden!«, kann es etwas Scheußlicheres geben als das?

      89  Dieser Haken, von den Fischern der Verblendungen ausgeworfen, ist unerträglich spitz. Bin ich erst einmal gefangen, ist es sicher, daß ich in den Kesseln der Höllenwächter gekocht werde.

      90  Ehre, Lob und Ruhm verwandeln sich weder in Verdienst noch in Leben; sie geben mir weder Kraft noch befreien sie mich von Krankheit und verschaffen mir keinerlei körperliches Glück.

      91  Wenn mir bewußt wäre, was das Wesentliche ist, welchen Wert würde ich diesen Dingen beimessen? Wenn alles, was ich möchte, ein bißchen Fröhlichkeit ist, so sollte ich mich dem Spiel oder dem Trinken widmen.

      92  Wenn ich um des Ruhmes willen meinen Besitz weggebe oder mich töten lasse, was können dann trockene Lobesworte ausrichten? Bin ich erst tot, wem machen sie Vergnügen?

      93  Kinder heulen vor Verzweiflung, wenn ihre Sandburgen einstürzen. Wenn meine Ehre und mein guter Ruf dahinschwinden, verhält sich mein Geist wie ein kleines Kind.

      94  Klang besitzt keinen Geist und hat hat daher keine Absicht, mich zu loben. Wenn gesagt wird, daß andere mich mögen, wie kann das die Ursache für Freude sein?

      95  Ob dieses Lob mich oder einen anderen betrifft, welchen Nutzen habe ich von der Freude (dessen, der mich lobt)? Er allein hat die Freude und das Glück; ich habe nicht den kleinsten Anteil daran.

      96  Wenn aber sein Glück mich glücklich macht, sollte ich dann nicht allen gegenüber das Gleiche empfinden? Wenn das so ist, warum freut es mich dann nicht, wenn er glücklich ist, weil er jemand anders mag?

      97  Deshalb ist Glück wertlos, das aus dem Gedanken erwächst: »Ich bin gelobt worden.« Es entspricht der Einstellung eines Kindes.

      98  Lob und Ruhm verwirren mich und hindern mich daran, dem Daseinskreislauf zu entsagen. Ich beginne die zu beneiden, die gute Eigenschaften haben, und alles Heilsame wird zunichte.

      99  Sind daher jene, die fleißig dabei sind, mein Lob und meinen guten Ruf zu zerstören, nicht auch dabei, mich vor dem Sturz in elende Bereiche zu bewahren?

      100  Da ich nach Befreiung strebe, sollten mich materielle Verdienste und Ehren nicht fesseln. Warum gerate ich also in Zorn über die, die mich von dieser Fessel befreien?

      101  Jene, die mir Leiden zufügen wollen, sind wie Buddhas, die ein Meer von Segen ausgießen, indem sie mir die Tür


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