Zufrieden alt werden. Volker Fintelmann

Zufrieden alt werden - Volker Fintelmann


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und sie mit den 3 x 3 Jahrsiebten zusammenschauen, ohne das rechnerisch zu denken, denn diese Rechnung ginge natürlich nicht auf. Der vom modernen Materialismus geprägte Mensch orientiert sich im Raum, denn dieser ist das Grundsystem eines weltanschaulichen Materialismus. Eine Maschine ist reiner Raum, sie hat keine zeitliche Struktur, ist hier und jetzt. Und wieder – Maschinen bestimmen, ja beherrschen heute die Medizin.

       Leib, Seele und Geist im Rhythmus der Jahrzehnte

      Entwicklung verläuft in der Zeit, ihr Rhythmus wird bestimmt durch die Sieben. Was bedeuten dann jene Drittel von je 30 Jahren, die raumbestimmt sind und ein idealtypisches irdisches Leben von 90 Jahren umfassen? Dieses Alter kommt der heutigen Realität ja deutlich näher als die 70 Jahre, die vorher beschrieben wurden. Ich denke schon, dass wir auch für diesen Rhythmus Leib, Seele und Geist zugrunde legen können. Dann wäre die räumliche Ausgestaltung des Leibes mit etwa 30 Jahren abgeschlossen, damit verbunden die noch starke Abhängigkeit von äußeren Bedingungen, die uns bestimmen: Lehre, Ausbildung, Studium, Gesellenzeit oder erste Berufserfahrungen. Um diese Zeit macht einer vielleicht seinen Meister, ein anderer seinen Facharzt oder wird Volljurist nach Referendariatszeit und zweitem Staatsexamen. Selbstverständlich zeigen sich viele individuell geprägte Ausnahmen von dieser geschilderten Regel, die ich lieber Typus nennen möchte. In der Musik wäre das Gleiche dann ein Thema mit Variationen. Hinzu kommen noch die schon erwähnten Verschiebungen der Verfrühung oder Verspätung (siehe Seite 27 bzw. 45 ff.).

      Die zweiten 30 Jahre sind dann die Blüte der Erwachsenenzeit, erfüllt von Selbstbestimmung, Gründung einer Familie, Verantwortung für sich selbst und zunehmend auch für andere, zum Beispiel seine Kinder. Im Mittelpunkt steht die Berufs- oder Arbeitswelt, die ausschlaggebend für die eigene Selbstverwirklichung ist.

      Es ist eine tragische Entwicklung, dass für viele Menschen die Arbeit heute ein lästiges Muss ist, ein Job aus der Gesinnung Nordamerikas, aus der Notwendigkeit, Geld zu verdienen. Die Freizeit hat immer mehr Gewicht bekommen. Doch leitet sich der Begriff »Beruf« ja nicht zufällig von »Berufung« oder »berufen sein« ab. Wer berief uns Menschen in diesem Sinne, von wem ertönte dieser Ruf an uns?

       Egoismus und Altruismus

      Diese zweiten 30 Jahre sind auch verbunden mit der Wende von dem das Selbst bildenden Egoismus zu dem nun das andere, die anderen mehr und mehr in den Blick nehmenden Altruismus. Das Christuswort »Liebe deinen Nächsten so wie dich selbst« (Lukas 10,27) setzt ja voraus, sich selbst lieben gelernt zu haben, um auch den anderen schätzen oder gar lieben zu können.

      Wir stoßen auf eine Wortgestaltung, die nachdenkenswert ist: Das lateinische Wort alter bedeutet »der, die, das andere«, deshalb Altruismus als Polarität zum Egoismus. Stammt unser Wort »Alter« von diesem lateinischen Wort ab, weil sich mit dem Alter im Menschwerden die immer größere Zuwendung zu allem anderen verbindet, das uns mit der Welt zusammenbringt? Wird uns nicht immer bewusster, dass wir ohne die anderen Menschen und die ganze Natur gar nicht existieren könnten? Schauen wir nur auf die Luft, die wir atmen, auf alles, was uns ernährt, auf die Menschen, die uns halfen aufzuwachsen, die uns bildeten. Es ist also eine Zeit der Seelenentwicklung, nur jetzt viel mehr mit Blick auf das Außen, die Welt und die Mitmenschen als bei den Jahrsiebten, in denen es um die Gestaltung der eigenen Seele mit Bezug auf sich selbst ging.

       Freiheitserleben

      Und die dritten 30 Jahre, die wieder dem Geist gewidmet sein sollen, führen uns dann vom 60. bis zum 90. Lebensjahr, wo es nach heutiger Denkart viel leichter zu sein scheint, von Alter zu sprechen, als dieses schon mit dem 42. Lebensjahr beginnen zu lassen. Wir werden immer mehr sehen, wie beides Berechtigung hat. Auf jeden Fall kann dieser Zeitraum von noch mehr Freiheitserleben erfüllt sein als der vorangegangene. In ihm wirken so großartige Elemente wie gesättigte Lebenserfahrung und sich damit verbindende Weisheit, die Möglichkeit der Überschau und der Zusammenschau des Ganzen, das die vorher so dominanten Teile in sich birgt.

