Berufsorientierte Schreibkompetenz mithilfe von SRSD fördern. Winnie-Karen Giera
und Relevanz im Urteil von Ausbildern, Lehrern und Auszubildenden“ Auszubildende (n = 1.360) in 21 Berufsgruppen, Berufsschullehrer (n = 60) sowie Ausbilder (n = 60) in einem Fragebogen mit einer fünfstufigen Ratingskala, was für Texte, wie und wann sie diese schreiben würden (Fleuchhaus, 2004:23).
Bedeutende Ergebnisse waren, dass die Auszubildenden aus ihrer Sicht zwar häufig am PC schreiben (M = 3,76), aber Geschäftsbriefe (M = 2,45) selten schreiben und interessanterweise die Berufsschule eher als Ort des Schreibenlernens eingeschätzt wurde als der Betrieb (ebd.). Das Schreiben als berufliche Anforderung wird von den Auszubildenden, die im Betrieb diese Kompetenz aufbauen und beherrschen müssen, stärker wahrgenommen als von Auszubildenden, die das Schreiben von Texten beruflich weniger vollziehen werden. Die Befragung der Ausbilder hob hervor, dass der Computer zwar als Arbeitsmittel relevant sei, aber für die Schulung wenig Zeit bliebe und dies eher in der Berufsschule vermittelt werden müsse. Dagegen schätzen die Ausbilder die sprachformalen Anforderungen wie Grammatik, Orthografie und Syntax als wichtig ein. Diese Grundlagen seien bei den Auszubildenden zu gering ausgeprägt (Fleuchhaus, 2004:262).
Im Schuljahr 2002/03 wurde an 100 Hamburger Schulen die Längsschnittuntersuchung „Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung – Klassenstufe 11“ (Lehmann et al., 2004:5), kurz LAU, sowie parallel dazu die „Untersuchung der Leistung, Motivation und Einstellung zu Beginn der beruflichen Ausbildung“ (Lehmann et al., 2005:5) durchgeführt. Ziel war die Erfassung der Schreibkompetenz anhand von Schreibaufgaben, die die Schüler an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen zu bewältigen hatten: In der ersten Schreibaufgabe (n = 3.517) sollten die Schüler schriftlich einen Beschwerdebrief an den Gemeinderat verfassen, um einer Schließung eines Jugendclubs entgegenzuwirken.2 Ein Antwortschreiben von Seiten des fiktiven Gemeinderats stellte die zweite Schreibaufgabe dar (n = 1.539). Die Textqualität wurde durch ein Double-Blind-Ratingverfahren und auf einer fünfstufigen Ratingskala mit inhaltlichen und sprachlich-textuellen Merkmalen ermittelt (Neumann, 2006:24f.).
Knapp zwei Drittel verfassten einen Beschwerdebrief, der funktional, sprachlich und formell ausgereift war. Dagegen wurden bei 34 % der Elftklässler Schreibkompetenzen ermittelt, die einer dringenden Schreibförderung bedurften, da der Schreibanlass oder das Schreibziel verfehlt wurden (Neumann, 2006:28). Ein Fünftel der Probanden schrieb sprachsystematisch nahezu fehlerfreie Briefe. Insgesamt schrieben die Berufsschüler qualitativ bessere Briefe als die Elftklässler an allgemeinbildenden Schulen, denn der ermittelte Mittelwert (MEAN 500/STDD 100) lag um elf Punkte höher (Neumann, 2007:194).
Efing und Janich (2006) analysierten die Ergebnisse des hessischen Modellversuchs „Vocational Literacy – Methodische und sprachliche Kompetenzen in der beruflichen Bildung“ (Biedebach, 2006). Dazu wurde die sprachliche Kompetenz der Berufsschüler (n = 624) im Alter von 15 bis 51 Jahren aus verschiedenen Ausbildungsberufen untersucht (Efing & Janich, 2006:7). Als „Vocational Literacy“ (Efing & Janich, 2006) wird „[…] die Summe der sprachlichen Fertigkeiten, die in spezifischen beruflichen Zusammenhängen benötigt werden“ (Biedebach, 2006:16) bezeichnet. Der Impuls für diese Untersuchung war, die Durchfallquoten in Abschlussprüfungen zu verringern. In zehn Berufsfeldern wurden mit 415 Berufsschüler ein „Problemtypen-Test“ (Efing & Janich, 2006) sowie eine Fragebogenerhebung mit 48 Lehrkräften und 97 qualitative Interviews mit Schülern durchgeführt.
Beim Problemtypen-Test sollten die Berufsschüler eine Inhaltsangabe eines Lesetextes zum Thema Alkoholkontrolle in wenigen Sätzen wiedergeben, was 28 % der Probanden entweder gar nicht bearbeiteten oder zwar begannen, aber abbrachen. Bezüglich der Textsorte Inhaltsangabe zeigten sich hohe Mängel bei der Schreibkompetenz der Schüler: Die Texte wurden kaum strukturiert, wiesen eine geringe Kohärenz auf, der Inhalt des Lesetextes kam nicht zum Tragen, Meinungen des Schreibenden wurden mit der Wiedergabe des Textes vermengt und das Textmusterwissen schien nicht vorhanden zu sein (Efing, 2006:39ff., 42). Weder das Geschlecht noch die schulische Vorbildung oder Berufswahl in dieser heterogenen Probandengruppe wirkten sich positiv oder negativ auf die Textqualität der Inhaltsangaben aus. Daher wurde das Fazit gezogen, dass die „innere Mehrsprachigkeit“, das Strategiewissen zum Verstehen und Schreiben von Texten sowie die Konzentration bei beiden Vorgängen gefördert werden sollten (Efing, 2006:61f.).
