Das Zeichen der Vier. Sir Arthur Conan Doyle

Das Zeichen der Vier - Sir Arthur Conan Doyle


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zuckendem Gesicht auf seinem exquisiten Sofa. Wir waren eine Weile sprachlos vor Überraschung über diese neue Wendung, die der rätselhafte Fall genommen hatte. Dann sprang Holmes als Erster auf.

      »Sie haben richtig gehandelt, Sir, von Anfang bis Ende!« rief er. »Vielleicht können wir uns erkenntlich zeigen, indem wir etwas Licht auf die Fakten werfen, die Ihnen noch unbekannt sind. Aber, wie Miss Morstan vorhin bemerkte, es ist schon spät, und wir sollten die Sache unverzüglich in Angriff nehmen.«

      Unser neuer Bekannter rollte mit penibler Sorgfalt den Schlauch seiner Huka auf, dann holte er hinter einem Vorhang einen langen Überzieher mit Knebelverschlüssen hervor, dessen Kragen und Manschetten mit Astrachan besetzt waren. Trotz der drückend schwülen Nacht knöpfte er ihn bis oben hin fest zu, dann krönte er seine Erscheinung mit einer Mütze aus Kaninchenfell, deren Klappen die Ohren bedeckten, sodass von ihm kaum mehr zu sehen war als sein spitzes, nervöses Gesicht.

      »Ich bin ein wenig kränklich«, bemerkte er, während er uns durch den Korridor vorausging, »und stets genötigt, auf meine zarte Gesundheit Rücksicht zu nehmen.«

      Draußen stand der Wagen schon bereit. Unser abendliches Programm war offenbar im Voraus abgesprochen worden, denn kaum waren wir eingestiegen, da fuhr der Kutscher schon in raschem Tempo los. Thaddeus Sholto redete unaufhörlich auf uns ein; seine schrille Stimme übertönte sogar das Gerassel der Räder.

      »Bartholomew ist ein schlauer Bursche«, sagte er. »Was glauben Sie wohl, wie er herausgefunden hat, wo der Schatz versteckt war? Er war zu dem Schluss gekommen, dass das Versteck irgendwo im Innern des Hauses liegen musste, und so stellte er Messungen an und vermaß das gesamte Haus bis auf den Kubikzoll. Dabei stellte er fest, dass die Höhe des Gebäudes vierundsiebzig Fuß beträgt, aber wenn er die Höhe der einzelnen Räume addierte und dabei auch die Zwischendecken berücksichtigte, deren Dicke er durch Bohrungen ermittelte, so waren es in der Summe nicht mehr als siebzig Fuß. Es gab also eine Differenz von vier Fuß Raumhöhe, und die konnten nur im Dachraum des Hauses liegen. Also schlug er ein Loch in die Putzdecke des am höchsten gelegenen Zimmers, und tatsächlich stieß er auf eine kleine zugemauerte Dachkammer, von deren Existenz niemand etwas gewusst hatte. Und dort, auf zwei Deckenbalken gestützt, stand die Schatztruhe. Er ließ sie durch das Loch hinunter, und nun haben wir sie. Mein Bruder schätzt den Wert der Juwelen auf mindestens eine halbe Million Pfund Sterling.«

      Als er diese gigantische Summe nannte, blickten wir uns mit aufgerissenen Augen an. Wenn es uns gelang, Miss Morstans Ansprüche durchzusetzen, würde sich die bescheidene Gouvernante in die reichste Erbin Englands verwandeln. Jeder, der ihr aufrichtig wohlwollte, musste sich über eine solche Nachricht freuen, aber ich muss zu meiner Beschämung gestehen, dass Selbstsucht meine Seele beschlich und mein Herz schwer wie Blei wurde. Ich stammelte ein paar unzusammenhängende Worte, die einen Glückwunsch darstellen sollten, dann saß ich geknickt und mit hängendem Kopf da, taub für das Geschwätz unseres neuen Bekannten. Er war offensichtlich ein eingefleischter Hypochonder, und ich hörte nur mit halbem Ohr zu, als er mich mit einem endlosen Schwall von Symptomen überschüttete und um Unterweisung über die Zusammensetzung und Wirkung unzähliger Wundermittel bat, von denen er etliche in einem Lederetui in seiner Tasche bei sich trug. Ich kann nur hoffen, dass er alle Ratschläge vergessen hat, die ich ihm an jenem Abend gab. Holmes behauptet nämlich, er habe mitgehört, dass ich dringend davor warnte, mehr als zwei Tropfen Rizinusöl einzunehmen, während ich Strychnin in großen Dosen als Beruhigungsmittel empfahl. Wie dem auch sei, ich war froh, als unser Wagen endlich mit einem Ruck hielt und der Kutscher vom Bock sprang und den Schlag öffnete.

      »Dies, Miss Morstan, ist Pondicherry Lodge«, sagte Mr Thaddeus Sholto, während er ihr beim Aussteigen behilflich war.

