Das Gift an Amors Pfeil. Marnia Robinson
dem es genauso ging? Was für eine Erfahrung! Auf einmal ergibt die Welt einen Sinn. Wir stehen unter erhöhter Spannung und fließen über voll inspirierter Ideen. Das Leben nimmt einen rosigen Glanz an, und die Flügel und der Heiligenschein unseres Geliebten sind klar zu erkennen. Und doch, wenn alles seinen normalen Gang geht, werden wir bald schon auf diesen kurzen Intervall erhöhten Bewusstseins als die Flitterwochen zurückblicken und ihn als eine Prise Feenstaub betrachten, der uns eine kurze Romanze beschert hat.
In Wirklichkeit geschieht etwas sehr Reales, biologisch und vielleicht auch energetisch. Es belebt uns tatsächlich, weitet unsere Wahrnehmung und verändert unsere Körperchemie. Wenn wir verschiedenen spirituellen Traditionen rund um den Erdball Glauben schenken, dann ist die Verbindung zwischen Liebenden nichts Geringeres als ein möglicher Pfad zur Erleuchtung. Die meisten von uns kommen jedoch nicht einmal in die Nähe des Penthouses spiritueller Erkenntnis. Wir steigen stattdessen irgendwo im dritten Stock aus und begeben uns auf den gewohnten Abstieg ins vertraute Erdgeschoss, häufig gefolgt von einem Sturzflug in den Keller. Dies geschieht, weil der körperliche Teil unseres Seins von einem biologischen Autopiloten gesteuert wird und wir angenommen haben, sein Wille sei der unsere.
Mein Lernprozess über das heilende Potential in Beziehungen begann genau mit einem solchen Absturz. Jahre zuvor hatte mir meine Schwester, die es leid geworden war, die ständigen Katastrophen in meinem Liebesleben mit anzusehen, mir ein Buch geschenkt, das so ähnlich hieß wie „Wie heirate ich meinen Traummann?“ Ich hatte schon jeden Rat, der uns zur Rettung von Beziehungen zur Verfügung steht, erfolglos ausprobiert und dachte demzufolge, warum nicht? Der Autor gab mir den dringenden Rat, eine Liste mit einer genauen Beschreibung meines Idealpartners zu erstellen. Und das tat ich.
Natürlich erschien er auch innerhalb des nächsten Jahres. Und nicht nur das. Einige Monate bevor Paul und ich uns trafen, war er auf einer Party gewesen, deren Gastgeber eine medial begabte Frau als Party-Gag engagiert hatte. Diese Frau sagte Paul, dass er mich zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen würde, und nannte ihm mein Alter, meinen Beruf, das Element meines astrologischen Tierkreiszeichens und noch ein paar andere erstaunlich korrekte Dinge. Wir begegneten uns auf einer Konferenz in New York, zwei Tage vor dem genannten Datum. Es fühlte sich an wie eine Fügung des Himmels. Jedoch kurz nachdem konventioneller Sex ins Spiel kam, zerbrach die Beziehung. Und jedes Mal, wenn wir es wieder versuchten, geschah dasselbe.
Zu der Zeit stellte ich noch keine Verbindung her zwischen der Jagd nach dem Orgasmus und der immer wiederkehrenden Spannung zwischen uns. Es fühlte sich einfach nur an, als hätte ein Blitz aus heiterem Himmel gerade mal wieder eine meiner kostbaren Verbindungen in Schutt und Asche verwandelt. Es war qualvoll zu beobachten, wie eine Beziehung mit jemandem, mit dem ich eine so tiefe und scheinbar schicksalhafte Verbindung erfahren hatte, zerbrach, trotz aller Bemühungen sie zu retten.
„Sei vorsichtig, worum du bittest … Es könnte dir gewährt werden“
Obwohl ich eine rationale Frau aus der Geschäftswelt war, hatte ich kurz zuvor damit begonnen, mit dem Konzept zu experimentieren, dass inspirierte Erkenntnis jedem Menschen gewährt wird, wenn er darum bittet. Ich dachte mir, dass eine gute Art sei, mir zu beweisen, dass meine Idee Unsinn ist, wenn ich es einfach eine Weile ausprobierte. Außerdem waren die Ergebnisse, die ich mit Hilfe von rationalen Strategien in meinem Liebesleben erzielte, entmutigend. Also konzentrierte ich mich auf die Frage: „Warum zerbrechen meine Beziehungen?“ Fast unmittelbar darauf kam die Antwort – auch wenn sie sich nur als ein Strang in einem größeren Geflecht herausstellte, aus dem sich zuletzt dieses Buch entwickelte.
