Das Sprachverständnis des Paulus im Rahmen des antiken Sprachdiskurses. Nadine Treu

Das Sprachverständnis des Paulus im Rahmen des antiken Sprachdiskurses - Nadine Treu


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eine andere, vorzügliche Kraft. (Conf § 187)

      Nachdem Philon σύγχυσις weitgehend physikalisch erläutert hat, bezieht er seine Argumentation auf die Ethik. Mit der Zusammengießung droht Gott den unfrommen Gedanken an, sie zu vernichten.5 Mit der Gesamtheit der unfrommen Gedanken dürften jene Missetaten gemeint sein, die Philon ab Conf § 15 als „κακῶν ἀμυθήτων καὶ μεγάλων συμφωνίαν“ (Symphonie der unsäglich großen und vielen Verbrechen) bezeichnet. Jedes schlechte Verhalten, wie Ruhmlosigkeit, Armut, Schwäche der Seele, Melancholie, hohes Alter oder der Verlust des Verstandes soll ausgerottet werden.6 Darüber hinaus soll auch das zerstört werden, was aus den einzelnen Gedanken entsteht und was sich gegen die guten Tugenden richtet. Hierbei ist auf Conf § 22 und die Erläuterung des schwersten Übels Bezug zu nehmen: „βαρύτατον γὰρ κακῶν καὶ σχεδὸν ἀνίατον μόνον ἡ πάντων τῶν ψυχῆς μερῶν πρὸς τὸ ἁμαρτάνειν συνεργία“ (δenn das schwerste Übel und beinahe das einzig unheilbare ist die Übereinstimmung sämtlicher Teile der Seele zum Freveln). Es wird auch ersichtlich, dass Philon die ethische Interpretation der Sprachverwirrung durch den gesamten Traktat hinweg aufrechterhält. So kommt er in Conf § 188 noch einmal auf den Beginn seiner Ausführungen bezüglich der Tugenden und Laster aus Conf § 15–22 zurück.

      Im Folgenden (Conf § 189 f) bezieht Philon zu Gen 11,7 „συγχέωμεν ἐκεῖ αὐτῶν τὴν γλῶτταν, ἵνα μὴ ἀκούσωσιν ἕκαστος τὴν φωνὴν τοῦ πλησίον“ (wir wollen daselbst ihre Sprache verwirren, damit sie nicht verstehen einer die Sprache des anderen) Stellung. Er interpretiert den Vers unmittelbar auf der ethischen Ebene und reiht sich damit in den frühkaiserzeitlichen Diskurs ein, der eine ethische Komponente für wichtige Texte für unabdingbar hält.7 Philon leitet dies durch „ὅπερ ἴσον ἐστὶ τούτῳ“8 ein. Unter der Sprachverwirrung versteht er Folgendes:

      κωφὸν ἕκαστον ἐργασώμεθα τῶν κακίας μερῶν, ὡς μήτε ἰδίαν ἀφιὲν <φωνὴν> μήτε συνηχοῦν ἑτέρῳ βλάβης αἴτιον γίνηται. (Conf § 189)

      [W]ir wollen sämtliche Teile der Schlechtigkeit stumm machen, damit sie weder durch das Hervorbringen der eigenen (Stimme), noch durch das Zusammentönen mit anderen Schaden verursache[n]. (Conf § 189)

      Im Verlauf der Argumentation geht Philon auf seine Gegner ein, die in der Perikope lediglich den wörtlichen Sinn sehen. Er fordert sie auf, neben dem Literalsinn auch die allegorische Interpretation in den Blick zu nehmen, und stellt heraus, dass mit dem Genesistext gerade nicht die Trennung in griechische und barbarische Sprachen gemeint sein kann.9 Grund hierfür ist, dass die Trennung in unterschiedliche Sprachen mit einem treffenderen Wort als dem der σύγχυσις hätte beschrieben werden können:

