Comanchen Mond Band 2. G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2 - G. D. Brademann


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7. Kapitel

      Summer-Rain erreichte auf ihrem Pony die ersten Tipis. Sie brauchte, genau wie Storm-Rider, nur Augenblicke, um ihre Leute zu mobilisieren. Sie waren bereits von dem ersten Kanonendonner aufgeschreckt worden. Allein dieser Einschlag in der Nähe der ersten drei Tipis hatte seine Wirkung auf alle anderen nicht verfehlt. Weiter flussaufwärts rissen Frauen bereits ihre Tipis nieder, rollten Büffelhäute zusammen, warfen hektisch Sachen auf Decken und ergriffen die Flucht. Alles war in Bewegung.

      Storm-Rider schickte Späher aus, während schon die ersten beladenen Travois in Richtung Felsendurchgang unterwegs waren. Kinder griffen sich wahllos Pferde, die bis eben noch grasend in der Nähe gestanden hatten. Die Besitzverhältnisse waren egal. In Windeseile beluden sie sie mit ihren Habseligkeiten. Um ein Tipi abzubauen, brauchte eine darin geübte Frau nicht lange. Wenn ein Weißer die Zeit gestoppt hätte, wäre er auf 15-18 Minuten gekommen. Den Haushalt brachten sie in eigens dafür vorgesehenen Ledertaschen unter. Alles, was sie greifen konnten, kam dort hinein oder wurde in sämtliche Lücken des Travois gestopft. Was wie ein heilloses Durcheinander aussah, entsprang langer Übung. Kleinkinder hingen bereits in Tragewiegen sicher verstaut an der Seite der Pferde. Die letzten Behältnisse mit Vorräten und frischen Nahrungsmitteln warfen Frauen im Laufen noch den größeren Kindern zu, die sich damit auf ihre Ponys hievten. Unnütze Gegenstände blieben zurück.

      Das kleine Völkchen rannte, ritt, trug, was es nur konnte, von ihren Heimstätten am Fluss zum Hauptweg hinüber, um von dort aus den Durchgang zwischen dem Canyon und dem Geröllfeld zu erreichen. Schon verschwanden die ersten Flüchtenden dort hindurch, fürsorglich sich nach den Nachfolgenden umblickend. Wenn es nur irgend ging, würde niemand zurückgelassen werden. Das alles geschah ohne Zutun der Krieger, die ihre Waffen geholt hatten und sich vor dem Geröllfeld sammelten. Manch eine Mutter rief laut nach ihren Kindern, die sich – aufgeregt durch das hektische Treiben – etwas entfernt hatten. Wo Hilfe gebraucht wurde, unterstützten sich die Frauen untereinander, griffen dort nach einem Halfter, halfen hier einer Nachbarin beim Befestigen ihres Travois. Oft fand sich ein Kind plötzlich auf dem Pony neben einem Freund, während die eigene Mutter noch nach ihm Ausschau hielt. Junge Mädchen hielten die Pferde fest, dirigierten ihre Geschwister auf zusätzliche Ponys und halfen ihren Müttern. Die halbwüchsigen Jungen ritten zur Pferdeherde hinüber und kamen mit Mustangs im Schlepp wieder zurück.

      Währenddessen donnerten bereits die ersten Pferde der großen Herde durch den Canyon. An ihrer Seite ritten die Pferdejungen und weitere die Herde betreuende Männer. Wie sie es schafften, diese gewaltige Anzahl – etwa 700 – heil und geordnet durch den Canyon zu bringen, blieb ihr Geheimnis. Zwei der Männer, die sich auch sonst immer um die Herde kümmerten, kamen mit etwa 20 Mustangs über den Fluss geritten, um sie noch zusätzlich an die Frauen zu verteilen. Es waren Arrow-Head und Raven-Feather, die Haare von der Sonne ausgebleicht, hochgewachsen und von dem Leben in den Plains fast so dunkel wie Comanchen. Kurz darauf preschte auch der Rest der Herde zusammen mit ihnen durch den Canyon hinaus in die Weite.

      Sie waren die Götter der Pferde – sie waren Comanchen.

      Die den Frauen zugetriebenen Pferde wurden in fliegender Hast beladen. Kleine Kinder – kaum, dass sie laufen konnten – wussten schon ganz genau, was man von ihnen erwartete. Von den älteren Geschwistern unterstützt, hievten sie sich auf die Pferderücken. Summer-Rain kam denen zu Hilfe, die Hilfe brauchten, und ritt eilig von Tipi zu Tipi den Fluss entlang. Sie belud Travois und reichte kleine Kinder, die auf unerklärliche Weise von ihren Müttern getrennt worden waren, in die tröstenden Arme irgendwelcher Verwandte, brachte Nachrichten hin und her. Es wurde nicht laut geschrien, kein unnützer Lärm gemacht, keine Hektik verbreitet. Immer mehr Menschen kamen von flussabwärts, schließlich hatten die Tipis den gesamten Flussabschnitt entlang gestanden. Wer zu viel Hausrat zurücklassen musste, bekam ihn später von der Gemeinschaft ersetzt. Summer-Rain hatte ihre beiden Ersatzpferde bereits abgegeben, so dass damit zwei Travois beladen werden konnten. Das aufgelöste Lager kam im Eiltempo den ausgetretenen Hauptweg entlang. Schützende Bäume hatten sie bisher vor den Augen der Angreifer abgeschirmt.

