Energiesicherheit. Sascha Müller-Kraenner

Energiesicherheit - Sascha Müller-Kraenner


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abzuwenden, sollte es so auch bleiben.

      Die hochkomplexe Energieinfrastruktur unserer globalisierten Wirtschaft kann nicht militärisch verteidigt werden. Dagegen können sowohl unsere Energieversorgungssysteme als auch die politischen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass das Risiko militärischer Angriffe und terroristischer Anschläge minimiert wird. Statt die Wachmannschaften von Kraftwerken zu verstärken, paramilitärische Einheiten entlang wichtiger Pipelines zu postieren, sollte die zukünftige Energieinfrastruktur von vornherein so ausgerichtet werden, dass sie weniger verletzlich ist. Das bedeutet eine Abkehr von zentralen Großtechnologien hin zu dezentralen Netzwerken. Durch die Stärkung einheimischer Energiequellen, beispielsweise aus erneuerbaren Energien, und eine Diversifizierung der Einfuhren kann die Abhängigkeit von wenigen Versorgungsrouten vermindert werden. Die beste Rückversicherung gegen die Bedrohung unserer Energieinfrastruktur bietet allerdings eine Politik, die politische Spannungen reduziert und die regionale Zusammenarbeit fördert.

      Blut für Öl?

      Als die USA und ihre Verbündeten 1991 gegen den Irak Krieg führten, lautete die Parole der Friedensdemonstrationen in ganz Westeuropa »Kein Blut für Öl«. Wurde der erste Irakkrieg wirklich geführt, um das besetzte Kuwait von der irakischen Armee zu befreien, oder ging es in Wirklichkeit um amerikanische Ölinteressen? Letztere haben sicherlich eine Rolle gespielt. Hätte der irakische Diktator Saddam Hussein die Kontrolle über die kuwaitische Ölproduktion erlangt, wäre Irak zum größten Ölförderer der Welt aufgestiegen. Die hochgerüstete irakische Armee hätte außerdem die nahe gelegenen saudischen Ölfelder bedroht. Nicht nur für die USA, sondern für alle Öl importierenden Länder wäre diese Dominanz unerträglich gewesen.

      Der Kuwaitfeldzug war nicht der erste Krieg, in dem der Faktor Öl eine entscheidende Rolle spielte. Als Winston Churchill, Großbritanniens Marineminister im Ersten Weltkrieg, die britische Flotte von Kohle auf Öl umrüstete, erzielte er dadurch einen kriegsentscheidenden Vorteil. Großbritannien konnte diese Strategie nur deswegen erfolgreich verfolgen, weil es kurz zuvor in Persien ein großes Ölvorkommen entdeckt hatte. Parallel dazu gelang es den Briten, den deutschen Ölnachschub aus Rumänien erfolgreich zu sabotieren.

      Im Zweiten Weltkrieg wollte Hitlers Wehrmacht mit dem Russlandfeldzug auch die Ölfelder im Kaukasus für die deutsche Kriegsführung sichern. Einer der Gründe, warum Nazideutschland den Alliierten schließlich im Krieg unterlag, war die angloamerikanische Seeblockade, die die deutsche Wirtschaft effektiv von der Rohstoffeinfuhr, und nicht zuletzt Ölimporten, abschneiden konnte.

      Während der Suezkrise 1956, als die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien versuchten, in Ägypten ein ihnen gewogenes Regime zu errichten und den Suezkanal unter ihre Kontrolle zu bringen, stellten sich die USA gegen ihre westlichen Verbündeten und auf Seiten des ägyptischen Diktators Nasser. Seitdem haben die Amerikaner die Rolle der Schutzmacht des Kanals und der gesamten Tankerrouten vom Persischen Golf bis ins Mittelmeer inne. Seit der Suezkrise und dem Wegfall der ehemaligen Kolonialmächte sind die USA der Garant der politischen Ordnung im Nahen Osten. Lange bestand die amerikanische Politik darin, prowestliche Diktatoren wie den Schah von Persien und das saudische Königshaus zu stützen und gegen sowjetischen Einfluss zu schützen. Seit dem Aufstieg der Islamisten und den Terroranschlägen des 11. September ist offensichtlich, dass diese politische Strategie langfristig zur Destabilisierung der Region, zur Delegitimierung der USA in der islamischen Welt und zum Aufstieg terroristischer Bewegungen führt.

      Auch der zweite Irakkrieg, mit dem die Amerikaner – und eine diesmal deutlich kleinere »Koalition der Willigen« – Saddam Hussein 2003 auch ohne UN-Mandat endgültig stürzten, wurde nicht wegen der Gräueltaten des irakischen Diktators oder seiner vermeintlichen Massenvernichtungswaffen geführt, sondern um auf diese Weise den ganzen Nahen und Mittleren Osten unter amerikanischer Führung politisch neu zu ordnen. Diese neue Ordnung sollte zwei Zielen dienen: die Quellen des Terrorismus auszutrocknen und die Ölquellen weiter sprudeln zu lassen. Seitdem herrscht im Irak Bürgerkrieg, und die Ölproduktion ist auf einen tieferen Stand gesunken als zur Zeit des UN-Embargos gegen den Irak nach dem ersten Golfkrieg.

