Schwarz wird großgeschrieben. Группа авторов
in Deutschland sind Kinder von Migrant*innen aus der ganzen Welt. Vor allem Eingewanderten aus dem sogenannten Globalen Süden wird es hier schwer gemacht. Bis heute werden sie mit einer ausufernden Bürokratie konfrontiert, einer besonders komplizierten Verwaltungssprache und undurchschaubaren Gesetzen für Ausländer*innen. So nebenbei müssen sie sich auch noch mit dem strukturellen Rassismus rumschlagen, den viele aus ihren Herkunftsländern nicht kennen. Geflüchtete und Menschen ohne Aufenthaltstitel sind in ihrer Existenz besonders bedroht, was die Kinder oft zuerst trifft.
Nicht wenige Schwarze Menschen sind in diesem Land von Armut und massivem Klassismus betroffen. Ihnen wird der soziale Aufstieg systematisch verbaut. Achtung, und das ist mir wichtig, ich möchte auf gar keinen Fall suggerieren, dass biracial Schwarze Menschen alle wohlhabend seien. Genauso liegt es mir fern zu behaupten, alle Schwarzen Menschen seien mittellos. Meine These lautet aber, dass biracial Schwarze Menschen in ihrer Mehrzahl in diesem Land finanziell und manchmal auch rechtlich bessergestellt sind. Vor allem wenn sie durch ihren weiß sozialisierten Elternteil Zugang zu generationsübergreifendem Wohlstand haben. Ich persönlich musste als Kind nie Briefe von Ämtern für meine Eltern übersetzen oder vor Ort dolmetschen. Im Gegenteil, meine Mutter half mir gelegentlich sogar bei den Deutschhausaufgaben. Dadurch durfte ich länger Kind sein. Meinen Zugang zu weißen Räumen, meine Sprache in diesen Räumen, die sozialen Spielregeln für Deutschland lernte ich vom weißen Teil meiner Familie. Wie Networking mit weißen Menschen funktioniert beispielsweise. Hinzu kommt, dass sich nach meinem Empfinden weiße Menschen von mir weniger bedroht fühlen. Colorism, Featurism und Texturism spielen hier die entscheidende Rolle. Das sind Auswüchse von Rassismus, die wir in unseren Communities genauso vehement bekämpfen müssen wie im Umgang mit weißen Menschen. Schließlich sind es strukturelle Probleme, die uns je nach Hautfarbe, Gesichtszügen oder Haarstruktur andere gesellschaftliche Zugänge ermöglichen.
MEHR ALS NUR DAS INDIVIDUUM
Der Reflex, die eigene Leidensgeschichte zu erzählen, wenn man auf seine Privilegien aufmerksam gemacht wird, ist der Versuch, ein strukturelles Problem zu individualisieren. Wenn wir auf unsere Privilegien angesprochen werden, reagieren light skinned biracial Menschen oft mit Abwehr, teils sogar mit Angriff. Wir flüchten uns dann in die Erzählungen unserer Einzelschicksale. »Weder Schwarze noch weiße Menschen haben mich je wirklich akzeptiert« ist ein Satz, der in Diskussionen von biracial Schwarzen Menschen immer wieder fällt. »Du willst mir nur mein Schwarzsein absprechen«, »Du spaltest die Community«, »Aber wir sind doch alle Schwarz« sind weitere Beispiele. Das eigene Weißsein anzunehmen, bedeutet nicht, unser Schwarzsein auszulöschen. Das ist unmöglich, schließlich ist es ein Teil von uns. Für mich bedeutet es lediglich die Realität meiner Existenz zu akzeptieren, völlig wertungsfrei. Manche von uns können sich nicht aussuchen, ob sie Schwarz sind oder nicht. Unsere Möglichkeit, zwischen den Zuschreibungen zu wechseln, ist ein Privileg in sich.
Studien aus den USA und Großbritannien lassen erahnen, wie sich das strukturelle Privileg von biracial Schwarzen Menschen auch in Deutschland manifestieren könnte. So fanden Forscher*innen in den USA beispielsweise heraus, dass es eine Art biracial Schönheitsstereotyp gibt. Allein zu sagen, dass ein Mensch biracial ist, verändert dessen Wahrnehmung in den Augen vieler Menschen. Laut Studie gilt diese Person dann direkt als »interessanter« und »schöner«.5 Das kann eine unglaublich unangenehme Fetischisierung mit sich bringen, ist aber nicht vergleichbar mit den diskriminierenden Stereotypen, mit denen Schwarze Menschen mit zwei Schwarzen Elternteilen teilweise belegt werden. Auch betrifft uns Anti-Schwarzer Rassismus in der Regel nicht genauso stark. So besagt eine Studie aus Großbritannien, dass Schwarze Frauen ein viermal so hohes Risiko haben, bei der Kindesgeburt zu sterben, wie weiße Frauen. Bei Frauen mit einer sogenannten Mixed-Ethnicity ist das Risiko »nur« dreimal so hoch.6 Der institutionelle Rassismus in der Medizin trifft uns alle, aber er trifft uns nicht alle im gleichen Maße. Das Argument, Schwarze Menschen mit Schwarzen Eltern würden Communities spalten, wenn sie diese Unterschiede betonen, lenkt gefährlich weit ab. Wie können wir behaupten, unser Ziel sei die Schwarze Befreiung, aber gleichzeitig denen nicht zuhören, die auch innerhalb unserer Communities am meisten unterdrückt werden? Wenn Geschwister uns sagen, dass sie sich durch uns nicht repräsentiert fühlen, in ihrer Lebensrealität sogar ausgelöscht, dann wünsche ich mir, dass Schwarze Menschen mit einem weißen Elternteil das sehr ernst nehmen. Anstatt sich reflexhaft zu wehren gegen die bloße Möglichkeit, dass wir bessergestellt sein könnten, sollten wir innehalten. »If telling the truth sows division, then....................... the unity isn’t real.«7 – »Wenn die Wahrheit auszusprechen, Uneinigkeit schafft, dann gab es nie eine echte Einheit«, schrieb die Künstlerin und Aktivistin Bree Newsome Bass.
