Echte Golfer weinen nicht. Kurt W. Zimmermann
freiwillig meine klimatisierten Büros, verlasse meine Geschäfte, verlasse meine netten Sekretärinnen und meine Kaffeemaschine, um dann aus zehn Metern Entfernung den Ball – vor Zeugen! – peinlich-platschend in einem Entenweiher zu versenken?
Golf ist die einzige gesellschaftlich akzeptierte Spielform des permanenten Misserfolgs. Darum ist es auch so populär geworden. In einer Zeit, in der bereits die Unterschreitung des Vorjahresergebnisses um 0,25 Prozent für den Rausschmiss aus dem Unternehmen genügt, ist Golf für uns Leistungsträger ein letztes Refugium der Unschuld geworden. Hier kann man richtig entspannt versagen.
Am schönsten hat es noch immer Jack Nicklaus formuliert. Als ihn nach einem Turniersieg ein Reporter nach den Gründen seines Erfolges fragte, sagte er: »Ich scheiterte heute bloß ein bisschen weniger als die anderen.« Und in englischen Golfclubs hängen mitunter kleine Wandteppiche, auf denen die Worte eines unbekannten Golfphilosophen eingestickt sind: »Real golfers don't cry when they line up their fourth putt.«
Echte Golfer weinen nicht.
Sie weinen auch dann nicht, wenn sie sich zum vierten Putt aufstellen. Sie weinen nie. Sie wissen: Man kann auf dem Platz richtig entspannt versagen, man kann permanent versagen, und man versagt allein. Golf macht auch darum abhängig, weil es kein Pardon kennt. Es gibt keine externen Entschuldigungen für die eigene Schwäche. Es gibt keine unfairen Preisrichter wie im Paarlaufen und keine schlecht präparierten Skis wie beim Abfahrtslauf. Verantwortlich für alles, was geschieht, bin nur ich.
Man spielt nur gegen sich selbst. Alle Wunden sind Selbstverstümmelungen.
Das ist eine ebenso ungewohnte wie faszinierende Lebenssituation. Es versagt das alte christliche Grundprinzip der externen Schuldzuweisung. Die üblichen Sündenböcke taugen nichts; der Chef ist nicht schuld, die Gemahlin nicht, nicht der Teufel, nicht die Spielpartner, nicht der Wind und auch nicht der Ball.
Nun, der Ball manchmal eben doch. Der Mangel an objektiven Sündenböcken will noch lange nicht bedeuten, dass Golfer nicht von hohem Einfallsreichtum beseelt wären, wenn es darum geht, die besten Entschuldigungen für eine Fehlleistung zu finden.
Meine beste Erklärung für eine schlechte Runde ist im Klubhaus immer noch die: »Weißt du, nach meinem Hole-in-One am zweiten Loch konnte ich mich einfach nicht mehr richtig konzentrieren.«
Als ehrenwerter Gast eines ehrenwerten Mitglieds
Zu Besuch in den letzten Refugien des Golf-Snobismus
Herb Wakabayashi müsste jeder Bewohner eines Wintersportlandes eigentlich kennen. Herb Wakabayashi ist der größte Eishockeyspieler, den Japan je hervorgebracht hat. Bei den Olympischen Spielen in Lake Placid war er der Fahnenträger der japanischen Delegation. Dann begann er Golf zu spielen. Dann lernten wir uns kennen.
Nun stehen also Wakabayashi-San und Zimmermann-San am ersten Abschlag des Kasugai-Club bei Nagoya. Es ist ein schöner Golfplatz, das Clubhouse riesig und distinguiert, davor ein Karpfenteich, und für Nichtmitglieder strikt gesperrt. Spielen darf hier nur, wer von einem ehrenwerten Mitglied persönlich eingeladen und eingeführt wird.
Wakabayashi hat mir versprochen, mir die letzten Refugien des wahren Snobismus im Golfsport zu zeigen. Wer über wahren GolfSnobismus schreiben will, der muss nach Japan.
Außerhalb Japans hat Golf ja seinen ehemalig-exklusiven Status längst verloren. Die sozialen Schranken sind gefallen, es spielen inzwischen allerorten der Baggerführer und die Friseuse. Jeder Amateurgolfer kann auf den besten Courses dieser Erde spielen, wenn er dafür zahlt. Geld hat Golf radikal demokratisiert, wenngleich die klassenlose Gesellschaft – auch dies ein Merkmal der fortgeschrittenen Demokratie – für das Individuum tüchtig ins Geld gehen kann. Eine einzelne Runde kostet in Golf-Dorados wie dem kalifornischen Pebble Beach pro Person 395 Dollar, im schottischen St. Andrews sind es 115 Pfund, im spanischen Valderrama 350 Euro – aber die Kreditkarte ebnet heute jedem den Weg auf die exklusivsten Fairways und Greens. Man kann überall spielen.
