Der Schatz der Sachsen und der Remmo-Clan. Walter Brendel
herausragende Stellung im Dresdner Kunstleben. Er wies nach, dass Heineken vom Kurfürsten Friedrich August II. als ausgewiesener Kunstkenner geschätzt, bei wichtigen Neuerwerbungen von Gemälden gefragt und beim Ausbau sowie bei der Neuorganisation seiner Sammlungen konsultiert worden war. Der Kurfürst hatte Heineken deshalb 1746 zum Direktor des Kupferstichkabinetts berufen. In dieser Funktion vollzog Heineken eine tief greifende Reorganisation der graphischen Sammlung, die er nach Schulen, nach Gattungen oder nach thematischen Gesichtspunkten systematisierte. Er regte während seiner Amtszeit die erst 1764 erfolgte Gründung der Dresdner Kunstakademie an, förderte den Aufkauf von Kupferstichen Dürers und kaufte persönlich Werke Rembrandts und van Dycks in den Niederlanden oder in Hamburg auf. Des Weiteren lenkte er Kunsteinkäufe durch Mittelsmänner wie Algarotti, Guarienti und Rossi in Italien, De Brais und Le Leu in Frankreich oder Talon in Spanien. Ebenso leistete Heineken wegweisende, kuratorische Ansätze beim Aufbau der Graphiksammlung Brühls.
Aufgrund Hagedorns Gutachten wurde Heineken eine Freilassung auf Kaution, wie im Fall des ebenfalls Angeklagten Gartenberg, angeboten. Heineken lehnte im Gegensatz zu diesem jedoch ab, da er zu Recht befürchtete, die hinterlegte Kaution – auch bei Nachweis seiner Unschuld – für immer zu verlieren. Schließlich wurde die Anklage aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Heineken, dessen Bleiben in Dresden unerwünscht war, verkaufte das Palais am Taschenberg für 5.000 Taler (weit unter dem tatsächlichen Wert) und siedelte nach Altdöbern über, wo er 1766 eine Tabakfabrik gründete. Das Schloss Altdöbern hatte er seit 1750 prunkvoll ausbauen und den Park fast auf das Sechsfache vergrößern lassen, er wurde mit Kanälen, Wasserbecken, Springbrunnen, Brücken, Pavillons und kostbaren Sandsteinplastiken ausgestattet.
Der gestürzte Günstling kämpfte in den nächsten Jahren für das Wiedererlangen seines Rufes und leistete am 22. März 1769 den Reinigungseid, wobei die Staatskasse alle Kosten für die Untersuchung übernahm. Er verbrachte seinen Lebensabend – unterbrochen nur von Reisen nach Holland, nach Dresden oder nach Paris – in Altdöbern als Schriftsteller und Kunstsammler und förderte zielstrebig die Landwirtschaft, insbesondere den Obstanbau, auf seinen Gütern sowie die Tabakverarbeitung in seiner Fabrik. Die Öffentlichkeit nahm dieses Wirken nur am Rande wahr. Aufgrund der Namensähnlichkeit mit dem korrupten, ehemaligen Konferenzminister Hennicke blieb Heineken als gewissenlose Kreatur Brühls bis zu seinem Tod verfemt.
Die neuen Herrscher in Dresden konnten also keinen Schuldigen ermitteln und haben sich gründlich blamiert. Das soll es auch heutzutage noch geben.
Die Agenten aus Sachsen
Eine ganze Armee von Agenten (Maler, Kunsthändler, Höflinge, Diplomaten, Gesandte und sogar Minister) in ganz Europa war in die Beschaffung von Kunstwerken für den sächsischen Hof einbezogen. Zu Ankäufen kam es in Venedig, Rom, Florenz, Bologna, Paris, Prag, Amsterdam, Antwerpen, aber auch auf der Oster- und Michaelismesse in der Stadt Leipzig, die damals eine der bedeutendsten Handelsstädte Europas nördlich der Alpen war.
Der Dresdner Hofmaler Johann Gottfried Riedel vermittelte den Erwerb von 268 Bildern der Sammlung Wallenstein, die im Jahr 1741 aus Dux nach Dresden kamen. Dazu gehörten Vermeer van Delfts "Bei der Kupplerin" (1656) und beide kleine Bilder von Frans Hals. Im Jahr 1742 erwarb der Dresdner Hof 84 Gemälde aus der Kaiserlichen Galerie zu Prag mit Peter Paul Rubens "Wildschweinjagd" (1615/20) und Tintorettos "Musizierende Frauen".
Mit Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) gingen die Finanzmittel für den Ankauf von Kunstwerken aus. Im Jahr 1759 verwahrte man die Bilder in Kisten verpackt auf der Festung Königstein. Unmittelbar nach dem Krieg wollte der Kurfürst trotz leerer Staatskassen mit der Sammeltätigkeit fortfahren. Sein Tod im Jahr 1763 setzte dem jedoch ein Ende.
In der Augusteischen Zeit, der Regierungszeit Augusts des Starken und seines Sohnes und Nachfolgers Friedrich August II., konnte der Sächsische Hof insgesamt etwa 4.000 wertvolle Gemälde für die Galerie erwerben.