      5. KAPITEL

       Die Tragödie von Pondicherry Lodge

      Es war schon fast elf Uhr, als wir die vorerst letzte Station unseres nächtlichen Abenteuers erreichten. Wir hatten den feuchten Nebel der großen Stadt hinter uns gelassen, und die Nacht war mild. Ein lauer Wind wehte von Westen her, und über den Himmel zogen gemächlich schwere Wolken, durch die ab und zu der Halbmond blinkte. Es war hell genug, um auf einige Entfernung sehen zu können, trotzdem nahm Thaddeus Sholto eine der Seitenlaternen von der Kutsche herunter, um uns auf unserem Weg besseres Licht zu geben.

      Das Grundstück, auf dem Pondicherry Lodge stand, war ringsum von einer hohen Steinmauer eingefasst, die überdies noch mit Glasscherben besetzt war. Den einzigen Zugang bildete eine schmale, einflüglige, eisenbeschlagene Tür. Unser Führer gab ein eigentümliches Klopfzeichen, das ein wenig an das eines Postboten erinnerte.

      »Wer da?« kam eine schroffe Stimme von innen.

      »Ich bin es, McMurdo. Mein Klopfzeichen sollten Sie allmählich kennen.«

      Man hörte ein mürrisches Brummen und das Rasseln und Klirren von Schlüsseln. Dann schwang der Türflügel langsam zurück, und in der Öffnung erschien ein untersetzter Mann mit stark gewölbter Brust, der mit vorgerecktem Gesicht und misstrauischen Augen in das gelbe Licht unserer Laterne blinzelte.

      »Sind Sie’s, Mr Thaddeus? Aber wer sind die andern? Wegen denen hab ich vom Herrn keine Anweisung.«

      »Wirklich nicht, McMurdo? Das verstehe ich nicht! Ich habe meinem Bruder doch gestern Abend gesagt, dass ich Freunde mitbringen werde.«

      »Er is’ heute den ganzen Tag nich’ aus seinem Zimmer gekommen, Mr Thaddeus, und ich hab keine Anweisung gekriegt. Sie wissen ja, ich muss mich genau an die Vorschriften halten. Sie kann ich reinlassen, aber Ihre Freunde müssen draußen bleiben.«

      Das war ein unerwartetes Hindernis. Thaddeus Sholto blickte sich verwirrt und hilflos um.

      »Das ist nicht recht von Ihnen, McMurdo!« sagte er dann. »Wenn ich für meine Begleiter bürge, sollte Ihnen das reichen. Außerdem haben wir eine junge Dame bei uns. Die können Sie doch unmöglich um diese Zeit auf der offenen Straße stehen lassen.«

      »Tut mir leid, Mr Thaddeus«, entgegnete der Pförtner unerbittlich. »Die Leute da sin’ vielleicht Ihre Freunde, aber deswegen sin’ sie noch lange keine Freunde vom Herrn. Ich krieg mein Geld dafür, dass ich meine Pflicht tu, und die tu ich auch. Ich kenn’ keinen von Ihren Freunden nich’.«

      »Oh doch, mich kennen Sie, McMurdo«, rief Holmes leutselig. »Sie können mich doch kaum vergessen haben. Wer war denn der Amateur, der an Ihrem Benefizabend vor vier Jahren in Alison’s Rooms mit Ihnen über drei Runden gegangen ist?«

      »Mr Sherlock Holmes! Das darf ja nich’ wahr sein!« röhrte der Preisboxer begeistert. »Himmelherrgott noch mal, dass ich Sie nich’ erkannt hab! Wenn Sie bloß nich’ so still dagestanden wär’n, sondern vorgetreten wär’n und mir ’n Cross an’n Kiefer gehauen hätten, dann hätt’ ich Sie gleich erkannt, keine Frage! Schade, Sie sin’ auch so einer, der sein Talent verplempert, jawoll! Sie hätten’s weit gebracht, wenn Sie bei uns eingestiegen wär’n.«

      »Sie sehen, Watson, wenn alles andere fehlschlagen sollte, dann steht mir immer noch eine Amateurlaufbahn offen«, sagte Holmes lachend. »Unser Freund wird uns nun gewiss nicht länger hier draußen in der Kälte stehen lassen.«

      »Komm’ Sie rein, Sir, komm’ Sie rein, und Ihre Freunde auch!« rief er. »Tut mir leid, Mr Thaddeus, aber ich hab strenge Anweisungen. Muss mir immer erst ganz sicher sein wegen Ihren Freunden, bevor ich sie reinlasse.«

      Innerhalb der Mauer wand sich ein Kiesweg durch einen verwilderten Garten zu einem großen, klotzartigen Haus, einem quadratischen, nüchternen Gebäude, das ganz in Dunkelheit getaucht war. Lediglich eine Ecke des Hauses war vom Mondlicht erhellt, das auf einem Mansardenfenster spielte. Die enorme Größe des Hauses, seine Düsterkeit und Totenstille ließen mich erschaudern. Auch Thaddeus Sholto schien sich unbehaglich zu fühlen, denn die Laterne bebte und klirrte in seiner Hand.

      »Ich werde nicht klug daraus«, sagte er. »Da muss ein Missverständnis vorliegen. Ich habe Bartholomew klar und deutlich gesagt, dass wir kommen würden, aber in seinem Zimmer ist kein Licht. Ich weiß nicht, was das bedeuten soll.«

      »Lässt


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