      Der wirtschaftliche Nutzen einer militärischen Sicherung der Ölquellen ist ohnehin zweifelhaft. So berechnete das amerikanische Energieministerium schon vor dem Ausbruch des zweiten Golfkriegs, dass unter Einbeziehung der Kosten für das militärische Engagement der USA in der Region der Ölpreis eigentlich bei 100 Dollar pro Barrel liegen müsste.

      Waffe Energie

      In der heutigen globalisierten Welt ist es offensichtlich nicht möglich, die eigene Energieversorgung mit militärischen Mitteln allein zu sichern. Wie sieht es aber mit einer Strategie aus, die Kontrolle über wichtige Energieressourcen oder zentrale Elemente der internationalen Energieinfrastruktur als Waffe zu nutzen?

      Seit der ersten Ölkrise 1973, als die arabischen Ölstaaten die Lieferungen für die westliche Welt erst unterbrachen und dann die Preise anhoben, wird Öl als politische Waffe verwendet. So zündete Saddam Hussein nach der amerikanischen Invasion im Irak 1991 die Ölfelder im Süden des Landes an. Momentan droht der Iran im Streit um sein Nuklearprogramm damit, eine weltweite Ölkrise auszulösen. Zumindest die Märkte nehmen die Drohung ernst. Nach jeder Rede, in der der radikalreligiöse iranische Präsident Ahmadinejad den Ton im Konflikt mit den USA verschärft, steigt der Preis pro Barrel Rohöl an, da die Analysten an den internationalen Rohölbörsen eine Zuspitzung der politischen Lage im Nahen Osten und daraus erwachsende Turbulenzen auf den internationalen Energiemärkten fürchten.

      Schon 1980 sagte US-Präsident Carter unter dem Eindruck der sowjetischen Invasion in Afghanistan und des islamistischen Umsturzes im Iran in seiner jährlichen Rede an die Nation: »Jeder Versuch, die Kontrolle über den Persischen Golf zu erlangen, wird als Angriff auf die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten betrachtet. Ein derartiger Versuch wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, inklusive militärischer Gewalt, abgewehrt.« Die sogenannte Carter-Doktrin war geboren. Seitdem taucht das Thema Energiesicherheit in jeder Neuauflage der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA an zentraler Stelle auf.

      Das US-Verteidigungsministerium hat schon lange erkannt, dass die Abhängigkeit der USA von Ölimporten die Sicherheit des Landes nicht erhöht, sondern verringert. Nicht nur ist die Energieversorgung der größten Wirtschaftsmacht der Welt anfällig für Preisschwankungen, Ressourcenverknappung und politisch motivierte Embargos der Ölstaaten; auch der außenpolitische Preis, den die USA für die Sicherung ihrer weltweiten Ölversorgung zahlen müssen, ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Im politischen Washington ist es inzwischen ein Glaubenssatz, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit von der saudischen Theokratie, die immerhin Osama bin Laden hervorgebracht hat, reduziert werden muss. Die Sicherung von Ölressourcen steht außerdem in einem ständigen Widerspruch zu anderen Zielen der US-Außenpolitik, wie der Förderung der Demokratie und der Eindämmung des russischen Einflusses in Osteuropa und Zentralasien. Schließlich sind die USA im Run auf das letzte Öl und Gas in einen gefährlichen Wettlauf mit dem Konkurrenten China geraten.

      James Woolsey, unter US-Präsident Clinton kurzzeitig Direktor der CIA und inzwischen einflussreicher Strippenzieher in Washington, hat eine Organisation aus dem Kalten Krieg wiederbelebt, das »Committee on the Present Danger (CPD)«. Damals diente die Organisation der Enttarnung von Kommunisten und der propagandistischen Unterfütterung des amerikanischen Rüstungswettlaufs mit der Sowjetunion. Heute hat sich das CPD vorgenommen, das Thema Energiesicherheit auf die Tagesordnung zu setzen. Nach Woolseys Einschätzung erfordert die nationale Sicherheit eine völlig neue Energiepolitik und einen sparsameren Umgang mit Öl. Die Sicherheit Amerikas sei dadurch bedroht, dass die US-Energieimporte radikalislamischen Regimes wie Saudi-Arabien zufließen.

      Es ist deswegen kein Zufall, dass das Pentagon die letzte Studie des Energiesparpapstes Amory Lovins teilweise finanziert hat. Das Buch heißt »Winning the Oil Endgame« und beschreibt ein ganz anderes Großes Spiel als dasjenige, das auf dem geopolitischen Schachbrett Zentralasiens stattfindet. Die Regeln des Spiels heißen Innovation und Energieeffizienz. Dieses Ziel soll erreicht werden, indem die Kräfte des freien Markts sich gegen die Interessen der etablierten Energiemultis durchsetzen. Lovins


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