      ταῦτα μὲν ἡμεῖς, οἱ δὲ τοῖς ἐμφανέσι καὶ προχείροις μόνον ἐπακολουθοῦντες οἴονται νυνὶ γένεσιν. διαλέκτων Ἑλληνικῶν τε καὶ βαρβάων ὑπογράφεσθαι∙ οὓς οὐκ ἂν αἰτιασάμενος – ἴσως γὰρ ἀληθεῖ καὶ αὐτοὶ χρῶνται λόγῳ – παρακαλέσαιμ' ἂν μὴ ἐπὶ τούτων στῆναι, μετελθεῖν δὲ ἐπὶ τὰς τροπικὰς ἀποδόσεις, νομίσαντας τὰ μὲν ῥητà τῶν χρησμῶν σκιάς τινας ὡσανεὶ σωμάτων εἶναι, τὰς δ' ἐμφαινομένας δυνάμεις τὰ ὑφεστῶτα ἀληθείᾳ πράγματα. δίδωσι μέντοι πρòς τοῦτ' ἀφορμὰς τò εἶδος τοῖς μὴ τυφλοῖς διάνοιαν ὁ νομοθέτης αὐτός, ὥσπερ ἀμέλει καὶ ἐφ' ὧν νῦν ἐστιν ὁ λόγος·

      τὸ γὰρ γινόμενον σύγχυσιν προσεῖπε. καίτοι γε εἰ διαλέκτων γένεσιν αὐτὸ μόνον ἐδήλου, κἂν ὄνομα εὐθυβολώτερον ἐπεφήμισεν ἀντὶ συγχύσεως διάκρισιν· οὐ γὰρ συγχεῖται τὰ τεμνόμενα, διακρίνεται δ’ ἔμπαλιν, καὶ ἔστιν οὐ μόνον ἐναντίον ὄνομα ὀνόματι, ἀλλ’ ἔργον ἔργῳ. σύγχυσις μὲν γάρ, ὡς ἔφην, ἐστὶ φθορὰ τῶν ἁπλῶν δυνάμεων εἰς συμπεφορημένης μιᾶς γένεσιν, διάκρισις δὲ ἑνὸς εἰς πλείω τομή, καθάπερ ἐπὶ γένους καὶ τῶν κατ’ αὐτὸ εἰδῶν ἔχειν συντέτευχεν. ὥστε εἰ μίαν οὖσαν φωνὴν ἐκέλευσε τέμνειν ὁ σοφὸς εἰς πλειόνων διαλέκτων τμήματα, προσεχεστέροις ἂν καὶ κυριωτέροις ἐχρήσατο τοῖς ὀνόμασι, τομὴν ἢ διανέμησιν ἢ διάκρισιν ἤ τι ὁμοιότροπον εἰπών, οὐ τὸ μαχόμενον αὐτοῖς, σύγχυσιν. ἀλλ’ ἔστιν ἡ σπουδὴ διαλῦσαι τὸ κακίας στῖφος (…). (Conf § 190–193)

      Die aber nur das Äußere und Obenaufliegende verfolgen, glauben, daß hiermit die Entstehung der griechischen und barbarischen Sprachen beschrieben sei. Ohne ihnen Vorwürfe zu machen, – vielleicht ist auch ihre Meinung richtig – möchte ich sie auffordern, nicht dabei stehen zu bleiben, sondern zu der figürlichen Auslegung überzugehen in der Überzeugung, daß der Wortlaut der Gottessprüche dem Schatten der Körper gleicht, die (durch den Wortlaut) veranschaulichten Bedeutungen aber den tatsächlich vorhandenen Gegenständen. Die Veranlassung zu dieser Art (der Auslegung) gibt wohl den am Geiste nicht Geblendeten der Gesetzgeber selbst, wie offenbar auch bei der hier besprochenen Erzählung.

      Denn das Ereignis nannte er Synchesis, obwohl er es doch, hätte er nur die Entstehung der Sprachen darstellen wollen, mit einem treffenderen Ausdruck als Sonderung statt als Synchesis (Zusammengießung) bezeichnet hätte. Denn was geschieden wird, wird nicht zusammengegossen; im Gegenteil, es wird gesondert; der Gegensatz liegt nicht nur in den Bezeichnungen, sondern auch in der Sache. Denn Synchysis ist, wie gesagt, die Auflösung der einfachen Kräfte zum Zwecke der Entstehung einer zusammengesetzten, