Geschichte Italiens. Wolfgang Altgeld

Geschichte Italiens - Wolfgang Altgeld


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      Auch die drei Kaiserkrönungen, die in Abwesenheit der Päpste vorgenommen wurden, blieben Episode und führten in Italien nur zu noch größerer Verwirrung: die [134]Krönung Heinrichs VII. 1312 (vgl. S. 112), Ludwigs des Bayern 1328 und Karls IV. 1355.

      Der Romzug Ludwigs des Bayern erfolgte im Gegensatz zu Papst Johannes XXII., der, gestützt auf den (weltlicherseits nicht anerkannten) Approbationsanspruch für die deutsche Königswahl, Ludwigs Unternehmen für unrechtmäßig erklärte und ihn mit Bann und Interdikt belegte. Der Hof Ludwigs bediente sich dagegen der Thesen des Marsilius von Padua (vor allem seiner Schrift Defensor pacis), der die Kirche dem Staat unterordnete und das römische Volk als den eigentlichen Verleiher der Kaiserwürde ansah. So zog Ludwig 1327 über Trient nach Mailand, wo er in die Rivalität zwischen den della Torre und den Visconti eingriff und am 31. Mai die italienisch-langobardische Krönung empfing. Am 7. Januar 1328 langte er schließlich in Rom an: Am 17. Januar erfolgte die Kaiserkrönung als »papstfreie« Zeremonie: zwar in St. Peter, aber durch vier Laien als Vertreter des römischen Volkes. Die nächsten Monate brachten eine ideologische Radikalisierung: Ludwig erklärte aus kaiserlicher Machtvollkommenheit den Papst in Avignon für abgesetzt und veranlasste eine Neuwahl, aus der am 12. Mai 1328 Nikolaus (V.) hervorging; von ihm ließ sich Ludwig am 22. Mai noch einmal als Kaiser krönen. Dann brach der politische Schwung ab, und Ludwig kehrte im August 1328 nach Deutschland zurück. Der im Stich gelassene Nikolaus (V.) musste sich zwei Jahre später Johannes XXII. unterwerfen.

      Die Romfahrt Karls IV. 1354/55 war fast nur noch ein »touristisches« Ereignis: am 6. Januar 1355 Krönung in Mailand, am 5. April 1355 Kaiserkrönung in Rom, danach schnellstmögliche Rückkehr aus Italien.

      [135]Rienzo, der »Letzte der Tribunen«

      In die Zeit des Aufenthaltes der Päpste in Avignon fiel ein kurzlebiger, aber enorm spektakulärer Versuch, Größe und Glanz Roms in antiken Dimensionen zu erneuern: das »Tribunat« des Cola di Rienzo.

      Im April/Mai 1313 geboren (was das falsche Gerücht ermöglichte, sein Vater sei Kaiser Heinrich VII. gewesen), trat Nicola di Lorenzo erstmals 1342 öffentlich in Erscheinung. Damals bot die Gesandtschaft des römischen Adels in traditioneller Weise dem neugewählten Papst die Übernahme der Senatur von Rom an; nach Abreise der Gesandten hatte es in Rom eine Revolte gegeben, die kurzfristig ein Volksregime an die Macht brachte, in dessen Auftrag Cola der adligen Gesandtschaft nachreiste. Die Anerkennung seiner Auftraggeber beim Papst Clemens VI. erreichte er zwar nicht – das Regime brach auch schnell wieder zusammen –, aber er erregte dessen Interesse und mehr noch das des damals in Avignon tätigen Petrarca, der sich für ihn an der Kurie verwendete.

      Fünf Jahre später inszenierte Cola einen Staatsstreich, der am 14. Februar 1347 öffentlich angekündigt und am 19./20. Mai 1347 planmäßig durchgeführt wurde. Durch den Beschluss eines parlamentum (der Volksversammlung aller Bürger) wurde Cola zum »Tribun« mit umfassenden Vollmachten erhoben. Es folgte zunächst eine energische, vor allem gegen die Interessen des Adels gerichtete Politik. Cola strebte aber darüber hinaus nach spektakulärer Überhöhung der eigenen Person: Am 1. August ließ er sich zum Ritter erheben, wobei er für das rituelle Bad am Vorabend jene Porphyrwanne bestieg, in der Kaiser Konstantin [136]getauft worden sein sollte. Am 15. August erfolgte in pomphafter, teils antikisierender Zeremonie seine »tribunizische« Krönung.

      Nunmehr versuchte der Tribun, in die Weltpolitik einzugreifen: Er ließ erklären, das römische Volk nehme das Recht der Kaisererhebung wieder an sich, und lud die »angemaßten« Herrscher (d. h. Ludwig den Bayern und den 1346 zum Gegenkönig gewählten Karl IV.) zur Verantwortung nach Rom vor. Damit war der Bogen überspannt: Der Papst, der Cola bisher hatte gewähren lassen, exkommunizierte ihn, und im Dezember 1347 traten wieder zwei päpstlich ernannte, adlige Senatoren ihr Amt an. Cola verließ Rom, reiste schließlich 1352 nach Prag, um Karl IV. für seine Vorstellungen zu begeistern, wurde aber verhaftet und an den Papst ausgeliefert. Seinen Freunden an der Kurie gelang es, den Hochverratsprozess gegen ihn zu verschleppen, bis Clemens VI. starb. Der neue Papst Innozenz VI. wollte Cola zur Vorbereitung der Rückkehr nach Rom benutzen: Er sandte ihn als päpstlichen Senator in die Stadt, wo er am 1. August 1354 eintraf, aber glücklos regierte und schon am 8. Oktober bei einem von den Colonna erregten Aufstand gelyncht wurde.

