Sprachen lernen in der Pubertät. Heiner Böttger

Sprachen lernen in der Pubertät - Heiner Böttger


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Lehrkräfte sowie Bildungsverantwortliche spielen eine ganz erhebliche Rolle bei dem nötigen Umstrukturierungsprozess, der vor allem zunächst zeitlichen Reorganisation schulischer Abläufe. Schlafbedürfnisse gilt es zu priorisieren, da sie sich positiv wie negativ auf Lernprozesse und -erfolge auswirken, so auch beim (Fremd-)Sprachenlernen. Ganz konkret benötigen TeenagerTeenager während der PubertätPubertät Hilfe bei ihrer zeitlichen Strukturierung und Priorisierung des Tagesablaufs. Genügende Pausenzeiten und leistbare Aufgaben entlasten. Letztlich können auch Ärzte pubertierenden Jugendlichen helfen, bewusst eine gesunde Einstellung zu Schlaf zu entwickeln.

      Solche Konsequenzen umfassen die Ganztagsschule (vgl. Hansen et al. 2005) sowie einen um das Schlafverzögerungsquantum verschobenen, um ca. eine Stunde später beginnenden Unterricht (vgl. Roenneberg et al. 2004), sowie in der Folge auch später am Vormittag stattfindende Leistungstests. Bis hin zur methodischen Ebene wirken sich die nötigen Anpassungen aus – rezeptive, musische, körperlich langsam aktivierende Aufgaben in Gruppen mit inhaltlich noch geringem Schwierigkeitsgrad sollten vor anspruchsvollen kreativen und kognitiven Aktivitäten stattfinden.

      Im häuslichen Umfeld und unter elterlichem Einfluss sind einige Voraussetzungen günstigstenfalls schlaf- und somit (sprach)lernleistungsförderlich: Ruhige, stressfreie und medienarme abendliche Atmosphäre mit routinierten Abläufen, etwas abgedunkelten Räumlichkeiten bzw. geringen Anteilen an Computerspielen, Videokonsum oder auch intensivem Lernen. Bläuliche Lichtquellen bei Smartphones, Tablets und PCs sowie NikotinNikotin, Alkohol und Koffein wirken kontraproduktiv beim Einschlafen bzw. schlafstörend.

      Sogenannte Lichtduschen am Vormittag, u.a. durch das partielle Verlegen des Lernortes nach draußen, und sportliche Betätigungen am Frühabend sowie leichtes Abendessen hingegen beeinflussen das SchlafverhaltenSchlafverhalten positiv. Ein kurzer Nachmittagsschlaf (maximal 30 Minuten) und möglichst äquivalentes Schlafverhalten am Wochenende, natürlich mit den altersgemäßen Ausnahmen, sind gleichermaßen positiv zu bewerten.

      1.5 Zwischenfazit

      Die Vermutung liegt nahe, dass das jugendliche Gehirn durch die Dysbalance zwischen EmotionEmotionen und KognitionKognition gezielt auf spezifische Erfahrungen vorbereitet wird. Dies würde ebenso klare und Orientierung gebende Lernformen, aber auch die vorsichtige Heranführung an spezifische flexible und offene Lernformen erfordern. Um dieses besondere Lernfenster zu nutzen, müssen kognitive Anforderungen leistbar sein. Zudem sollte der negative Effekt von passivem TV-, Internet- und Videokonsum sowie der mögliche positive Effekt eines gezielten Prunings, z.B. durch Sport, Musik und geistige Anforderungen bewusst gemacht werden.

      Als BezugspersonenBezugspersonen mit der Dysbalance (sprach-)erzieherisch professionell umzugehen und zu einer Balancierung beizutragen, ist zudem für die Jugendlichen berufsvorbereitend und wirkt bezüglich extremen psychischen Schwankungen hin zu Depressionen und gar Schizophrenie prophylaktisch (zu AngsterkrankungenAngst/ anxiety, Angsterkrankungen in der PubertätPubertät vgl. 3.3.5).

      Dazu darf jedoch das erwachsene Gehirn nicht als Zielzustand angesehen werden, der erreicht wird, indem man die pubertäre Phase als defizitär ansieht und irgendwie absolviert, sondern ihre Potenziale gezielt nutzt (vgl. Konrad et al. 2013: 429).

      Ausgewählte Literaturhinweise

      Böttger, H. (2016). Neurodidaktik des frühen Sprachenlernens. Wo die Sprache zuhause ist. Stuttgart: utb.

      Giedd, J.N./Blumenthal, J./Jeffries, N.O./Castellanos, F.X./Liu, H./Zijdenbos, A./Paus, T./ Evans, A.C./Rapoport, J.L. (1999). Brain Development during Childhood and Adolescence: A Longitudinal MRI Study. In. Nature Neuroscience 2 (10): 861–63.

      Hansen, M./Janssen, I./Schiff, A./Zee, P.C./Dubocovich, M.L. (2005). The Impact of School Daily Schedule on Adolescent Sleep. In. Pediatrics 115 (6): 1555–61.

      Sambanis, M. (2013). Fremdsprachenunterricht und Neurowissenschaften. Tübingen: Verlag.