In Japan nicht. Hier ist das doch noch ein bisschen anders. In Japan gibt es noch diese Golf-Geheimlogen, wo auf privaten Plätzen nur die Auserwählten, also die Mitglieder und die auserwählten Gäste der auserwählten Mitglieder spielen. Wer sich hier als unbedarfter Tourist für eine Runde anmelden möchte, bekommt nur freundlich-japanisches Hohngelächter zu hören, wobei wir der Korrektheit halber sagen müssen, dass es häufig nicht einmal zum Hohngelächter kommt, weil sie an der Rezeption des Clubs sowieso kein Englisch verstehen.
Ich wollte also in einen dieser Golf-Tempel und wandte mich daher an meinen Bekannten Herb Wakabayashi. Ich benutzte, um ihn kooperativ zu stimmen, mein bestes japanisches Idiom. »Oh mächtiger Meister der gebogenen Eishockey-Kelle«, sagte ich, »könntest du nicht im blütenduftenden Morgentau, wenn im Wind das Schilf sich biegt, könntest du nicht dann eine edle Golfrunde organisieren, wobei es eine Golfrunde auf einem erwählten Platz sein müsste, denn dies ist der erlesene Wunsch des erhabenen Zimmermann-San.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«, knurrte Herb. Aber ein paar Wochen später stehen wir auf dem Platz bei Nagoya.
Es ist ziemlich beeindruckend. Nachdem wir Blumenallee und Karpfenteich hinter uns haben, begrüßt uns der Empfangsmensch mit tiefer Verbeugung – »Welcome, Mistel Kult W. Zimmelmann« – und führt uns dann in die Umkleidezone. Mein Garderobekästchen hat die Ausmaße einer Einzimmerwohnung, und alles ist wohl sortiert da: Kamm aus Teakholz, Kleiderbügel aus Teakholz, Schuhlöffel aus Teakholz, Shampoo und Bademantel.
Das beste Stück aber steht unten auf dem geheizten Boden meiner Einzimmerwohnung. Sauber ausgerichtet, empfangen mich zwei rosarote Seidenpantöffelchen, in denen ich später die zehn Meter zur Teakholz gefassten Dusche watscheln werde, und auf den zwei Seidenpantöffelchen steht in japanischen Lettern der Name des Gastes: »Kult W. Zimmelmann«.
Auf dem Kurs sind wir dann fast allein, nur begleitet von den Mädchen, die als Caddies unsere Golftaschen transportieren. Das muss so sein. Auf den japanischen Privatplätzen nämlich laden die auserwählten Mitglieder jeweils ihre auserwählten Geschäftsfreunde ein – und sie tun es mit machohafter Präpotenz. Man muss unter sich sein und alles muss teuer sein, vom Restaurant bis zu Greenfee und Caddie-Fee. Man stelle sich vor, der Toyota-Finanzchef lädt den Mitsubishi-Marketingchef zum Golfen ein und das Greenfee kostet nur schlappe 400 Dollar – peinlich so was.
Nach neun Löchern heißt Golfkollege Wakabayashi die Mädchen stillzustehen. Wir biegen in Richtung des Clubrestaurants ab. Drei bis vier Gänge nach der Hälfte der Runde ist es in Japan Pflicht etwas zu sich zu nehmen: eine leichte Nudelsuppe zu Beginn vielleicht, dann etwas Fisch, dann etwas Beef und dazu Bier.
Bis zu 500 000 Dollar kostet immer noch eine Mitgliedschaft in den Top-Resorts wie dem Katayamazu Golf Club in Ishikawa oder dem Yomiuri bei Tokio. Zum Trost für Minderbemittelte sei angefügt: In den Achtzigerjahren, bevor Rezession und Börsenbaisse das Land nach unten rissen, waren die Aufnahmegebühren pro Kopf noch einiges höher. Damals kostete es 800 000 Dollar.
Dafür sind in der Jahresgebühr die Onsen inbegriffen. Onsen sind die luxuriösen japanischen Heißwasser-Quellen, die auf den Nobelplätzen eingebaut sind. Wenn man nach einer Runde Golf mit dem Glas in der Hand hier im Dampfe sitzt, dann begreift man automatisch, was Victor de Kowa mit seiner bis heute gültigen Snobismus-Definition meinte: »Snobismus ist die Fähigkeit, sich als Original zu fühlen, auch wenn man nur ein Kopie ist.«
Passt Lila zu Gelb?
Wer sich eine Golfhose kauft, muss wissen, dass es um Grundsätzliches geht.
Diese Woche habe ich mir eine gelbe Golfhose gekauft. Na und? denken Sie jetzt, so toll ist das auch wieder nicht, dass man die gelbe Golfhose gleich zum Thema einer Golfgeschichte machen muss.
Langsam, ich gebe Ihnen zunächst zwei Zusatzinformationen. Erstens ist das Gelb meiner Golfhose derart unglaublich knallgelb, dass daneben selbst ein nagelneuer Briefkasten braun aussieht. Und zweitens ist die Hose von J. Lindeberg.
Damit wären wir beim Thema. Das Magazin »Men's Fitness« hat es kürzlich auch festgestellt: