DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina Kramer

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nehmen?«

      Damilla nickte.

      »Was heißt das? Ja oder nein? Du sollst reden, habe ich gesagt!«

      »Nein«, antwortete die Magd leise.

      »Du hoffst also immer noch, nach all den Monden, Herr Fuxfell werde zu dir zurückkehren?« Durenald blickte Damilla fragend an, und als sie zuerst nickte und dann »Ja« flüsterte, griff er nach dem Brief, den seine Gemahlin ihm reichte. »Dann solltest du vielleicht wissen, wie er über dich denkt. Ich sage dir, Kind, er liebt dich nicht und hat dich nie geliebt. Soll ich dir vorlesen, was er schreibt?« Durenald hoffte, das Mädchen werde es ihm ersparen, ihr Fuxfells Worte ungeschönt ins Gesicht zu sagen, aber nach einer kleinen Weile nickte sie wieder, bange Erwartung im Blick. Der Freiherr seufzte schwer. »Damilla«, begann er zögernd, »du bist noch jung und besitzt nicht viel Menschenkenntnis. Vermutlich hältst du Herrn Fuxfell für einen ehrenwerten Mann. Nun ja, es ist nicht an mir, etwas anderes zu behaupten. Der Brief jedoch … wie soll ich sagen …«

      »Bitte«, unterbrach ihn die Magd, »ich möchte wissen, was Herr Fuxfell schreibt.«

      Grimmig faltete Durenald den Bogen auseinander; er überflog den Anfang, bis er die Stelle gefunden hatte. »Hier steht«, sagte er: »›Nachdem ich den Verführungskünsten der jungen Dirne erlegen war, stellte ich fest, daß sie keine Jungfrau mehr war. Auf meine Frage gab sie zu, daß ich weder der erste noch der einzige sei, und verlangte zwei Silberstücke für ihre Dienste. Da ich, wie Ihr wißt, meines gesamten Vermögens beraubt war, schenkte ich ihr einen Seidenschal, der mich fast vier Silbertaler gekostet hatte. Ich ließ sie auch trotz ihres Drängens kein zweites Mal in meine Kammer, denn mit solchen, die es für Geld tun, gebe ich mich nicht ab. Wie Ihr die Sache seht, weiß ich nicht, für mich jedoch steht fest, daß halb Brelak der Vater des Kegels sein könnte. Ich selbst kann es nicht sein, da ich weiß, was sich gehört, und aufgepaßt habe …‹ Soll ich noch weiterlesen?« fragte Durenald, aber das Mädchen antwortete nicht. Stumm erhob es sich und verließ die Bibliothek, ohne um Erlaubnis zu fragen. »Denk über Lechdans Antrag nach«, ermahnte Durenald sie noch einmal, »Lechdan ist ein guter Mann.«

      »Sie scheint es recht gefaßt aufgenommen zu haben«, wandte sich Kusmine an ihren Gemahl, »oder was meinst du?«

      »Ach, liebes Herz, ich weiß es nicht – ich denke schon, es war ein schwerer Schlag für sie. Nur gut, daß sie nicht in Tränen ausgebrochen ist – ich kann es nicht ertragen, eine Frau weinen zu sehen. Dann kommen mir auch immer die Tränen, und ich weiß nicht, was ich tun soll.«

      Kusmine lachte. »Mein lieber Mann, wenn alle schwangeren Mägde einen so fürsorglichen Herrn hätten wie dich, dann …«

      »Was dann?«

      Kusmine erhob sich und betrachtete nachdenklich ihren Gatten. Dann ergriff sie seine Hände und zog ihn aus dem Sessel. »Nun«, sagte sie, während sie ihre starken Arme um seinen Leib schlang und ihn ein wenig hob, bis sich ihrer beider Augen auf gleicher Höhe befanden, »dann wäre die Welt noch schöner, als sie ist.«

      Damilla erwartete jeden Augenblick, Titinas kräftige Hand auf der Schulter zu spüren. ›Wach auf, Kind! Was fällt dir ein, bei der Arbeit zu schlafen?‹ würde die Köchin sagen, und dann würde sie erwachen und sich in der warmen Küche wiederfinden. Sie wollte auch, daß es aufhörte – so ein abscheulicher Traum!

      Während sie mechanisch die Füße voreinandersetzte, dachte sie: Kann man beim Träumen über das Träumen nachdenken? Wohl nicht, entschied sie. Sie selbst hatte es jedenfalls noch nie getan. Ihre Träume waren sonst auch irgendwie anders. Früher, kurz nachdem die Eltern sie fortgeschickt hatten, damit sie sich eine Stellung suchte, hatte sie manchmal von daheim geträumt. Und als Kind hatte sie oft vom Essen geträumt, aber diese Träume waren seltener geworden, seit sie auf Gut Brelak lebte. Von Lindwürmern, Feen, schönen Kleidern und Schädeleulen hatte sie auch schon geträumt; dann war sie immer schweißnaß und mit klopfendem Herzen erwacht. Genau wie bei dem Traum, der sie in den letzten Wochen ein paarmal heimgesucht hatte. Da hatte ihr nämlich geträumt, sie hätte ihr Kind geboren – sehr schön und herzig war es –, doch kaum hatte es ihren Leib verlassen, da war es auch schon davongelaufen, und das hatte sie so traurig gemacht, daß sie nach dem Erwachen immer noch ein wenig traurig war, wenn auch erleichtert. Traurig war sie auch immer dann, wenn sie vom Magister Fuxfell geträumt hatte …

