Der Blick in den See. Mart Rutkowski
daher sicher über die vorherige Auseinandersetzung mit der Theorie gewährleistet.
Die Themen verzahnen sich jedoch wechselseitig miteinander. Und warum nicht einfach mit den Kapiteln anfangen, die einen am meisten interessieren? Hier also die Aufforderung: Wenn man das Buch ganz durchliest, ist die Reihenfolge, in der man die Kapitel liest, egal. Ist das nicht erfrischend?
Nun noch ein paar Worte zu einer kleinen sprachlichen Schwierigkeit in diesem Buch: Es war schwer herauszufinden, wessen Buch es eigentlich ist und aus wessen Perspektive das Buch geschrieben wird.
Am Rechner sitze zur Zeit ich, Mart Rutkowski, und wenn ich in diesem Buch „Ich“ schreibe, betone ich damit meine ganz persönlichen, subjektiven Eindrücke, Meinungen und Erfahrungen. Manchmal ist aber auch von „wir“ und „uns“ die Rede – dann wird zumeist von Erfahrungen gesprochen, die das Leitungsteam unseres Vereins SnakeTeam e.V. in seiner konkreten Arbeit gemacht hat. Diese Erfahrungen sind durch lange Zeiträume intensiver Reflexion, Literaturrecherche, Prozessanalyse und Selbstevaluation gestützt. Um alles noch komplizierter zu machen, wird manchmal auch ein verallgemeinerndes „Ich“ oder „Wir“ zu lesen sein: Hier ist die Rede von dem „Ich, das Erlebnispädagoge zu sich sagt“ oder dem den Leser einbeziehenden „Wir Erlebnispädagogen“.
Dann kommt jetzt noch ein Hinweis zu Fußnoten in eben einer solchen Fußnote2 (siehe unten).
An dieser Stelle möchte ich noch einigen Menschen danken: Rebekka für das langjährige gemeinsame Reflektieren unserer Arbeit und für diverse Theorie welche dieses Buch bereichert, Anke Makowka für gute fachliche Gedanken und die Keksrollenreflexion, Luise Germer für Impulse zum Kapitel über systemische Aspekte, Haiko Nitschke für seine Begleitung und die Weitergabe von Wissen über Riten und Rituale, Michael Rehm und Reinhard Zwerger für deren vielseitige Unterstützung durch kompetenten Rat und interessante Skripte sowie allen Freunden, die sich durch den Urtext zwecks Korrektur und Kritik durchgearbeitet haben.
1 Ich schreibe ab jetzt im Maskulinum weiter und möchte darin alle Menschen eingeschlossen wissen. Sofern ich eine geschlechtsspezifische Besonderheit aufzeigen will, weise ich gesondert darauf hin.
2 Ich liebe Fußnoten. Neben Quellenangaben streue ich in Fußnoten manchmal auch Ergänzungen, „Neben-Gedanken“, Querverweise. Abschweifungen und kleine Witze ein. Anders gesagt: Ich schiebe alles in Fußnoten, was m. E. nicht in den Fließtext gehört und was ich aber trotzdem schreiben will. An diese kleine Marotte müssen sich die Leserinnen und Leser dieses Buches nun wohl oder übel gewöhnen.
1. | Ansichten, Grundlagen und Überlegungen für die Erlebnispädagogik |
1. | Ansichten, Grundlagen und Überlegungen für die Erlebnispädagogik |
1.1 | Eine neue Definition von Erlebnispädagogik |
Die erlebnispädagogische Arbeit wurde bereits mit vielen verschiedenen Begriffen und unterschiedlichen Akzentuierungen beschrieben und definiert.
Ich möchte hier erneut eine Annäherung an den Begriff der Erlebnispädagogik versuchen – nicht um Altbekanntes zu rekapitulieren, sondern um erneut zum Nachdenken über das Verständnis von Erlebnispädagogik anzuregen.