Der im selben Jahr 1763 wie der Kurfürst verstorbene Premierminister Graf Brühl hatte neben den kurfürstlichen Sammlungen auch eine bedeutende private Kunstsammlung aufgebaut. Die etwa 1.000 Gemälde dieser Sammlung gelangten im Jahr 1769 in die St. Petersburger Ermitage, für die sie von Zarin Katharina II. von Russland gekauft worden waren. Zu den einzelnen Agenten:
Beginnen wir mit Francesco Graf von Algarotti, welcher am 11. Dezember 1712 in Venedig geboren wurde und starb am 3. Mai 1764 in Pisa. Er war ein italienischer Schriftsteller, Kunstkritiker und Kunsthändler.
Algarotti kam 1742 an den sächsischen Hof nach Dresden und machte den kunstinteressierten König August III. mit einer von hohem Sachverstand gekennzeichneten Denkschrift über die Ergänzung und Vollendung der königlichen Kunstsammlungen (Progetto per ridurre a compimento il Regio Museo di Dresda) auf sich aufmerksam. Damit hatte Algarotti sich als Kunstkenner qualifiziert und wurde im Auftrage Augusts III. im März 1743 nach Italien geschickt, um, nach gewissenhafter Prüfung der Authentizität und Herkunft, Bilder klassischer und moderner Maler für die Kunstsammlungen in Dresden einzukaufen. Auf insgesamt vier Reisen nach Italien erwarb Algarotti in den Jahren von 1743 bis 1746 insgesamt 34 Bilder, darunter viele bis heute zentrale Ausstellungsstücke der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. August III. war zufrieden und ernannte Algarotti zum Kriegsrat. Doch Algarottis Eifer und Ehrgeiz und nicht zuletzt seine Ansprüche auf Titel und Stellung brachten ihn in Konflikt mit dem eigentlichen Herrscher Sachsens, dem seit 1738 allmächtigen Premierminister Heinrich von Brühl und dessen Sekretär Carl Heinrich von Heineken. Er fühlte sich übergangen und wandte sich tief gekränkt und bitter enttäuscht Mitte März 1747 von Dresden ab.
Jean-Étienne Liotard: Porträt des Francesco Algarotti (1745; Rijksmuseum Amsterdam)
Graf Francesco Algarotti bahnte für den Sächsischen Hof mit Geschick und großem Gespür für zu veräußernde Kunstsammlungen den Erwerb mehrerer bedeutender Sammlungen und zahlreicher Einzelstücke an. Unter seiner Vermittlung und der des Gesandten Graf Villio erhandelte Venturo Rossi (der sich als sächsischer Hofmaler weniger erfolgreich, beim Beurteilen und Erwerben von Kunstwerken dagegen sehr versiert zeigte) im Jahr 1746 für 100.000 Zechinen (etwa 293.000 Taler) die 100 besten Bilder aus der Sammlung des hoch verschuldeten Herzogs Francesco III. von Modena für den Dresdner Hof. Dies war eine der bedeutendsten Transaktionen der Galeriegeschichte. Nach Protesten von Modenaer Bürgern trieb der Eigentümer die Verhandlungssumme plötzlich stark in die Höhe, um den Abverkauf nach Möglichkeit noch zu stoppen. Der hinzugezogene sächsische Bankier Johann Thomas Rachel musste eigens nach Sachsen zurückkehren, um die geforderte Summe heranzuschaffen. Der gerissene Modenaer Unterhändler Bondigli ließ die Gemälde vor dem Abtransport auch noch entrahmen, sodass sie schließlich ungerahmt, aber gut in Kisten verpackt, auf fünf eigens für diesen Transport in Italien gebauten Wagen im August 1746 unter Rossi's Führung in Dresden eintrafen.
Zu den in Modena gekauften Gemälden gehören neben den vier Tafeln von Corregio die Gemälde "Opfer Abrahams" von Andrea del Sarto, "Zinsgroschen" und "Dame in Weiß" von Tizian, "Bildnis des Morrette" von Holbein, "Heiliger Hieronymus" von Rubens und "Lautenschläger" von Carraccis, außerdem drei Gemälde des Spaniers Velázquez und weitere von Guilio Romano, Tintoretto und Guido Reni.
Guarienti Pietro war ein italienischer Maler und Kunsthistoriker. Er wurde 1700 in Verona, Italien geboren und starb 1764 in Dresden im Alter von 65 Jahren. Er ließ er sich in Bologna nieder, wo die meisten seiner Geschäfte stattfanden. 1746 wurde er Pate der Tochter von Bernardo Bellotto. Bellotto war Hofmaler in Dresden geworden.
Er wurde 1746 zum Inspektor und Restaurator der Königlichen Galerie Dresden ernannt. 1748 wurde er Direktor der Dresdner Kunstgalerie.
Raymond Leplat, eigentlich Baron Raymond LePlat, geboren um 1664 und gestorben vor dem 5. Mai 1742 in Dresden, war französischer Hugenotte, sächsischer Hofbeamter, Innenarchitekt (Ordonneur du Cabinet) und Museumsinspektor sowie Kunstsammler. Raymond Leplat wurde 1698 zum Generalinspekteur der königlichen Sächsischen Sammlungen in Dresden ernannt.
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