       Der Mondknoten-Rhythmus

       Möglichkeit, der Lebensintention ansichtig zu werden

      Dieser astrologisch-astronomisch geprägte Rhythmus sei nur erwähnt, ohne ausführlich auf ihn einzugehen. Er hat sicher seine Bedeutung für das Menschenleben und auch Einfluss auf den Lebenslauf, doch nicht in der gleichen Betonung wie die Jahrsiebte und die Jahrzehnte. Von einem Mondknoten wird dann gesprochen, wenn genau die Konstellation von Sonne, Mond und Sternen, die zum Zeitpunkt der Geburt eines Menschen bestand, erneut eintritt. Das geschieht regelmäßig alle 18 Jahre, 7 Monate und 9 Tage. In dem Zeitabschnitt um einen Mondknoten begegnen wir dem Tor unserer Geburt, und damit dem Eintritt in dieses Erdenleben, erneut. Das ist eine Möglichkeit, der Intention, die uns in dieses Leben führte, ansichtig zu werden und an ihr zu ermessen, inwiefern wir ihrer Realisation gefolgt sind oder uns ihr zumindest angenähert haben. Es sind Augenblicke, in denen wir dem uns begleitenden Engel ganz nahe kommen und mit ihm in den gemeinsam entwickelten Lebensplan schauen können.

      Er, unser Engel, ist uns immer ganz nah, doch wir haben ihn aus unserem Bewusstsein verloren, wissen vielleicht gar nichts mehr von ihm, bezweifeln als moderne Verstandesmenschen überhaupt, dass es ihn gibt. Dabei ist er in der heutigen Geistferne der Menschheit eigentlich das Wesen, das die geistige Welt am dichtesten an uns heranträgt. Vor allem in der Nacht versucht er, mit unserem Ich zu kommunizieren, mit uns ins Gespräch zu kommen, uns auf Versäumnisse oder Irrwege hinzuweisen. Am Tag erleben wir etwas davon in dieser besonderen Instanz in unserem Bewusstsein, die wir Gewissen nennen, das eigentlich immer anwesend ist, oft aber nicht gehört wird, ja bei vielen Menschen heute gar nicht mehr gehört wird, bei denen wir eine Gewissenstaubheit erleben können. Ein einziger Blick in das politische Tagesgeschehen zeigt in Überfülle eine Gewissenlosigkeit, die schon erschüttern kann, wenn man den Ursprung des Gewissens in der Sprache unserer Engel erlebt.

       Element der Rückschau

      Die Zeiten der Mondknoten verbinden sich mit dem Element der Rückschau. Im Menschenleben überwiegt heute der Blick nach vorn, ja oft auch das Vorauseilen oder gar -stürmen. Es mangelt an der Fähigkeit innezuhalten, den Blick zu wenden und wahrzunehmen, wie und wo wir zuletzt oder auch schon vor längerer Zeit gegangen sind. In der Mythologie entsprach diese Zweiheit dem Götterpaar Prometheus und Epimetheus.

      Rudolf Steiner hat dieses Problem mit der Empfehlung einer konzentrativen Übung beantwortet: der abendlichen Tagesrückschau.25 Jeden Abend vor dem Schlafen solle man den Tag und seine Erlebnisse, Inhalte und Begegnungen am inneren Auge vorbeiziehen lassen, und zwar rückwärts gerichtet vom Abend bis zum Morgen, zum Aufwachen. Dabei solle man die Position einnehmen, sich selber bei allem zuzusehen, also wie von außen die Tagesabläufe zu bilden. Diese tägliche Übung kann nun auch viel größere Zeiträume umfassen, zum Beispiel einen Jahresrückblick am Ende des Kalenderjahres oder auch des eigenen Lebensjahres. Oder – und dazu eignen sich die Mondknoten in besonderem Maße – einen Lebensrückblick von dem Ort und Zeitpunkt, an dem wir gerade stehen. Wie wichtig dieses Rückschauen für unsere Selbsterkenntnis und Menschwerdung ist, kann auch daraus ermessen werden, dass jeder Mensch in den ersten Tagen nach seinem Tod eine Lebensrückschau erlebt, bei der alle Ereignisse in einem großen Bildpanorama vor unserem geistigen Auge stehen und uns ein Staunen ergreift vor der Fülle des menschlichen Lebens.

       Entscheidungen

      Der 1. Mondknoten um das 18. Lebensjahr herum wird selten so erlebt, dass sich mit ihm schon ein starkes Rückschauen verbindet. Hier treten mehr wie von außen Fragen oder auch Ereignisse an den jungen Menschen heran, die ihn vielleicht überraschen oder Entscheidungen erfordern, zum Beispiel die Berufswahl. Denn natürlich tragen wir auch in uns, haben in den Lebensplan eingeschrieben, in welchem sozialen Umfeld wir unsere Lebensziele verwirklichen wollen. Und da ist der Beruf oder das Arbeitsleben von größter Bedeutung. Wie ratlos erleben wir heute viele der Jugendlichen, wenn es um diese


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