Der Schatz der Sachsen und der Remmo-Clan. Walter Brendel
Welt, die schönsten Statuen der Antike und die wertvollsten Gemälde jener Zeit.
Im Glanz dieser Opulenz sonnt sich der König, August III. (Als Kurfürst von Sachsen war er August II.) Und das tut er, um der Welt zu verkünden, dass er ein wichtiger Monarch ist, er ist ein Kurfürst, er ist ein König und er will noch mehr, nämlich Kaiser werden im Deutschen Reich. Wie es dabei um die Staatsfinanzen steht, ist für ihn zweitrangig.
Gut 70 Jahre währt der sächsische Goldrausch. Dann fallen die Preußen in Sachsen ein und verwüsten das Land. Als König August der III. am 5. Oktober 1763 stirbt, ist mit einem Schlag alles vorbei. Was bleibt ist ein gewaltiges Millionenloch in der Staatskasse. Das waren 300 Tonnen Gold gleich 30 Millionen Taler, wenn man es umrechnet. Sachsen war ausgeblutet und man suchte Schuldige.
August III. von Pietro Antonio Rotari, 1755
Aber der Reihe nach.
Wer war der Schuldige am Staatsbankrott?
Nachdem man zunächst den Ex-Premierminister Brühl (Brühl hatte mit dem Tod des Königs seinen größten Gönner verloren und trat freiwillig von seinen Ämtern zurück, zumal der neue Kurfürst, Friedrich Christian, über Jahre zu seinen schärfsten Kritikern gehört hatte) bzw. seiner Leiche den Prozess machen wollte (Brühl starb am 28. Oktober 1763 in Dresden) und noch im selben Jahr wurde gegen den Verstorbenen und seine engsten Mitarbeiter ein Prozess angestrengt, der allerdings nie zu einem Ergebnis kam. Denn Brühl hatte in allen Punkten mit der Einwilligung und auf Weisung des Landesherren gehandelt, und diesen konnte der neue Regent Prinz Xaver nicht verurteilen, ohne den Staat insgesamt in Frage zu stellen. Der Vorwurf, Brühl habe sich an der Staatskasse vergriffen, wurde durch neuere Geschichtsforschung „ad absurdum“ geführt. Brühls Reichtum ist demnach erklärbar durch die „Vielzahl finanzieller Gnadenbeweise und Sachwertzuwendungen, die sich noch heute in den Akten des sächsischen Hauptstaatsarchivs nachweisen lassen.
Ein Zeitgenosse schrieb, dass Brühl „ein so geregeltes Benehmen und so viel Eifer zeigte, dass ihn der König (August der Starke) bald von der Menge unterschied und in seine Nähe zog. Er erkannte sein gesundes und gründliches Urteil, seine leichte Auffassungsgabe, seine für sein Alter rasche Erfassung aller Angelegenheiten, seine Verschwiegenheit und vollkommene Verlässlichkeit, verbunden mit edler Offenheit und einer Art und Weise, die schwierigsten Dinge leicht und angenehm mitzuteilen. Er beschloss, dass ein solcher Untertan zu den großen Staatsgeschäften emporgehoben zu werden verdient […].“
Der ungarische Historiker Aladar von Boroviczeny stellt in seiner Biografie fest: „Bei der Durchsicht der sehr umfangreichen Literatur über den Grafen Brühl begegnete ich zu meiner Überraschung bloß abfälligen Urteilen über den Mann […]. Und als ich an die unmittelbaren Quellen kam, fand ich nicht eine einzige historisch begründete Tatsache, welche das landläufige ungünstige Urteil über den sächsischen Premierminister rechtfertigte“. Boroviczeny führt das vor allem auf Verleumdungen zurück, die Preußenkönig Friedrich II. über Brühl in die Welt gesetzt habe. Dessen „glühender Hass“ auf Brühl habe sich daraus gespeist, dass Brühl Frankreich und Österreich miteinander versöhnt und damit die politischen Pläne Friedrichs II. durchkreuzt habe. Nie bestritten wurde, dass Brühl ein erfolgreicher Diplomat und erprobter Organisator war.
Ein durchaus negatives Bild des Grafen und weit entfernt von historischen Tatsachen zeichnete auch der polnische Schriftsteller Józef Ignacy Kraszewski in zwei Romanen aus den 1870er Jahren („Graf Brühl“, „Aus dem Siebenjährigen Krieg“). Eine genauer und wahrheitstreue dazu gibt es von Gunter Pirntke „Graf Brühl: Premier und Sündenbock“, DDV EDITION; New Edition, ISBN: 978-3943444377)
Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) tat ein Übriges zum Staatsbankrott. Sachsen wurde von der preußischen Armee besetzt und musste den Großteil der anfallenden Kriegskosten bezahlen. August III. und Brühl flüchteten nach der Kapitulation der sächsischen Armee mit einem Teil des Hofstaates nach Polen, wo sie bis zum Kriegsende blieben. Friedrich II. ließ im Krieg alle Brühlschen Besitzungen plündern und zerstören, so auch das Schloss Pförten am 1. November 1758. Dabei wurden auch wertvolle Kunstschätze und Gemälde zerstört und geplündert.
Nach dem Ende des Krieges kehrten August III. und der gesundheitlich bereits stark angeschlagene Brühl ins bankrotte und stark zerstörte Sachsen zurück.
Graf Heinrich von Brühl, Gemälde von Louis de Silvestre
Nun hielte man sich an den Sekretär von Brühl, Carl Heinrich von Heineken. Der intime Kunstkenner am Hof soll Unmengen von Staatsgeldern veruntreut haben. Der Mann verdient, näher betrachtet zu werden.
Er war Kunstschriftsteller und -sammler, Bibliothekar, Direktor des Dresdner Kupferstichkabinetts, Diplomat, Kursächsischer Geheimer Kammerrat sowie Erb-, Lehn- und Gerichtsherr von Altdöbern.
1739 trat Heineken als Privatsekretär und Bibliothekar in den Dienst des Grafen Heinrich von Brühl, dessen Vertrauter er bald wurde und der ihm 1741 die Verwaltung seiner Kassen, Güter und Manufakturen in Sachsen übertrug. Auf Veranlassung des Kurfürsten Friedrich August II. amtierte Heineken ab 1746 – als Nachfolger des verstorbenen Hofarztes Johann Heinrich von Heucher – bis zu seiner vom Kurfürsten Friedrich Christian am 14. Dezember 1763 angeordneten Absetzung als Direktor des Dresdner Kupferstichkabinetts. Während des Siebenjährigen Krieges geriet Heineken mehrmals in preußische Haft.
Am 27. Oktober 1763 – am Vorabend des Todes von Brühl – ließ Kurfürst Friedrich Christian Heineken in dessen Palais am Taschenberg in Dresden arretieren. Da Brühl in seinen letzten Regierungsjahren die uneingeschränkte Verfügung über die königlichen Kassen gehabt hatte, deren Geld zu Spekulationen verwandte und sich dabei neben Kammerrat Hausius, dem Leiter der Akzise-Überschuss-Kasse (einer Steuerbehörde), seiner beiden Vertrauten Gartenberg (1714–1786) und Heineken bediente, erfolgte am 3. Februar 1764 die Anklage gegen diese drei Günstlinge wegen Veruntreuung und Bereicherung auf Kosten des Staates. Der Regent Prinz Xaver beauftragte deshalb mit der Aufklärung der erhobenen Vorwürfe den Konferenzminister Stammer, der sofort eine Untersuchungskommission – die nach ihm benannte Stammer-Kommission – bildete.
Die Anklagevertretung befasste sich auch mit Heinekens Privatbesitz. Er galt der Anklage als besonders tatverdächtig, da er zum Zeitpunkt seines Dienstantritts bei Brühl (1739) als mittellos geführt wurde, zum Zeitpunkt des Prozesses jedoch einen umfangreichen Privatbesitz vorweisen konnte, zu dem auch die Rittergüter in Altdöbern, Bollensdorf (heute Ortsteil von Ihlow (Fläming)), Kleinjauer und Muckwar sowie das Dresdner Palais am Taschenberg gehörten.
Heineken konnte jedoch nachweisen, dass er – mit Ausnahme des Gutes Bollensdorf, welches er nach eigener Aussage von Brühl als Lohn für seine 24 Dienstjahre bekommen hatte – alle Rittergüter von seinem Schwiegervater, dem Hofkoch Nöller, geerbt hatte. Er behauptete des Weiteren, seinen Lebensunterhalt nur durch seine Einkünfte als Direktor des Kupferstichkabinetts und mit dem Handel von Kupferstichen bestritten zu haben.
Carl Heinrich von Heineken. Carl Gottlieb Rasp nach Marcello Bacciarelli (zugeschrieben)
Da Heineken keine Unterschlagungen staatlicher Gelder nachgewiesen werden konnten, erfolgte gegen ihn eine weitere, politisch als Abrechnung mit dem Brühl-Regime gewollte, Anklage wegen unerlaubter Veräußerung von Kunstschätzen ins Ausland. Sein Nachfolger im Amt des Direktors des Kupferstichkabinetts, Christian Ludwig von Hagedorn, bestätigte jedoch in einem Gutachten, dass Heineken während seiner 17-jährigen Amtszeit den Bestand von 80.917 auf 130.028 Kupferstiche vermehrt sowie von 396 auf 794 Bücher erhöht hatte und somit der eigentliche Schöpfer des Kupferstichkabinetts