Fioria Band 2 - Mit Lüge und Wahrheit. Maron Fuchs
„J...ja ...“, murmelte ich. Ich war völlig durcheinander. Mein Vater wirkte regelrecht fürsorglich. Seine Stimme zu hören, seine Sorge, das verunsicherte mich. Ich musste dieses Gespräch schnell beenden, bevor ich vergaß, was für ein Monster hinter seiner scheinheiligen Fassade steckte. „Ich muss jetzt schlafen. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Liebes“, raunte mir mein Vater leise durch das Telefon zu.
„Schlaf gut, Mia“, meldete sich Lloyd nun wieder zu Wort. „Und träum süß.“
„Danke“, flüsterte ich, bevor ich schnell die Verbindung trennte.
Ich legte das Handy weg, deckte mich zu, schloss die Augen und zwang mich, nicht zu grübeln. Nicht an meinen Vater und seine guten Seiten zu denken. Mir nicht die möglichen Konsequenzen wegen der heutigen Festnahmen auszumalen.
Mit schmerzendem Magen schlief ich endlich ein.
„Dein Vater könnte recht haben. Die Festnahmen könnten sich rächen.“
„Mach mir nicht noch mehr Angst, Shadow!“, jammerte ich. „Das haben Ulrich und Jakob heute Morgen auch schon gesagt. Aber selbst wenn irgendwelche gierigen Wirtschaftsbosse versuchen, den Rangern etwas zu tun, wird es nichts bringen. Wir würden sie verhaften, genau wie Ashton und die anderen.“
„Unterschätze niemals die Skrupellosigkeit eines profitgierigen Unternehmers“, zitierte das Dämonenoberhaupt die Worte meines Vorgesetzten. „Da kann ich Ulrich nur zustimmen. Pass bloß auf dich auf, Mia!“
Leise seufzte ich, während ich dem nebligen Shadow in die weiß umrandeten Augen blickte. „Ja, ich bin vorsichtig“, versprach ich und setzte mich im Schneidersitz ins Gras. Die kühle Luft im Wald von Windfeld tat unendlich gut, zumal mir das sommerliche Wetter sehr zu schaffen machte. Die Uniform allein war schon schrecklich warm, aber die zusätzliche Jeansweste brachte mich fast um. Dummerweise musste ich meine weiblichen Kurven irgendwie verstecken. „Aber mal was anderes, gibt’s eurerseits Neuigkeiten zu den Schattenbringern?“
„Leider nicht“, antwortete Shadow. „Weder die Geister noch wir Dämonen haben etwas Nennenswertes beobachtet.“
„Verdammt“, seufzte ich.
„Lass den Kopf nicht hängen“, ermunterte er mich. „Der Vorsitzende ist sehr zufrieden mit eurer Arbeit. Ihr macht gute Fortschritte.“
„Ja, der Vorsitzende kann auch zufrieden sein“, maulte ich. „Wir behandeln den Fall so diskret, dass bisher kein Zivilist von den Schattenbringern weiß. Wir halten uns an seine bescheuerten politischen Vorgaben und geben trotzdem unser Bestes. Ich hasse es, dass unsere Arbeit so eingeschränkt wird, nur weil der Vorsitzende es so möchte.“
„Eure menschlichen Ansichten sind mir sowieso oft ein Rätsel“, gestand Shadow und lachte. „Immer geht es um Ruhm und Ansehen.“
„Genau! Als wäre das Ansehen der Ranger wichtiger als der Erfolg“, schnaubte ich. „Hauptsache, wir halten Verbrecher auf und beschützen die Fiorita und die Menschen. Aber nein! So einfach ist es dann doch nicht.“
„Weil Menschen alles unnötig kompliziert machen.“
„Die Fiorita sind viel leichter zu verstehen als die meisten Menschen“, brummte ich. „Gut, dass ich euch habe.“
Shadow schenkte mir ein warmes Lächeln. „Darüber sind auch wir sehr froh.“
Das Klingeln meines Telefons unterbrach unser Gespräch. Schnell zog ich das Handy aus der Hosentasche und hob ab. „Hallo?“
„Mi... Takuto! Bewaffneter Überfall in der Bank am Wasserplatz 14!“, rief Melodia aufgeregt ins Telefon. „Ulrich, Jakob und Viktor sind schon unterwegs, du sollst auch hin. Sofort!“
Meine Augen weiteten sich. „Ich beeile mich“, versprach ich und legte auf. Umgehend erhob ich mich, steckte das Handy ein und wandte mich an Shadow. „Ich muss los! Bewaffneter Überfall. Wir sprechen uns später.“
„Sei vorsichtig! Vergiss nicht, dass dir der Schlag von gestern immer noch zusetzt“, schärfte er mir ein, bevor er zurück in den Schattenkreis schwebte.