      Drei alte Männer wurden kurzerhand, ohne ihren Protest zu beachten, auf die Travois ihrer Familien gehievt. Sie alle waren geliebte Großväter, einer sogar ein Urgroßvater, die niemand als leichte Beute für die Soldaten zurücklassen wollte – schon gar nicht ihre Enkelkinder. Das alles schafften die Frauen ganz ohne männliche Hilfe. Es war ihre Aufgabe, denn die Krieger hatten anderes zu tun. Bereits als die ersten Tipis zusammenfielen, die ersten Stangen aus dem Boden gerissen wurden, griffen sie zu den Waffen und ritten auf ihren besten Kriegsponys zum Geröllfeld. Für solche Fälle hatte Red-Eagle, der bisher ihr Kriegshäuptling gewesen war, schon bei ihrem Eintreffen hier im Sommerlager Anordnungen getroffen. Jeder wusste also, was er zu tun hatte. Das waren Dinge, die notwendig waren und in die sich jeder bedingungslos fügte. Die Mustangs der Krieger tänzelten unruhig; sie wussten, was vorging. Gut ausgebildet, waren sie begierig auf den kommenden Kampf. In der kurzen Zeit, in der sich die Reiter versammelten, sah so mancher von ihnen von seinem Standplatz aus die eigene Familie flüchten. Erleichtert atmeten sie auf, wenn sie sahen, wie sie mit dem gesamten Hausrat samt Kindern den Durchgang passierten. Sie würden sich mit ihrem eigenen Leben dafür einsetzen, dass sie auch weiter in Sicherheit blieben. Die Krieger, von denen einige gerade einmal fünfzehn, sechzehn Winter zählten, ritten vor dem Geröllfeld auf und ab. Niemand von ihnen wusste, wie stark der Feind, der stetig den Fluss heraufkam, wirklich war. Sie verließen sich auf Storm-Rider. Wie selbstverständlich hatten sie alle seine Anweisungen befolgt. Flüssig, ohne zu zögern oder Unsicherheit zu zeigen, hatte er ihnen gesagt, was zu tun war. Nicht einmal absichtlich – es hatte sich einfach so ergeben.

      Jetzt warteten sie hier auf ihn. Die Späher, die er gleich am Beginn des Beschusses ausgeschickt hatte, waren soeben zurückgekehrt. Red-Eagle wandte sich halb zu den Kriegern um, musterte ihre versteinerten Gesichter, die mit keiner Regung anzeigten, was sie dachten. Doch es war offensichtlich, dass sie nach seinem Sohn Ausschau hielten. Unsicher streifte sein Blick Old-Antelope, ihren betagten Häuptling, dann Great-Mountain, der sich ebenfalls auf seinem Kriegspferd eingefunden hatte, und blieb schließlich bei Storm-Rider hängen, der eben herangeritten kam.

      Die vom Signalhorn ausgestoßenen grellen Töne, dieses Hoch und Runter, konnten sie bis hierher hören. Ruhig, nur ruhig, bedeutete ihnen Storm-Rider mit einer Hand und glitt von seinem Mustang, um die Meldung der unberittenen Späher entgegenzunehmen. Einschläge, noch weit weg, aber stetig näherkommend, kündeten von einem Angriff auf ihr Zuhause.

      Grey-Wolf, der fürsorglich die Pferde und die Waffen der Späher mitgebracht hatte, übergab sie ihnen, ohne etwas zu sagen. Mochte er auch manchmal übermütig wie ein Kind sein – er war ein umsichtiger, weitsichtiger Mann. Die Späher ordneten sich in die Reihe der Krieger ein. Storm-Rider schwang sich in den Sattel seines Lieblingspferdes Summer-Wind. In der Armbeuge hielt er Summer-Rains Winchester, geladen mit 17 Patronen. Stumm blickten sich Vater und Sohn einen Herzschlag lang an – Gedankenübertragung. Red-Eagle nickte zuerst ihm und dann den Kriegern zu. Na los, schien er zu sagen; es ist gut so. Die Männer hatten beide nicht aus den Augen gelassen. Jeder Einzelne von ihnen traf seine Wahl – im Hinterkopf die Gefahr, die immer näher kam. Niemand brauchte noch zu überlegen, es war längst entschieden. Dann ritt der älteste der Krieger zu Storm-Rider hinüber. Weitere folgten, bis sich schließlich fast alle neben ihm auf ihren Kriegsponys einfanden. Drei zögerten noch, Icy-Wind unter ihnen; doch auch sie lösten sich nur Augenblicke später aus ihrer Starre und ritten an Storm-Riders Seite. Red-Eagle kam als Letzter. Er zog sich den Riemen, an dem die Kriegspfeife hing, über den Kopf, um damit zu zeigen, dass er die Verantwortung für die Antilopenbande an seinen Sohn weitergab. Und so war es beschlossen. Die Würde des Kriegshäuptlings war auf Storm-Rider übergegangen. Das alles hatte nicht lange gedauert.

      Ein zufriedenes Murmeln hing in der Luft. Dieser Mann auf seinem Schimmelhengst hatte ihr Vertrauen. Sie würden ihm folgen, seinen Befehlen gehorchen. Solange dieser Kampf dauerte, war keiner von ihnen mehr ein Einzelkämpfer. Storm-Rider hatten sie zu ihrem Anführer gemacht, weil er schon immer jemand war, der die Bewunderung aller auf sich zog – der mit seinem starken Charakter und seinen Führungsqualitäten nicht nur die jungen Männer mit sich reißen konnte. Auch die älteren Krieger blickten zu ihm auf. Manch einer wünschte sich, einen


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