Comanchen Mond Band 2. G. D. Brademann
und so machten Mutmaßungen die Runde. Dark-Night wurde nicht mehr nur von Crow-Wing oder Icy-Wind beobachtet; jetzt folgten ihr immer misstrauische Blicke, wohin sie auch ging. Es war fast unmöglich geworden, dass sich die beiden Liebenden noch treffen konnten. Und jetzt? Ihr Leben gegen das seine – sie wollte das nicht! Dark-Night ahnte nur zu gut, dass es schon lange nicht mehr nur um sie ging. Es ging um die Ehre ihres Geliebten. Um sein Gesicht zu wahren, musste er etwas unternehmen. Light-Cloud konnte nicht einfach nur still dabei zusehen, wie Icy-Wind ihn Tag für Tag damit erniedrigte, dass er seine Geliebte in aller Öffentlichkeit misshandelte. Wie lange, so wetteten viele bereits, würde er das noch aushalten? Auch über Icy-Winds Tun wurden Wetten abgeschlossen. Sie war schließlich sein Eigentum. Wenn das stimmte, was alle vermuteten, würde er es weiter dulden, dass Light-Cloud sie ungebeten benutzte?
Dark-Night dagegen bangte jeden Tag um Light-Clouds Leben, nicht um ihres. Wie lange würde er nichts tun? Am liebsten wäre sie einfach weit fortgelaufen.
Nun, hier oben, bei seinen engsten Freunden, war die Entscheidung gefallen. Obwohl Light-Cloud wusste, was Dark-Night denken würde, konnte er darauf keine Rücksicht nehmen. Einen Rückzieher zu machen, kam überhaupt nicht in Frage. Für ihn, den Sohn von Sun-In-The-Red-Hair und Three-Bears, wäre das mehr, als er ertragen konnte. Dark-Night wusste das – so gut kannte sie ihren Geliebten inzwischen. Lieber hätte sie selber sterben wollen, als von ihm dieses Opfer zu verlangen.
Light-Clouds aussichtslose Lage war offensichtlich. Für ihn gab es keinen anderen Weg; er musste Icy-Wind herausfordern. Jetzt, nachdem das beschlossen war, kam es darauf an, dem Ehemann seiner Geliebten in aller Form diese Entscheidung mitzuteilen. Damit wollte man ihn überraschen, denn er sollte keine Möglichkeit mehr haben, eigene Bedingungen zu stellen. Vielleicht fand sich ja doch noch eine friedliche Lösung. Diese Möglichkeit wollten sie auf alle Fälle im Auge behalten. Die jungen Männer um Light-Cloud waren der Meinung, dass es dafür noch nicht zu spät war. Light-Cloud hatte auch dazu sein Einverständnis gegeben. An der Anzahl der Pferde als Entschädigung sollte es auf keinen Fall scheitern. So warteten sie auf das Erscheinen von Icy-Wind, um ihn mit ihrem Vorschlag zu überrumpeln.
Sie hatten die Rechnung ohne ihn gemacht, denn er duldete auf keinen Fall eine Einmischung in seine Angelegenheiten. Erbost empfing er zwar den Herold, der ihn zu dem Treffen oben am Geröllfeld einlud, aber er machte keinerlei Anstalten, hinzugehen. Nachdem der Herold wieder davongeritten war, verließ wenig später die kleine Mexikanerin ihr Tipi, um Brennholz zu sammeln. Sie wollte damit allem Ärger aus dem Weg gehen, denn es war offensichtlich, in welchem Zustand sich ihr Mann befand. Er holte sie bereits nach wenigen Schritten ein. Seine Absicht war unverkennbar. Grob, nur mühsam seine Beherrschung zurückhaltend, drängte er sie ins nahe Unterholz. Unsichtbar für alle anderen; als ob ihn das sonst gekümmert hätte, fiel er brutal über sie her. Sie wollte davonlaufen, ihm entwischen, doch sie kam nicht gegen ihn an. Er zerrte sie hinter sich her, schlug sie, trat nach ihr, bis sie das Bewusstsein verlor. Damit sie wieder zu sich kam, warf er sie ins Wasser und schleifte sie über das versandete, flache Ufer bis hinüber auf die andere Seite. Einige Frauen, die das sahen, wandten sich nur erschrocken ab. Sie gehörte ihm, war sein Eigentum. Alles, was er mit ihr machte, war sein gutes Recht.
Icy-Wind, ein Mann Anfang fünfzig mit breiten Schultern und von etwas gedrungener, kräftiger Gestalt, besah sich das Häufchen Elend zu seinen Füßen. Dark-Night, diese kleine, zierliche Frau, gezeichnet von einem entbehrungsreichen Leben, blutig, verzweifelt, hob flehend ihre Arme. Sie wusste, dass sie selbst verschuldet hatte, was er ihr antat. Doch hatte sie nicht auch ein bisschen Glück verdient? Geringschätzig die schmalen Lippen verziehend, betrachtete er sie einen Moment mit seinen eng zusammenstehenden Augen. Er war noch lange nicht mit ihr fertig. Dark-Night senkte den Blick. Unter ihr bildete sich eine Blutlache, färbte den hellen Sand. Der Schmerz in ihrem Unterleib war kaum zu ertragen, aber sie verzog keine Miene. Sollte er sie doch töten, ihr war in diesem Moment alles egal. Sie wünschte sich fast, er hätte es endlich getan. Ihre blutunterlaufenen Augen durchbohrten ihn ohne jede Regung. Stoßweise flach atmend, da sie vor Schmerzen nicht mehr tief Luft holen konnte, versuchte sie, rückwärts von ihm fortzukriechen. Das ließ er nicht zu. Sein Griff war fest, als er sie am Arm packte, sie hochzog. Doch Dark-Night konnte nicht stehen und knickte wieder ein. Sein Blick zum Wasser hin sagte alles. Am liebsten hätte er sie zurück in den Fluss geworfen und dort ertränkt. Er beherrschte sich. Nur sie zu bestrafen, wäre zu einfach gewesen, damit wollte er sich nicht zufrieden geben. Jemand anderem wollte er wehtun. Und wie er das konnte! Das würde sie Gehorsamkeit lehren. Sollte dieser Sohn einer texanischen Hündin doch seinen Kampf haben! Plötzlich begann er zu lachen.