Reflexartig griff ich mir an den Magen. „Weiß ich doch“, murmelte ich. Dann lief ich los in Richtung Windfeld. Der Wald lag so nah am Wasserplatz, dass ich zu Fuß am schnellsten dort sein würde.
Obwohl ich keine zehn Minuten gebraucht hatte, kam ich zu spät. In der großen Bank fand ich keine Verbrecher, sondern nur verängstigte Menschen. Ich kniete mich zu einer weinenden Frau, die auf dem Boden lag und das Gesicht in ihren Händen vergrub.
„Was ist passiert?“, fragte ich. „Brauchen wir einen Notarzt?“
„Es ging alles so schnell“, schluchzte sie. „Ich wollte doch nur Geld abheben.“
Die Dame stand völlig unter Schock. Und den anderen Opfern erging es genauso. Deshalb zückte ich mein Handy und rief einen Notarzt. Zwar konnte ich keine schlimmen äußeren Verletzungen ausmachen, aber ich wollte sichergehen.
Ein Angestellter der Bank saß wie ein Häufchen Elend in der Ecke, die Hand- und Fußgelenke gefesselt. Außer ihm war niemand verschnürt, zum Glück. Ich löste seine Fesseln und half ihm auf die Beine, weil er unbedingt aufstehen wollte.
„Sollten Sie nicht lieber sitzen bleiben?“, erkundigte ich mich.
„Ich muss hier raus!“, rief er. „Ich halte es hier drinnen nicht mehr aus!“
Bevor er allerdings Hals über Kopf hinausstürzen konnte, erreichten meine Kollegen die Bank. Ulrich, Jakob und Viktor trugen Elektroschocker bei sich, ein seltener Anblick. Als sie bemerkten, dass die Diebe bereits verschwunden waren, steckten sie die Waffen weg.
„Verdammt“, zischte Ulrich. „Sind sie schon weg?“
Ich nickte. „Sieht so aus. Ein Notarzt kommt gleich. Die Leute stehen unter Schock, sind aber wohl nicht ernsthaft verletzt.“
„Diese Monster hatten Waffen“, wimmerte eine junge Frau, die neben der anderen weinenden Dame auf dem Boden saß. „Einer hat seine Pistole direkt auf mich gerichtet!“
Alarmiert sahen Ulrich, Jakob, Viktor und ich uns an. Nicht mal Ranger waren bewaffnet! Wir kämpften mit bloßen Händen, nicht mit Hilfsmitteln, abgesehen von den Elektroschockern für absolute Notfälle. Das gehörte zur Philosophie unserer Organisation. Wir wollten Frieden stiften, keine Gewalt säen.
„Wie sind sie an Feuerwaffen gekommen?“, fragte Viktor besorgt. „Das ist fast unmöglich, seit die Ranger sie aus dem Verkehr gezogen haben.“
„Aber es gibt ein paar Provinzen, in denen die Ranger keine Macht haben“, gab Jakob zu bedenken. „An diesen Orten gibt es sicher noch Waffen. Vielleicht stammen die Einbrecher daher. Oder sie haben dort zumindest ihre Ausrüstung gekauft.“
„Das ist gar nicht gut“, murmelte Ulrich. „Aber zunächst sollten wir mal die Spuren sichern und die Opfer beruhigen. Takuto, Viktor, ihr kümmert euch um die Leute und nehmt ihre Aussagen auf. Jakob, wir sehen uns um.“
Der ältere grauhaarige Kollege und ich nickten uns zu. „Dann los.“
Es dauerte beinahe zwei Stunden, bis wir die acht Leute, die sich zur Zeit des Überfalls in der Bank befunden hatten, befragt und beruhigt hatten. Der Notarzt versorgte drei Frauen und zwei Männer, die völlig unter Schock standen. Nur eine Frau und zwei andere Männer wirkten halbwegs gefasst.
„Also, was haben wir?“, fragte Ulrich, als wir uns mittags in der Zweigstelle eingefunden hatten. Er, Jakob, Viktor, Haru und ich saßen an Melodias Schreibtisch, die Blondine richtete eine kleine Brotzeit für uns her.
„Sieben maskierte Täter in dunkelgrauen Klamotten“, las ich von meinem Notizblock ab. „Alle bewaffnet, entweder mit Pistolen, Gewehren oder Messern. Der Stimme und dem Körperbau nach sind mindestens fünf