Die Fragebogenerhebung mit 48 Lehrern projizierte die geringe Rechtschreibkompetenz der Berufsschüler als Hauptproblemfeld im Bereich der Schreibkompetenz. Auf dem zweiten Rang folgte die allgemeine Schreibkompetenz sowie auf dem dritten Ausdruck/Stil. Efing weist darauf hin, „[…] dass die Schüler bereits in diesen grundlegenden Bereichen so große Probleme bei der eigenen Textproduktion zeigen, dass eine Förderung der Schreibkompetenz im allgemeinen und nicht erst im berufsspezifischen Bereich anzusetzen hat“ (Efing, 2008:20).
Als Ursache für die geringe Schreibkompetenz zählt Efing (2008:28f.) zum einen die wenigen Übungsmöglichkeiten und zum anderen die geringe Motivation sowie teilweise Aversion gegen die Textproduktion sowie bestimmten schulischen Textsorten gegenüber auf. Er fordert, dass im Fach Deutsch Textmusterwissen, der Aufbau von Schreibroutinen, die Schulung der Sprachreflexion sowie die Förderung der Feedbackkultur gelehrt werden müssten und letztendlich eine Einstellungsänderung der Lehrer dahingehend nötig sei, nicht nur den Orthografiebereich zu unterrichten.
2009 und 2010 untersuchten Efing und Häußler die „sprachlichen und kommunikativen Anforderungen an Auszubildende in der Bewerbungs- und Ausbildungsphase“ (Efing, 2013b: 126). Dafür wurden teilnehmende Beobachtungen für die Erfassung der berufsrelevanten Textsorten und Gesprächssorten sowie halbstandardisierte Interviews mit Auszubildenden (n = 30) sowie Ausbildern (n = 16) in einem Großbetrieb und in klein- und mittelständischen Unternehmen (n = 6) im Raum Stuttgart/Heidelberg durchgeführt. Die Probanden kamen aus dem handwerklichen Berufsbereich (Industriemechaniker, Mechaniker, Mechatroniker, Elektroniker, Technischer Zeichner).
Das Ergebnis der Befragung der Ausbilder zeigte,
[…] dass in der betrieblichen Ausbildung sprachliche Fähigkeiten (im Sinne einer Sprachsystem- und Sprachnormkompetenz) nur in der Dimension der Rechtschreibkompetenz explizit relevant sind – und dies auch fast ausschließlich im Kontext des Bewerbungsanschreibens und anlässlich der Durchsicht und Korrektur der Berichtshefte. Weitere sprachsystematische Fähigkeiten spielen, solange sie auf basalem Niveau vorhanden sind und nicht die Verständigung beeinträchtigen, keine große Rolle (Efing, 2013b: 127f.).
Die von den Auszubildenden zu produzierenden Textsorten sind vor allem Tabellen und Listen (Efing, 2013b: 128). Die Befragung der Ausbilder ergab, dass kommunikative Handlungssituationen im mündlichen und schriftlichen Bereich „kaum erkannt“ (Efing, 2013b: 129) werden. Als relevant stuften die Ausbilder hingegen das aktive Zuhören, das Strukturieren mündlicher und schriftlicher Texte und das pointierte Formulieren ein.
Die teilnehmende Beobachtung unterstrich, dass weniger Fließtexte geschrieben und rezipiert, sondern vor allem Arbeitspläne, Berichtshefte, Protokolle, Selbstreflexionen, Präsentationen, Dokumentationen, Berichte, Kurznotizen, technische Zeichnungen, Formulare, Tabellen, Listen sowie Lernzielkontrollen produziert werden müssen (Efing, 2010; Efing & Häußler, 2011; Efing, 2013b: 129). Diese Kurztexte dienen einer „übersichtlichen Sinnentnahme“ (Efing, 2013b: 130), einer effektiven Kommunikation mit Kollegen sowie der Ausführung von Arbeitsaufträgen, und das meist in einer Verkettung von Arbeitsabläufen:
Ein Auftrag wird beispielsweise als Kurznotiz beschrieben, unterstützend werden Zeichnungen angefertigt/gelesen, ergänzende Listen verweisen auf das benötigte Material und Tabellen geben eine Kostenübersicht […] (Efing, 2013b: 130f.).
Wenn Auszubildende schreiben, dann sind die Textprodukte meist mehrfachadressiert (Kollegen, Kunden, Vorgesetzte). Somit werden vor allem in der Ausbildung kommunikative und weniger sprachsystematische Kompetenzen gefordert und gefördert (Efing, 2013b: 140).
Die vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) erhobene Studie „Deutsch am Arbeitsplatz – Untersuchung zur Kommunikation im Betrieb als Grundlage einer organisationsbezogenen Zweitsprachenförderung“ (Kimmelmann, 2013:293) wurde von der Volkswagenstiftung als interdisziplinäres Forschungsprojekt von 2007 bis 2013 finanziert. In