      Kardinal Albornoz, der »dritte« Gründer des Kirchenstaates

      Die Päpste mussten die Herrschaft über den Kirchenstaat (als Voraussetzung für die Rückkehr der Kurie nach Rom) also auf andere Weise wiedererlangen: Dies geschah durch die Legation des Kardinals Albornoz; ihn kann man nach [137]Pippin und Innozenz III. als seinen dritten Gründer bezeichnen.

      Als dem Kardinal 1353 diese Aufgabe übertragen wurde, war er bereits ein politisch und militärisch erfahrener Mann. Um 1300 geboren, hatte Gil Álvarez Carillo am kastilischen Hof Karriere gemacht, war aber in Ungnade gefallen und an die Kurie nach Avignon geflohen, wo ihn Clemens VI. im Dezember 1350 zum Kardinal erhob. Als Legat bewies er in Italien eine außerordentlich glückliche Hand. Es gelang ihm, in der Zeit bis 1367 (als Urban V. nach Rom zurückkehrte) den gesamten Kirchenstaat wieder in päpstliche Hand zu bringen, auch wenn er dabei zum Teil die bestehenden Herrschaftsverhältnisse unter der Rechtsfigur eines päpstlichen Vikariats oder dergleichen legalisieren musste.

      Von überragender Bedeutung ist die Gesetzgebung des Kardinals, die bis 1816 in Kraft blieb und die Rechtsverhältnisse des Kirchenstaates gleichförmig regelte. Dabei blieben die Provinzen allerdings voneinander unabhängig und waren nach wie vor nur durch das Papsttum zu einem »Staat« zusammengehalten. Der 1357 auf einem parlamentum in Fano erlassene Liber Constitutionum Sanctae Matris Ecclesiae umfasst sechs Bücher: Buch 1 beginnt mit der Vollmacht des Legaten selbst und enthält weitere allgemeine päpstliche Erlasse (wobei deren Bestimmungen, die ursprünglich nur für eine Provinz galten, durch die Aufnahme in das Gesetzbuch auf alle Provinzen ausgedehnt wurden). Buch 2 regelt die Verwaltungsorganisation der Provinzen, Buch 3 enthält religiöse Bestimmungen, Buch 4 behandelt das Strafrecht, Buch 5 das Zivilrecht, Buch 6 das Prozessrecht. Von besonderem Interesse sind Buch 6, [138]Kapitel 26, das eine Hierarchie der Rechtsvorschriften festlegt (beginnend mit päpstlichen Erlassen bis hinunter zum Gewohnheitsrecht), und Buch 4, Kapitel 17, dessen Arenga die Existenz eines unabhängigen weltlichen Herrschaftsgebietes des Papstes geradezu als heilsnotwendig bezeichnet.

      Das Schisma von 1378 und dessen Überwindung

      Der Erfolg des Kardinals Albornoz ermöglichte die Rückkehr der Päpste aus Avignon nach Rom. Urban V. begab sich 1367 dorthin; aber er kapitulierte bald vor den Schwierigkeiten und kehrte 1370 nach Avignon zurück. Sein Nachfolger Gregor XI., von Anfang an zur Romreise entschlossen, kam Anfang 1377 in Italien an, starb aber bereits am 27. März 1378 in Rom.

      Damit fand die Neuwahl erstmals seit siebzig Jahren wieder in Italien statt: Nun musste die Entscheidung für Rom oder Avignon als Sitz des Papsttums fallen. Die Wahl stand deshalb unter hohem Erwartungsdruck seitens der römischen Bevölkerung, zumal das Kardinalskolleg zu drei Vierteln aus Franzosen bestand. Als die Wähler am 7. April 1378 das Konklave bezogen, wurden sie mit dem nachdrücklichen, teils schon bedrohlichen Verlangen der Römer nach einem einheimischen Papst konfrontiert (Sprechchöre: »Romano lo volemo, o almanco Italiano«). Da die französischen Kardinäle unter sich uneins waren, fiel die Wahl auf einen Kompromisskandidaten, der kein Kardinal war: Bartolomeo Prignano, Erzbischof von Bari, den Leiter der päpstlichen Kanzlei in Italien. Aber bevor noch die Wahl verkündet werden konnte, stürmte die römische [139]Bevölkerung das Konklave: In dieser Situation wurde ein alter italienischer Kardinal als der Gewählte ausgegeben, was den Wählern die Möglichkeit zur Flucht in die Engelsburg gab. Als sich zwei Tage später die Stimmung wieder beruhigt hatte, wurde die Wahl Prignanos noch einmal bestätigt bzw. vollendet. Die genauen Details der Vorgänge, insbesondere ob die Kardinäle persönlicher Gefahr ausgesetzt waren, lassen sich trotz einer Fülle von Quellen nicht rekonstruieren, da diese Quellen notgedrungen alle parteiisch und gerade die bestinformierten Zeugen, die Kardinäle selbst, im Lichte der späteren Ereignisse verdächtig sind.

      Der neue Papst Urban VI. zeigte sich indes


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