Energiesicherheit. Sascha Müller-Kraenner
sind der islamische Terrorismus und der Militäreinsatz in Afghanistan. Gleichzeitig wird damit aber das geostrategische Terrain gegenüber den Großmachtkonkurrenten Russland und China abgesteckt.
Während in den Staaten Ost- und Südasiens die Wirtschaft boomt, spitzen sich in den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens ökonomische und politische Krisen zu. Turkmenistan und Kasachstan haben sich zwar zu bedeutenden Öl- und Gasexporteuren entwickelt, ihre interne wirtschaftliche Modernisierung ist aber stecken geblieben. Hinter der scheinbar friedlichen Fassade dieser autoritär geführten Länder wächst die Gefahr des politischen Extremismus. In Zentralasien versuchen alle Länder, die Begehrlichkeiten Russlands, Chinas und der USA gegeneinander auszuspielen. So beherbergt Kirgisien sowohl eine russische als auch eine amerikanische Militärbasis. Beide Basen liegen nur 25 km auseinander.
Die Widersprüche der US-amerikanischen Zentralasienpolitik lassen sich anhand eines Besuchs von US-Vizepräsident Cheney in der Region erzählen. Im Mai 2006 reiste Cheney nach Osteuropa und Zentralasien. In Zagreb traf er sich mit den Verteidigungsministern Kroatiens, Mazedoniens und Albaniens und versprach ihren Ländern die baldige Aufnahme in die NATO. Die Erweiterung der NATO, vor allem um die Staaten der ehemaligen sowjetischen Einflusszone, ist erklärtes Ziel der USA. Einerseits wollen die USA die NATO von einer rein transatlantischen Organisation zu einem globalen Bündnis der Demokratien ausbauen, andererseits verbindet sich damit eine geostrategische Eindämmungsstrategie gegenüber den Konkurrenten Russland und China. Der Faktor Energie spielt eine Schlüsselrolle. Von Zagreb reiste Cheney nach Vilnius weiter. In der litauischen Hauptstadt hielt er eine Rede auf die Demokratie in Osteuropa und kritisierte die Außenpolitik Russlands. Er warf Russland vor, seine Öl- und Gasexporte »als Mittel der Einschüchterung und Erpressung zu verwenden, entweder durch den Versuch, das Angebot zu manipulieren oder den Transport zu monopolisieren«. Damit hatte Cheney in der Sache Recht. Sein Plädoyer für mehr Demokratie und freie Märkte kontrastierte jedoch auffällig mit der nächsten Station seiner Reise, einem Besuch in der kasachischen Hauptstadt Astana.
Das Schlüsselland für die wirtschaftliche und politische Zukunft Zentralasiens ist Kasachstan. Der Präsident Kasachstans, Nursultan Nasarbajev, wurde im Dezember 2005 mit 91 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Seit 1989 steht er unangefochten an der Spitze des Landes. Davor, in der Sowjetunion, war er Spitzenfunktionär in der Kommunistischen Partei. Von Demokratie war bei Cheneys Besuch weniger die Rede. Denn Kasachstan hat Öl.
Kasachstan ist ein säkulares muslimisches Land in einem schwierigen außenpolitischen Umfeld und mit einer sich verschlechternden Menschenrechtssituation. Aber Kasachstan ist auch eines der rohstoffreichsten Länder der Erde. Am wichtigsten allerdings sind die großen Öl- und Gasfelder, die unter dem Kaspischen Meer liegen. Kasachstan produzierte im Jahr 2005 1,2 Millionen Barrel Öl. Im Jahr 2010 will Kasachstan die Ölexportriesen Kuwait und Nigeria überholen. Bis 2015 soll die Produktion auf drei Millionen Barrel gesteigert werden. Die Ölexporte Kasachstans werden künftig vor allem nach China gehen. Auch die USA haben Interesse bekundet. Chinas Rolle als Konkurrent um die Ölreserven im Nahen Osten wird dadurch abgemildert.
Außenpolitisch zeigt sich Kasachstan nach allen Seiten offen. Kasachische Ölkonzerne investieren in Osteuropa und in den asiatischen Nachbarländern. Dort machen sie auch Russland Konkurrenz. An seinem Öl- und Gasreichtum haben China und Indien, aber auch der Westen Interesse. Russland braucht zwar kein Öl aus Kasachstan, spielt aber durch seine Kontrolle des zentralasiatischen Pipelinenetzes eine Schlüsselrolle beim Export. Einen wirtschaftlichen, aber vor allem energiepolitischen Zusammenschluss der beiden Energiegroßmächte Kasachstan und Russland möchten die USA aber auf jeden Fall verhindern.
Wo bleibt Europa?
Kann Europa beim großen Spiel um die weltweiten Energieressourcen mithalten? Sollte Europa nach denselben, oftmals brutalen Regeln spielen oder sich für einen anderen Weg zum Ziel einer sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung entscheiden?