Die am Schluss dieses Kapitels gezogene Definition von Erlebnispädagogik ist nicht der Weisheit letzter Schluss, aber sie verdeutlicht einen Aspekt, der mir sehr wichtig ist: Wie stark kontext-, situations- und prozessabhängig Erlebnispädagogik eigentlich ist und wie wenig sie sich auf klar definierbare Räume, Medien und Vorgehensweisen beschränken lässt.1
Bevor ich mich dem Begriff der Erlebnispädagogik annähern und die von uns erarbeitete Definition vorstellen will, möchte ich eine Abgrenzung zu dem Begriff „Abenteuerpädagogik“ ziehen. Erlebnispädagogik und Abenteuerpädagogik werden gern synonym verwendet, ich halte hier eine inhaltliche Abgrenzung der beiden Begriffe jedoch für notwendig. So beschreibt Senninger vor dem Hintergrund des PA-Ansatzes die Abenteuerpädagogik als Ansatz innerhalb der Erlebnispädagogik2. Ich möchte mich von dem Begriff Abenteuerpädagogik distanzieren, da er innerhalb der erlebnispädagogischen Fachdiskussion Kontroversen auslöst. So schreibt Meier-Gantenbein:
„Das Abenteuer ist in seiner Dynamik unbeherrschbar und lässt somit steuernde Eingriffe von außen nicht zu. (…) Von daher ist Abenteuerpädagogik ein nicht zu überwindender Antagonismus, und der Ausweg auf das abgeschwächte Konzept der Erlebnispädagogik scheint zunächst gangbar: Ist doch das Erlebnis dem Abenteuer ganz ähnlich, vermindert nur um dessen riskante Seite.“3
An dieser Argumentation ist etwas dran. Ferner impliziert der Begriff „Abenteuerpädagogik“, dass die gemachten Erlebnisse zwangsläufig abenteuerlichen Charakters sein müssten, was der Komplexität und dem Facettenreichtum des erlebnispädagogischen Ansatzes nicht gerecht würde. Dies hängt vorwiegend mit der Konnotation von „Abenteuer“ zusammen – der Abenteuerbegriff als solches ist letztlich natürlich definitionsoffen und somit definitionsbedürftig. Dennoch sind diese Begriffe nicht austauschbar – Das Erlebnis lässt in seiner Bedeutungsvielfalt mehr zu. Wir wollen uns also auf die Erlebnispädagogik konzentrieren.
Erlebnispädagogik möchte Veränderungen und Horizonterweiterungen im Fühlen, Denken und Handeln ermöglichen und ist somit ein pädagogischer Ansatz, der sich ganzheitliches, unmittelbares und erfahrungsbezogenes Lernen zum Ziel gesetzt hat. Der Sozialpädagoge und Erlebnispädagogik-Ausbilder Bedacht definiert Erlebnispädagogik folgendermaßen:
„Im Rahmen von Natursportarten werden die drei Bereiche Erlebnis, Natur bzw. Raumaneignung und Gemeinschaft mit einer zielgerichtet pädagogischen Vorgehensweise verbunden.“4 Dabei seien vier Komponenten für das Lernen charakteristisch:
Entfernung vom Alltag mit seinen gewohnten Räumen und Verhaltensmustern
Unmittelbarkeit des eigenen Handelns und Nicht-Handelns
psychische und physische Herausforderungen
und die Verbindung kognitiver, emotionaler und haptiver Qualitäten.5
Eine weitere Definition von Erlebnispädagogik gibt Senninger in seinem Buch „Abenteuer leiten“, indem er schreibt, „,Erlebnispädagogik‘ als Methode umfasst alle Aktivitäten, die über Natur oder Umwelt ein verhaltensänderndes, erzieherisches oder persönlichkeitsentwickelndes Ziel haben und sich dabei Erlebnissen in ganzheitlichem Sinn (also aller Sinneswahrnehmungen) bedient.“6 Den von Senninger verwendeten Begriff der Methode halte ich für diskussionswürdig. Muss man die Erlebnispädagogik nicht eher als Ansatz betrachten, da pädagogische Grundhaltung und fundierte Theorie die Grundlagen bilden, auf denen später das rein methodische Vorgehen mit Hilfe von Medien aufbaut? Aber diese Diskussion muss vielleicht andernorts geführt werden denn am Geist der Sache ändert sie letztlich nicht viel.
Vergleicht man jedenfalls die genannten Definitionen miteinander, finden sich vier wesentliche Aspekte wieder:
Das Erlebnis, die Natur/Umwelt/Raumaneignung, die Ganzheitlichkeit sowie die Ausrichtung auf ein Ziel. Dazu kommen je nach Definition Gesichtspunkte wie Natursportarten, Gemeinschaft, Unmittelbarkeit des Handelns, Herausforderungen, Verhaltensänderungen und Persönlichkeitsentwicklung hinzu.
Als übereinstimmende Zusammenführung dieser Definitionen könnte man somit sagen, dass Erlebnispädagogik eine zielgerichtete ganzheitliche Intervention ist, die über ein Erlebnis sowie die besondere Einbeziehung des Raumes bzw. der Natur pädagogisch handeln möchte.7 Den Begriff der Intervention finde ich angebracht, weil er das Potential der Veränderung durch Irritation vorhandener Prozesse impliziert.
An zentraler Stelle der Erlebnispädagogik steht selbstredend das Erlebnis.
Ein Erlebnis ist ein Ereignis, das sich von anderen Begebenheiten im Leben massiv abhebt und durch seine Außergewöhnlichkeit