Dark-Night erschrak. Was hatte er vor? Ihre Gedanken überschlugen sich. Ängstlich presste sie ihre Hände auf die schmerzende, von seinen Zähnen gezeichnete Brust. Wie als Antwort darauf griff er nach ihr, warf sie sich wie ein Bündel Felle über die Schulter und machte sich auf den Weg den Fluss hinauf. Mit weit ausgreifenden Schritten durchquerte er einen Teil der grasenden Pferdeherde und verschwand hinter hervorstehenden Felsen des Canyons, um Dark-Night dort grob auf die sandige Erde zu werfen. Ein abschätzender Blick auf sie überzeugte ihn, dass sie nicht mehr aus eigener Kraft von hier fort konnte. Ohne zu zögern zog er sein Messer. Kurz betrachtete er ihr zerschlagenes Gesicht. Dann schnitt er die Hälfte ihrer Nase ab. Blut spritze auf seine Hände, verteilte sich auf dem Felsen, sickerte in den Sand. Das Ganze war ein Werk von Augenblicken; das Messer war breit und scharf. Erst jetzt spürte er eine Welle der Befriedigung über sich hinwegschwappen. Genugtuung breitete sich in ihm aus. Dann war es vorbei. Völlig ruhig sah er dabei zu, wie sich das Blut aus der hässlichen Wunde über ihr Gesicht ergoss, ihre Hände entsetzt danach griffen, schwarze, weit aufgerissene Augen ihn anstarrten – und doch kam kein einziger Schrei aus ihrem Mund.
Er empfand keine Reue. Icy-Wind, fürs Erste zufriedengestellt, machte einen Schritt rückwärts, um sich sein Werk zu betrachten. Unzufrieden, dass sie nicht geschrien, sich nicht einmal gewehrt hatte, keine Hand erhoben, um ihn zu hindern, knirschte er mit den Zähnen. Sie war nur kurz zusammengezuckt. Jetzt rannen Tränen aus ihren schwarzen Augen und zerteilten das Blut auf ihrem Gesicht in unzählige Rinnen. Icy-Wind nickte zu ihr hin und lächelte hinterlistig. Wenn sie dort verreckte, war das nicht seine Schuld. Er war ein großzügiger Mann und gab ihr die Möglichkeit, hier wieder herauszukommen. Schließlich hatte er sie nicht gefesselt oder irgendwo angebunden. Nun ja, der Anfang war gemacht. Diese Verstümmelung, sagte er sich befriedigt, wird sie ihr ganzes Leben lang behalten. So, wie sie jetzt aussieht, wird sie kein anderer mehr haben wollen. Schon gar nicht ein eitler Mann wie Light-Cloud. Ich hab´s ihr gezeigt, ihr beigebracht, was es heißt, einen wie mich zu hintergehen. So etwas in der Art ging ihm durch den Kopf.
Nun hatte er, der wie ein eisiger Wind über seine Feinde kommt, die Wahl. Die Entscheidung über ihr Schicksal lag allein in seiner Hand. Er konnte sie aus dem Lager jagen – eine Ausgestoßene, die Elend, Hunger und Tod erwartete. Oder sich gnädig zeigen, indem er sie bei sich behielt. Damit würde er Light-Cloud immer an seine Verfehlung erinnern. Fürs Erste war er völlig zufrieden mit sich selbst. Während er den Rückweg antrat, stellte er sich vor, wie Light-Cloud das hier aufnehmen würde. Der Mann würde toben. Soll er doch. Er, Icy-Wind, hatte noch ganz anderes mit ihm vor. Der zweite Teil seiner Rache würde ebenso befriedigend werden.
Niemand vermisste Dark-Night. Weil sie auch nach Beginn der Nacht noch nicht wieder zurück war, ahnte nur Crow-Wing, dass etwas nicht stimmen konnte. Doch das war nicht ihr Problem. Gleichgültig machte sie ihre Arbeit, ohne Icy-Wind diesbezüglich auch nur eine Frage zu stellen.
Am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne den Horizont berührte, machten sich die jungen Männer mit Light-Cloud erneut auf den Weg zu ihrem gestrigen Treffpunkt. Ein zweiter Bote war bereits zu Icy-Wind unterwegs – mit der freundlichen Aufforderung, doch dort zu erscheinen. Die Männer warteten lange. Als wieder niemand kam, wurden sie unruhig.
Storm-Rider, der natürlich nicht fehlen durfte, schlug vor, ins Lager zurückzureiten. Es konnte nicht sein, dass ein Mann die abermalige Aufforderung durch einen Boten einfach ignorierte. Zumindest verdienten sie eine Begründung. Ratlos blickten die jungen Männer Light-Cloud an. Der machte einen bedrückten Eindruck. Er ahnte bereits, dass das nichts Gutes bedeutete, und äußerte laut seine Befürchtungen, was die Sicherheit von Dark-Night betraf. Storm-Rider war ziemlich aufgebracht.