DAS PROBLEM MIT DEM BLACK AWAKENING
Viele biracial Schwarze Menschen erkennen ihr Schwarzsein innerhalb eines Prozesses der Politisierung. Vielleicht hatte ihr weißes Umfeld ihnen zuvor bewusst oder auch unbewusst eingeredet, sie müssten sich für ihr Schwarzsein schämen. Diese Nähe zum Weißsein, in der viele biracial Schwarze Menschen leben, bedeutet einen unbestreitbaren Zugang zu Privilegien. Gleichzeitig ist sie es auch, die zu den Identitätsproblemen führt, die vielerorts als biracial tears abgetan werden. Ich kenne Schwarze Menschen mit zwei Schwarzen Elternteilen, die von ähnlichen Problemen berichten, weil sie sehr isoliert von anderen Schwarzen Menschen aufwuchsen. Diese Identitätsprobleme lediglich auf biracial Schwarze Menschen zu projizieren, klammert auch die Realitäten vieler adoptierter Schwarzer Menschen in diesem Land aus. Trotzdem: Das Schwarze Erwachen findet sich vor allem in den Erzählungen Schwarzer Menschen mit einem weißen Elternteil wieder. Wäre es da nicht vielleicht wichtiger, diesen Prozess als Teil einer eigenen Identität zu besprechen und nicht unter dem Deckmantel eines kollektiven Schwarzseins? Denn was ist mit denen unter uns, die sich nicht aussuchen können, ob sie Schwarz sind oder eben nicht? Was ist mit denen, für die Schwarzsein von Anfang an mehr war als ihre gesammelten Rassismuserfahrungen? Wo sind ihre Geschichten? Wenn wir Schwarzsein nur aufs Politische beziehen, kommt der kulturelle Aspekt zu kurz. Viele Schwarze Menschen mit zwei Schwarzen Elternteilen wachsen innerhalb eines afrodiasporischen Umfelds auf. Das bedeutet, ihr Blick richtet sich vor allem auf Schwarze Menschen. Dort wünschen sie sich Empowerment und Veränderung.
NIEMAND KANN DIR DEIN SCHWARZSEIN NEHMEN
Rassismuserfahrungen sind nicht weniger gültig, wenn ein Schwarzer Mensch biracial ist. Die Angst, dass das eigene, sehr reale Trauma nicht mehr zählt, beschäftigt viele Schwarze Menschen mit einem weißen Elternteil. Diese Angst sollte unbegründet sein. Als Schwarze Menschen werden wir in einer weißen Welt immer als anders markiert, egal ob wir einen oder zwei Schwarze Elternteile haben. Wir werden als Eindringlinge betrachtet, als exotisch. Je nachdem, wie sehr wir von einer künstlich geschaffenen weißen Norm abweichen, desto schlimmer trifft uns das volle Ausmaß der Andersmarkierung. Dabei darf nicht vergessen werden, dass wir in Deutschland noch eine absolute Minderheit ausmachen. Unsere Rassismuserfahrungen sind oftmals davon abhängig, wo wir aufwachsen und in welchem Umfeld. Ich habe biracial Schwarze Menschen kennengelernt, deren persönliche Leidensgeschichten mir die Sprache verschlugen und mich tieftraurig machten. Biracial Schwarze Personen, die in den Baseball-Schlägerjahren in Ostdeutschland aufwuchsen und vor Nazis um ihr Leben rennen mussten. Biracial FLINTA*, die isoliert aufwuchsen und den geballten Anti-Schwarzen Rassismus ihrer weißen Umgebung abbekamen. Dark skinned biracial Personen, die schmerzhafte Erfahrungen mit Colorism machten. Gleichzeitig versichern mir manche meiner Freund*innen mit zwei Schwarzen Elternteilen, dass Rassismus keinen prägenden Einfluss auf ihren Charakter hatte. Sie wuchsen mit einer starken Community auf, die ihnen Halt gab in dieser weißen Welt. Das alles zeigt, dass individuelle Erfahrungen nicht nach der Regel funktionieren: Biracial Schwarze Menschen sind immer privilegierter als Schwarze Menschen. Intersektionalität spielt dabei wie so oft die entscheidende Rolle. Auf der individuellen Ebene möchte ich mich aber auch nicht bewegen. Persönliche Leidensgeschichten gegeneinander auszuspielen, liegt mir fern. Das möchte ich betonen. Grausame Begriffe wie Oppression Olympics lehne ich ab. Gleichzeitig lässt