Neulateinische Metrik. Группа авторов

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Dichtung der Antike aber nicht verwunderlich. In der Metrik ist die Auflösung des zweiten Versfußes in Vers 16 zu einem AnapästAnapaestus ungeläufig. In Horaz’ OdenሴiሴHorazOdenሴiሴ 1,4, das ebenfalls in der dritten archilochischen StropheArchilochiusArchilochium tertium verfasst ist, enthalten keine der Verse in katalektischem iambischem TrimeterIambusTrimeterkatalektisch eine derartige Auflösung. Cunrad hat dies vermutlich unbewusst von den Dramatikern übernommen. Da er sonst, abgesehen von seltenen SpondeenSpondeus, reine IambenIambus verwendet, wird er diesen AnapästAnapaestus schon als ungewöhnlich wahrgenommen, aber um des Polyptotons willen eine Ausnahme gemacht haben.

      Der Archilochius maior Archilochiushat eine reguläre männliche Zäsur ArchilochiusZäsurim dritten DaktylusDactylus sowie eine Diärese nach dem vierten Daktylus. Die regulären Zäsuren des iambischen Trimeters sind die PenthemimeresIambusTrimeterZäsuren und Diäresen im dritten Fuß sowie die HephthemimeresIambusTrimeterZäsuren und Diäresen im vierten Fuß. Eine Auswertung führt zu folgenden Ergebnissen:

katal. ia3 # % (/17) Archilochius maior # % (/17)
3w 16 94% 3m 3 76%
4w 6 35% 4/5 8 47%
3w + 4w 5 29% 3m + 4/5 6 35%

      Tabelle 4:

      Zäsuren und Diäresen in der 3. archilochischen Strophe

      In Horaz Oden 1,4HorazOden findet sich in jedem ArchilochiusArchilochius sowohl Diärese ArchilochiusDiäreseals auch Zäsur, im iambischenIambus Vers findet sich in allen Versen die Penthemimeres sowie in zwei Versen, d.i. 20%, HephthemimeresIambusTrimeterZäsuren und DiäresenIambusTrimeterZäsuren und Diäresen. HorazHoraz diente Cunrad offenbar weniger als Vorbild als vielmehr als Anreger und Inspiration. Dass dieses im Lateinischen seltene Metrum jedoch durch das Mittelalter und bis in die Frühe Neuzeit bekannt war, ist auch dem „bedeutendste[n], kunstvollste[n], universalste[n] frühchristliche[n] Dichter“Prudentius20 zu verdanken, Prudentius, der zu den wichtigsten Schulautoren im Mittelalter gehörte und für einen theologischen Gelehrten wie Cunrad noch genauso viel bedeuten musste. Der zwölfte Hymnus seines Peristephanon, PrudentiusPeristephanond. i. die Passio Apostolorum [sc. Petri et Pauli] besitzt genau dieses Metrum.Horaz21 Die Zahlen zu den Zäsuren lauten wie folgt: 3m (97%), 4/5 (82%), 3w (100%), 4w (10%). Das lateinische Mittelalter verwendet das Metrum kaum. Norberg führt als prominentes Beispiel das Sanctum simpliciter patrem Fulberts von Chartres auf,22 das folgende Einschnitte enthält: 3m+4/5 (100%), 3w (100%), 4w (33,3%). Diese Zahlen entsprechen ziemlich gut denen des Horaz. Dass ein Bischof im ausgehenden Frühmittelalter sich mehr an HorazHoraz hält als an PrudentiusPrudentius, unterstreicht mindestens, dass Cunrads freierer Umgang mit den Einschnitten ungewöhnlich ist, vielleicht sogar neu. Wieder ist hier allerdings die nachantike lateinische Literatur zu wenig aufgearbeitet, um eine fundierte Einschätzung vornehmen zu können.

      Abschließend sei noch auch auf die ElisionElisionen in Cunrads Gedicht hingewiesen, 21 an der Zahl, was 62% entspricht. Dieses Verhältnis steht in einem krassen Widerspruch zu HorazHoraz, da niemand anders als er „mehr danach strebte, die Elision zu vermeiden, und [niemand anders] dies mit grösserem Erfolg that“.Elision23 Will man den Synalöphen bei Cunrad einen inhaltlichen Sinn geben und sie nicht bloß auf Nachlässigkeit zurückführen, könnte man an die lautmalerische Abbildung eines schluchzenden Silbenverschluckens denken.