Seitdem mit dem Vertrag von Maastricht eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union begründet wurde, hat sie sich von Problem zu Problem weiterentwickelt. Das Ziel der nachhaltigen Entwicklung steht, auch im Bezug auf die europäische Außenpolitik, schon im Maastricht-Vertrag. Klimaschutz und Energiesicherheit werden als Herausforderungen der EU-Sicherheitsstrategie von 2003 benannt.
Geographisch wächst die EU-Außenpolitik in konzentrischen Kreisen. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, in Osteuropa oder im Mittelmeerraum ist die EU schon heute zum bestimmenden Faktor geworden. Weltweit gesehen ist die EU jedoch gerade erst aus den politischen Kinderschuhen herausgewachsen. Dabei ist sie in der internationalen Handelspolitik schon heute eine Weltmacht. Neben den USA, China sowie einigen großen Entwicklungsländern ist die EU der entscheidende Akteur innerhalb der Welthandelsorganisation. Der Euro hat sich in wenigen Jahren zur zweiten globalen Reservewährung neben dem Dollar entwickelt. In wahrscheinlich nicht allzu ferner Zukunft wird der Zeitpunkt kommen, wenn auch die globalen Ölgeschäfte neben dem Dollar in Euro abgewickelt werden. Auch in der globalen Klimapolitik, einem zentralen Baustein der Energiepolitik, spielt die EU eine Führungsrolle. Aus ihrer wirtschaftlichen Macht erwachsen auch politischer Einfluss und die Verantwortung, diesen zu nutzen.
Was die EU in den neunziger Jahren auf dem Balkan versäumt hat, nämlich bei der Lösung der Konflikte in ihrer eigenen Nachbarschaft die Führungsrolle zu übernehmen, sollte sie bei der Transformation der osteuropäischen Staaten in Richtung Demokratie, Sicherheit und Stabilität nachholen. Russland wird dabei als konstruktiver Partner gebraucht. Dort, wo die russische Regierung ihrer Verantwortung nicht gerecht werden möchte beziehungsweise von irregeleiteten Vorstellungen einer russischen Einflusssphäre, für die andere Regeln als in Europa gelten, motiviert wird, muss die EU auch gegen den Wunsch Moskaus und im Interesse ihrer Mitgliedstaaten und der demokratischen Bewegungen in ihren Nachbarländern handeln. Die Transformation Weißrusslands, der letzten Diktatur Europas, in Richtung Demokratie ist dabei der wichtigste Prüfstein für die EU-Russland-Beziehungen.
Der zweite wichtige Prüfstein für diese Beziehungen ist eine kooperative Gestaltung des paneuropäischen Energiemarkts. Leider wird das Verhältnis zwischen der EU und Russland heute vor allem durch die gegenseitige energiepolitische Abhängigkeit definiert. Russlands Außenpolitik wird zunehmend mit wirtschaftspolitischen Instrumenten, darunter am prominentesten durch Energieexporte und -investitionen, ausgeführt. Andere wichtige Aspekte der gegenseitigen Beziehungen, wie die oben genannten Sicherheitsherausforderungen oder eine auf breiterer Basis angelegte wirtschaftliche Beziehung, treten dabei in den Hintergrund. Eine gesamteuropäische Energiepolitik, wie sie in der Europäischen Energiecharta bereits angelegt ist, muss die wirtschaftlichen und politischen Interessen sowohl von Export-, Import-, als auch von Transitländern berücksichtigen. Die von der EU und Russland im Rahmen des Kioto-Protokolls eingegangenen Verpflichtungen zum Klimaschutz gehören ebenfalls zur weiteren Ausgestaltung des europäischen Energiemarkts.
Die Frage der zukünftigen Energiesicherheit zeigt exemplarisch, wie eng die Interessen Europas und Ostasiens im eurasischen Raum miteinander verknüpft sind. Die Volkswirtschaften Ostasiens definieren ihre Beziehungen zum bisher weitgehend vernachlässigten Nachbarn Russland vor allem über die erhofften Öl- und Gasimporte. Mehr und mehr treten die EU und die aufstrebenden ostasiatischen Volkswirtschaften dadurch in Konkurrenz zueinander. Diese muss durch ein stärkeres Engagement der EU in der Region konstruktiv gestaltet werden.
Je mehr globale Reichweite die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU entwickelt, desto wichtiger ist es, europäische Politik mit dem wichtigsten Partner Europas in der Welt – den USA – zu koordinieren. Auch wenn es zwischen EU und USA immer wieder zu Interessenkonflikten kommen wird, so können die wesentlichen globalen Herausforderungen und die meisten regionalen Sicherheitskonflikte nur dann gelöst werden, wenn EU und USA konstruktiv miteinander zusammenarbeiten.
In welchem institutionellen Rahmen und auf welcher vertraglichen Basis sollte diese Zusammenarbeit stattfinden? Der wichtigste Rahmen für die Lösung internationaler Probleme sollten weiterhin die Vereinten Nationen bleiben. Diese müssen dafür reformiert werden mit dem Doppelziel höherer Effizienz und Legitimität ihres Handelns. Nach dem würdelosen Gezerre zwischen Deutschland und anderen