      2. Kommunikation

      In diesem zweiten Kapitel soll die Kommunikation der pubertierenden Jugendlichen in den Blick genommen werden. Ihre Ansprechpartner, die Art und Weise des mündlichen und schriftlichen Ausdrucks sind sowohl für die sprachliche EntwicklungEntwicklung in der Muttersprache als auch in allen anderen Sprachen relevant. Besonders die institutionalisiert wie auch außerschulisch erlernte Kinder- und Jugendkultursprache Englisch ist betroffen, denn ein nicht unerheblicher Teil konstituiert die Jugendsprache (vgl. 2.1.3 & 2.2.1). Die Problematik der Vermittlung von englischsprachigen Standards im Unterricht entsteht für die AltersgruppeAltersgruppe dann, wenn ihre Sprech-/Schreibintentionen mit den schulisch vermittelten Sprachmitteln nicht ausgedrückt werden können. Der Stil, das „Wie“ des Sprechens und Schreibens sowie das Register pubertierender Jugendlicher, also das „Wann/In welcher Situation“, „Mit wem“ und „Wie“, spielen in der Regel keine unterrichtliche Rolle, müssen aber dennoch immer wieder involviert werden. Die Nicht-Berücksichtigung der jugendlichen Sprachebene lässt sonst schnell eine Schieflage gegenüber den literarischen Texten sowie Sachtexten entstehen, die für eine sprachliche Vorbildwirkung exemplarisch vorgehalten werden müssen. Jugendliche sehen die verwendete Sprache als eine künstliche, erwachsenenorientierte Ausdrucksmöglichkeit, die sie zwar verstehen lernen, jedoch nicht anwenden. In den typischen Rückzugsphasen, in denen TeenagerTeenager keinerlei Kommunikation aufrechterhalten wollen, verstärkt sich der sowieso vorhandene Unterschied.

      2.1 Ansprechpartner

      Das Spektrum der Ansprechpartner der pubertierenden Jugendlichen erweitert sich nach der Kindheit schnell. Neben den Eltern bzw. den Erziehungsberechtigten und Familienmitgliedern als feste Bezugsgröße sind es zwei Gruppen, in denen sich die sozialen Netzwerke der Jugendlichen zügig entwickeln: Lehrkräfte und die peers, die Gleichaltrigen. Die Bewertung aller drei Gruppen bleibt positiv, einzig die dominante Rolle der Eltern bzw. der Familie ändert sich. Sie wünschen sich Unabhängigkeit und viele Kontakte, wollen aber auch den sicheren Hafen der Familie und Freunde nicht missen.Dies sind die neuen Prioritäten (vgl. Abb. 10).

      Abb. 10

      Werte Jugendlicher

      2.1.1 Eltern und Erziehungsberechtigte

      Noch in der Kindheit die absoluten Orientierungsfixpunkte, ab Beginn der PubertätPubertät scheinbar und zunehmend „entthront“ – so ändert sich, zugespitzt ausgedrückt, die Rolle der Eltern und Erziehungsberechtigten. Während der ersten Lebensjahre standen die Eltern uneingeschränkt im Mittelpunkt, im Kindergartenalter sowie in der Grundschule nahmen der Einfluss und die Vorbildwirkung der Erzieherinnen und Lehrkräfte deutlich zu, ohne die Leitposition zu stark zu beeinflussen. Am Ende richten Kinder ihre AufmerksamkeitAufmerksamkeit auf Gleichaltrige und ihre eigene Stellung innerhalb dieser Gruppe. Die Eltern werden bewusst zu Gunsten des Einflusses der AltersgenossenAltersgenossen in den Hintergrund geschoben.

      Als Vorbilder in Bezug auf kommunikative Mittel, wie Wortwahl, Register, Stil etc., werden Eltern ebenfalls durch peers ersetzt, die diese Rolle übernehmen. Paradox, aber zutreffend: Pubertierende Jugendliche erwarten nicht, dass Eltern sich nun auf das Sprachniveau der gleichaltrigen Freunde begeben, dies wird in der Regel eher als peinlich empfunden (vgl. 2.2.2).

      Als Kommunikationspartner sind Eltern dennoch weiter wichtig, nur die Inhalte der Gespräche ändern sich. Auf Ablehnung stoßen – eine Parallele zur mangelnden jugendlichen Akzeptanz von unterrichtlichem Befehlston – eindringliche Bitten, Aufforderungen, verbale Einbahnstraßen ohne partnerschaftliche Replikmöglichkeit. Dies erkennen Eltern nicht immer und fühlen sich persönlich in der ehemals so engen Beziehung herabgesetzt. Dies und die Enttäuschung, dass die gewohnte familiäre Idylle mit den klaren Hierarchien sich nun ändert, führt schnell zu Auseinandersetzungen, die ausufern können: Streitigkeiten, verbale Provokationen, Grenzüberschreitungen, letztlich Wut und Tränen bei allen Beteiligten, das ist ein Teufelskreis hauptsächlich von Fehlkommunikation, den es zu unterbrechen


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