Im Bann des Eichelhechts. Axel Hacke
ein Parkticket aus der Astrid Lindgrens Värld in Vimmerby/Småland. Er fand es lustig (und das ist es ja auch), dass auf diesem Papier das schwedische Wort Parkeringsbiljett (also Parkticket) als Strafzettel übersetzt worden war und dass damit sozusagen auch der korrekt Zahlende bestraft wurde. Und dass darunter Välkommen!, Welcome!, Willkommen! stand, was sich unter dem Begriff Strafzettel irgendwie seltsam macht.
Leise Ironie des Alltags: Ich lernte bei der Gelegenheit noch ein bisschen Schwedisch, weil ich nämlich von des Schwedischen mächtigen Menschen erfuhr, dass in Schweden ein Schnellzug, ans Deutsche angelehnt, snälltåg heißt, das Wort snäll als Adjektiv aber nett bedeutet. Was wiederum mit sich brächte, dass die schwedischen Schnellzüge eben auch nette Züge wären, Nettzüge.
Välkommen also, liebe Leserinnen und Leser, in den Freundlichkeiten der schwedischen Sprache!
Vor dem Betreten Sprachlands jedoch benutzen wir einen leicht variierten Gruß. Wir sagen:
Willkemmon!
Dieses schöne Wort fand sich vor Jahrzehnten auf einer Speisekarte einer britischen Unterkunft namens The Grand Hotel, in dem man eine Reisegruppe so begrüßte: Willkemmon, »Lauscher Reisen«.
Im folgenden Menü konnte man, so las ich, täglich wählen zwischen Gerichten wie Braten Sie Bein englischen Lammes MIT ROSMARIN GEDIENT, WITTERTE BRATENSAFT oder auch einer sorgfältig betitelten Speise namens Selbstgefertigtes Hähnchen Kiew Filet Von Hähnchen, das MIT EINER Knoblauch-Butter gefüllt-wird, Breadcrumbed Und backte Bis Golden.
Den Abschluss bildete Frisch gegorener Kaffee.
Es ist, wie wir sehen, beim Betreten unseres Landes wichtig, einige Grundsätze zu beachten. Den ersten fand jemand für mich vor vielen Jahren am Eingang eines italienischen Restaurants namens Mi Piace (das heißt Gefällt mir). Dort wurden auf einer Tafel die Sprachkenntnisse des Personals annonciert, We speak english zum Beispiel, auch Mluvíme po cesky.
Und dann: Wir sprachen deutsch.
Den zweiten Grundsatz entdeckte ein anderer Leser vor dem Eingang zu den Katakomben in Rom, wo auf einem Schild der englische Satz PLEASE WAIT UNTIL YOU ARE CALLED BY LOUDSPEAKER übersetzt worden war mit BITTE WARTEN, DIE DEUTSCHE SPRACHE WIRD AUFGERUFEN.
Für den Besucher Sprachlands bedeutet das alles: Wer ausschließlich an korrekter deutscher Sprache interessiert ist, der warte bitte hier. Die Bewohner dieser eigenartigen Region sprachen deutsch und versuchen sich gerade zu erinnern. Wenn ihnen etwas Richtiges eingefallen ist, melden sie sich und rufen die Reisenden auf.
Alle anderen Interessenten folgen mir jetzt bitte.
Wir werden nämlich mit dem ersten netten Zug losfahren, wir werden die Beine englischer Lämmer braten, wir werden Bratensaft wittern, Hähnchen selbst fertigen und mit Rosmarin dienen.
Es wird ein großes Abenteuer.
Willkemmon in Sprachland!
REISEN 1
Für eine Reise hierher gilt jene Devise, die wir ganz vorne auf der Speisekarte im Restaurant des Hotels El Pilar in La Carlota in der Provinz Córdoba finden:
Schauen Sie vorbei und lassen sie glücklich.
Wie aber gelangen wir an unser Ziel?
Wie können wir vorbeischauen und uns glücklich lassen?
Mit dem Auto?
Da ziehe ich die Mail von Frau L. aus Laudenbach (Bergstraße) aus dem Ordner. Sie schrieb mir, als Kind habe sie oft Radio gehört, samt Verkehrsnachrichten. In denen sei immer wieder von c-flüssigem Verkehr die Rede gewesen, was in ihr (der kleinen L. also) die Frage aufwarf, warum denn niemals vom a-, b- oder d-flüssigen Verkehr die Rede sei; nie berichtete man darüber, immer nur vom c-flüssigen Verkehr.