      Der Herr Fuxfell in meinem Traum hat sehr häßliche Dinge über mich geschrieben, dachte sie. Daß ich eine Hure bin und daß ich ihn verführt habe, und daß ich es mit jedem treibe … Es muß ein Traum sein, auch wenn das unmöglich ist, denn der wirkliche Herr Fuxfell hat mir gesagt, daß ich schön bin und daß er mich liebhat, und wie glücklich es ihn macht, daß auch ich ihn liebe … Am besten gehe ich in die Mägdekammer, lege mich ins Bett, und wenn ich dann erwache und die Sonne scheint, weiß ich ganz genau, daß alles nur ein böser Traum war.

      Das Mädchen hatte die Hintertür erreicht. Ihr schwindelte ein wenig, und sie lehnte sich ein Weilchen an die Hauswand, bevor sie den Hof überquerte. Ich könnte auch zu Meister Hilgert gehen, dachte sie, das ist näher, und er kann mir gewiß auch sagen, ob ich wache oder träume.

      Seit der alte Stallmeister Damilla bei ihrem Brief geholfen hatte, waren die beiden einander ein wenig nähergekommen. An so manchem Abend hatte die Magd den Alten in seiner Stube besucht, hatte ihm ein Stückchen Kuchen oder ein Schälchen Kompott mitgebracht, und der Stallmeister hatte Kräutertee gekocht, und dann hatten sie schweigend beisammen gesessen und ins Feuer geschaut. Und irgendwann hatte Damilla begonnen, ihn Meister Hilgert zu nennen.

      Mit unsicheren Schritten wankte die Magd über den Hof. Sie war froh, als sie endlich den Pferdestall erreicht hatte, und auch froh, daß niemand ihr begegnet war, der sie nach der Unterredung mit der Herrschaft und dem Inhalt des Schreibens hätte fragen können. Als sie die Tür öffnete, schlug ihr warm und lebendig der Duft der Pferde entgegen. Ein paar der Tiere schnaubten bei ihrem Eintritt und wandten die Köpfe nach ihr um, aber Damilla verspürte diesmal kein Bedürfnis, den freundlichen dummen Tieren die weichen Nüstern zu streicheln. Ihr Blick fiel auf das frische Stroh in einer leeren Koje. Ich muß mich hinlegen, dachte sie, ganz schnell, bevor ich falle.

      Der Boden des Stalles schwankte, und das seltsame Schaukeln ließ auch nicht nach, als Damilla auf dem Stroh lag. Sie blickte um sich und sah im schwachen Licht der blakenden Laterne, daß auch die Decke und die Wände des Stalles nicht mehr fest und massiv zu sein schienen, sondern sich bogen und bebten wie unter dem Ansturm gewaltiger und unbekannter Kräfte. Ein abscheulicher Traum, dachte das Mädchen. Er wird immer grausiger. Ich sollte die Augen schließen, vielleicht hört dann alles auf. Doch es hörte nicht auf, als sie die Augen geschlossen hatte, und Damilla dachte, so müsse es wohl sein, wenn man sich auf hoher See in einem schwankenden Boot befinde. Einmal das Meer sehen, einmal auf einer stolzen Schivone die Welt umrunden, das war immer ihr größter Herzenswunsch gewesen. Sie hatte es Magister Fuxfell erzählt, und der hatte ihr versprochen, sie später mitzunehmen auf seine Reisen und ihr die ganze Welt zu zeigen: das stolze kalte Festum, die giftigen Sümpfe von Selem, das geheimnisvolle Khunchom, das grausam-schöne Al’Anfa … Plötzlich stand er neben ihr und blickte sie mit seinem einen Auge seltsam an.

      »Warum hast du mich verraten, Zordan?« fragte sie. »Warum hast du unsere Liebe verraten, warum hast du unser Kind verraten?« Wieso sage ich du zu ihm und rede ihn beim Vornamen an? ging es Damilla durch den Kopf.

      Aber Zordan antwortete nicht, sondern riß sich statt dessen die Binde vom Auge. Was darunter zum Vorschein kam, war nicht das Auge eines Menschen – gelb wie das einer Kröte war es, und die Pupille darin lag quer wie bei einer Ziege. Damilla wollte gar nicht hinschauen, so sehr graute ihr, aber es gelang ihr nicht, die Augen zu schließen. »Hilf mir, Zordan, daß ich mich aufrichten kann!« sagte sie. »Ich möchte so gern das Meer sehen. Aber ich sehe nur den Himmel, und der ist ganz rot.«

      Statt einer Antwort lachte Zordan und trat sie gegen den Bauch – er trug Reitstiefel mit Sporen, wie das Mädchen bemerkte. Ein heißer Schmerz durchzuckte sie; so heftig war er, daß davon das Kind erwachte. Und kaum


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