Noch in der gleichen Woche lief mir mein erstes taoistisches Handbuch zur körperlichen Liebe über den Weg.32. Es empfahl eine andere Methode des Liebens. Anstatt auf den Höhepunkt zuzueilen, entscheiden sich die Liebenden für einen wellenartigen Zugang, mit der Betonung auf tiefer Entspannung zwischen Perioden zärtlicher Vereinigung. In dem Moment, in dem ich die Beschreibung las, wusste ich, was ich immer in intimen Beziehungen gesucht hatte:
„Es ist eine sehr machtvolle Erfahrung, die ich in jeder Zelle fühle, in jedem Teil meines Seins, als ein exquisites, ekstatisches Verschmelzen. Das Gefühl der Verbindung mit meinem Partner ist ungeheuer tief. Ich teile mein ganzes Sein mit ihm und er seins mit mir, als ein Fluss, der keine Grenzen kennt … Ich staune ehrfürchtig über die immense Kraft, die in Mann und Frau ruht … Da ist ein Gefühl, alle Zeit dieser Welt zu haben, in der Ewigkeit zu weilen und immer noch mehr Energie zur Verfügung zu haben.“ 33
Doch es gab ein winziges Hindernis. Um zu dieser Erfahrung zu gelangen, musste man den konventionellen Orgasmus hinter sich lassen. Leider ging Pauls wilde und verrückte Seite nicht über gelegentliche seltsame Begegnungen auf Partys hinaus, und er hatte definitiv kein Interesse daran, unkonventionellen Sex zu erkunden. Kurz darauf ging ich nach Europa. Schon wieder wurden meine Pläne durchkreuzt.
In meiner nächsten Inkarnation möchte ich mein Leben rückwärts leben. Man beginnt mit dem Tod und hat das schon mal hinter sich. Dann erwacht man in einem Altersheim, und es geht einem von Tag zu Tag besser. Man wird schließlich dort rausgeworfen, weil man zu gesund ist, man bekommt seine Pension, und wenn man dann anfängt zu arbeiten, bekommt man eine goldene Armbanduhr geschenkt und direkt eine Party zur Begrüßung. Dann arbeitet man vierzig Jahre lang, bis man jung genug ist, sich zurückzuziehen. Man geht auf Partys, trinkt Alkohol und schläft sich durch diverse Betten, bis man reif für die höhere Schule ist. Danach besucht man die Grundschule, wird ein Kind und spielt. Man hat keine Verantwortung und wird zum Baby, bis man geboren wird. Die letzten neun Monate verbringt man dann, indem man unter luxuriösen, kurortsähnlichen Umständen in warmem Wasser liegt, mit Zentralheizung und Zimmerservice auf Knopfdruck, von Tag zu Tag mehr Platz hat und schließlich … Voilà! Endet man als Orgasmus! Noch Fragen?
Woody Allen
Das Buch zum Taoismus landete wieder im Regal, doch innerhalb der nächsten zwei Jahre nahm mein Leben eine radikale Wendung. Ich lehnte eine Beförderung zum Hauptsitz meiner Firma ab, um mich weiter meinen spirituellen Studien zu widmen. Das überraschte vor allem die, die mich gut kannten, denn ich war wohl kaum eine Kandidatin für einen asketischen Lebensstil. Außerdem war ich seit meinem zwölften Lebensjahr eine Erz-Atheistin – damals hatte ich etwas über Sklavenschiffe und Konzentrationslager gelernt und entschieden, dass kein Gott jemals erlauben könne, dass so etwas geschieht.
Ich hatte jedoch ein paar Jahre zuvor durch eine unerwartete Konstellation der Umstände ein Seminar besucht, den „Silva Mind Control-Kurs“. Es war mein erster Kontakt mit der Vorstellung, dass unsere Gedanken, Überzeugungen und Erwartungen unsere Erfahrung prägen, ein Konzept, das ich sehr schnell als Quatsch abtat. Um es mir selbst zu beweisen, versuchte ich ziemlich halbherzig eine Technik der Entspannungsaffirmation, und war regelrecht verärgert, als es funktionierte. Der Stresskopfschmerz, der mich seit Jahren geplagt hatte, hörte einfach auf. Es ärgerte mich, doch ich kaufte trotzdem ein Buch über kreative Visualisierung – und meine Einstellung verschob sich allmählich von Zynismus zu Optimismus, so wie ich produktiver und glücklicher wurde. Meine Beziehungen wurden liebevoller, blieben jedoch gleichbleibend zerbrechlich. Es schien so, als hätte ich noch mehr innere Arbeit zu leisten.
Unterdessen stellte ich fest, dass ich in größeren Zusammenhängen zu denken begann, die schließlich weit genug wurden, um sowohl die Evolution als auch eine Vorstellung des Göttlichen zu umfassen (wodurch ich zu Richard Dawkins schlimmstem Albtraum wurde). Ich begann die Schöpfung als eine Art explodierenden Wolkenpilz nicht endender Kreativität zu sehen, mit einer unendlichen Anzahl von Existenzebenen, die alle einzigartig sind. Was wäre, wenn wir göttliche Funken innerhalb dieses großen, wohlgesonnenen und doch unpersönlichen Kaleidoskops die Freiheit hätten, jedes kollektive Experiment vorzunehmen, das wir uns aussuchen?
Besonders fasziniert hat mich die Theorie, dass wir Menschen auf einer unbewussten Ebene Aspekte unserer kollektiven Erfahrung mit unseren Überzeugungen prägen. Wenn ich mir die Ungerechtigkeiten auf unserem Planeten so anschaute oder auch unsere Gewohnheiten, nicht erneuerbare Energien zu verwenden, oder ständig über irgendetwas zu schimpfen, dann konnte ich nachvollziehen, dass wir wohl