Und tatsächlich stellt man sich vor, wie es wäre, wenn die Flüssigkeit von Verkehr in die Kategorien a, b, c und d eingeteilt wäre, wie ja auch, nach der Europäischen Norm EN2, brennende Stoffe in Brandklassen sortiert sind, A, B, C, D und sogar F nämlich. A sind zum Beispiel Brände fester Stoffe, meistens organischer Herkunft. B, das ist Benzin oder Lack. C sind Brände von Gasen, D solche von Metallen, F von Speiseöl, vulgo: Frittenfett.
Und wieso nicht E, wo ist E, gibt es denn keine Brandklasse E?
»Im Jahr 1978«, lese ich bei Wikipedia, »wurde die Brandklasse E, die für Brände in elektrischen Niederspannungsanlagen (bis 1000 Volt) vorgesehen war, abgeschafft. Alle heutigen Feuerlöscher können in Niederspannungsanlagen eingesetzt werden, sofern der auf dem Feuerlöscher aufgedruckte Sicherheitsabstand eingehalten wird.«
Hätte sich das also auch erledigt, Brandklasse E, meine ich. Na ja, und entsprechend werden dann die Löschmittel eingesetzt, deshalb heißt das Pulver in Feuerlöschern oft ABC-Pulver.
Wieder was gelernt.
Wie wir auch lernen, C-Flüssigkeit des Autoverkehrs bedeutet: Besser mit der Bahn fahren!
Meinen liebsten Bahnbericht bekam ich übrigens von Herrn K. aus Ulm, er schickte mir den Text eines Werbehefts für eine berühmte, die Anden überquerende Eisenbahn. Sie fährt in Ecuador. Im Prospekt wird die Baugeschichte der Bahn erklärt, ein wunderbares und etwas längeres Zitat, das man wirklich bis ganz zum Schluss lesen muss – denn dort …
Aber bitte, hier, ich zitiere ausführlich!
»Die geschichte der transandischen eisenbahn im Jahre 1860 machte man erste planene und versuche die bahnstrecke von Guayaquil bis Quito zu haven und erst 1874 kam die erste lokomotive in Milagro an. Aber erst 1895 unter der presidentschaft von Eloy Alfaro, nahm man kontakt mit der amerikanischen konpaine Archer Harmann un Edwar Morely auf, welche daran interressiert waren die schwieriste bahnstrecke der welt wie sie zu dieser zeit hiess, zu baven … spaetr, in jahre1915 begann der bau der teilstrecke sibmbe Cuenca welcher nur sehr langsam fortschritt und erst 1930 funrder zug auf dem bahnnof el Tambo ein im august 1945 wurde die strecke bis Azoguez und am 6 maerz 1965 bis Cuenca eingeweint.«
Eingeweint.
Es gibt so viele Orte, die man zwar meinetwegen auch einweihen, aber dann gleich erst einmal einweinen müsste: Bahnhöfe, Orte der Zusammenführung und des Abschieds; Friedhöfe; und dann Taschentücher, Kopfkissen, Freundesschultern, Zwiebelschneider.
Warum ist dieses Wort bisher nur in Ecuador benutzt worden? Oder, wenn es bei uns erwähnt wurde, dann in anderen Zusammenhängen, von Weinkennern etwa, die vor einer Weinprobe einen Schluck von bereits bekanntem Wein trinken, um Mund und Schleimhäute auf andere Weine vorzubereiten, sie also einzuweinen, ähnlich vielleicht wie man ein neues Auto einfährt. (Deshalb vermutlich fand ich auf einer slowenischen Weinkarte einmal den Begriff Vinska Karta mit Weinenkarte übersetzt.)
Einzig Hildegard Knef soll das Wort einmal so genommen haben, wie es genommen werden sollte, als sie sich über Schönheitsoperationen äußerte nämlich. Ein frisch geliftetes Gesicht, so wird sie oft zitiert, das müsse man jahrelang einlachen und einweinen.
Anfangs läuft der Tränenstrom nur c-flüssig, aber dann, irgendwann …
Müsste man nicht übrigens auch neue Betten einschlafen? Neue, dicke Bücher einlesen? Und wenn man dann nicht mehr weiterlesen mag, weil es eine dieser sterbenslangweiligen Schwarten ist, die man sich wieder von einem Rezensenten im Literaturteil hat aufschwatzen lassen, was dann?
Dann setzt man eine Fertiglesebrille auf, wie sie Leser K. aus Brannenburg einmal