      Als letztes Gedicht soll hinsichtlich seiner Form Ad mortem in diese Untersuchungen einbezogen werden, wobei hier nur die ersten vier von insgesamt 16 Versen zitiere:

      Mors fera dic, per iras

      Te tuas oro, Monavum cur properas necando

      Perdere? cur perennem

      Invides vitam cupido nominis atque famae?

      Grausamer Tod, sag, ich bitte dich bei deiner Wut, warum beeilst du dich, Monau umzubringen? Warum neidest du ihm, der nach Namen und Ansehen strebte, ewiges Leben?

      Das Gedicht ist metrisch nicht nur an der zweiten (oder „größeren“) sapphischen StropheSapphicus, bei der zweimal auf einen AristophaneusAristophaneus ein Sapphicus maior folgt, von Horaz, Oden 1,8HorazOden orientiert, sondern ist – abgesehen von den syllabae ancipites am Versende – dazu metrisch kongruent. Die beiden Gedichte haben nicht nur je Vers dieselben Längen und Kürzen, vielmehr auch dieselben Zäsuren und Diäresen, nämlich eine Zäsur in der zweiten sowie eine Diärese in der vierten Hebung. Auf den ersten Blick ist an eine klassische Horaz-ParodieHorazparodia zu denken, ein damals populäres Genre, das Cunrad auch selbst gepflegt hat.Rindtfleisch (Bucretius), DanielMonau, Jacob24 Und in der Tat haben die beiden Gedichte inhaltlich mehr als nur Berührungspunkte: Oden 1,8 handelt von einem Jüngling, der von Liebe zu einer gewissen Lydia besessen, seine Männlichkeit aufgibt und völlig verweichlicht. Das lyrische Ich stellt dann an Lydia die Frage, woher dieses Verhalten rührt. In Cunrads Gedicht ist der Tod der Adressat, der erklären soll, warum er Jacob Monau der Welt entrissen hat.

      Trotzdem kann man nicht umhin, einen weiteren potenziellen Grund für diese metrische Nähe auszumachen. Da Cunrad dieses seltene Metrum abgesehen von Oden 1,8HorazOden ganz unbekannt gewesen sein dürfte, hat er wohl jegliche Veränderungen vermieden. Vor und nach Horaz hat die zweite sapphische StropheSapphicus in der lateinischen Literatur der Antike keine Anwendung gefunden. Nur ganz selten ist sie im Mittelalter zu finden, Stotz verneint für die Zeit einen „lebendige[n] Besitz“Sapphicus25 der größeren sapphischen Stophe. Derart unkundig, stand Cunrad nur eine so detailgetreue imitatioImitation offen.

      Cunrads metrisch vielfältige Manes zeugen von einer präzisen Kenntnis antiker griechisch-lateinischer Metren, insbesondere lyrischer. Ihm gelingt es, durch seine metrischen Variationen für jedes Gedicht und jeden Adressaten einen einzigartigen Ton anzustimmen, der den Inhalt der Trauer unterstützt. Dabei lässt sich auch ein Sinn für metrische Innovationen erkennen, der aus seiner Kenntnis nicht nur der metrischen Traditionen der Antike, sondern auch ihrer Entfaltung bis in seine Zeit entspringt. Wie einst HorazHoraz sich nach dem genauen Studium der griechischen Dichter Freiheiten hatte herausnehmen können, die dem Lateinischen unbekannt waren, vermochte das auch Cunrad für seine Zeit. Die Manes sind ein gutes Beispiel dafür, dass eingehendere Studien zur Metrik neulateinischer Lyrik ein Desiderat sind. Sie könnten zeigen, wie einerseits Inhalt und Form verbunden ist und wie andererseits der antike metrische Maßstab nicht immer einfach auf neulateinische Gedichte übertragen werden kann.

      Literaturverzeichnis

      1. Primärtexte

      Cunrad, Caspar: Jacobi Monavi Viri Clariss. Manes Ad Nobilis. Dn. Daniel. Rindfleisch Bucretium, Patritium Et Physicum Vratisl., Liegnitz [1603].

      Fulbertus Carnotensis: Opera omnia, herausgegeben von Jacques Paul Migne, Paris 1880 (Patrologia Latina, Bd. 350).

      Melchior, Adam: Vitae Germanorum, Heidelberg 1620.

      Prudentius, Aurelius: Carmina, herausgegeben von Maurice P. Cunningham, Turnhout 1966 (Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 126).

      2. Sekundärtexte

      Belke, Horst: Literarische Gebrauchsformen, Düsseldorf 1973 (Grundstudium Literaturwissenschaft, Bd. 9).

      Curtius,


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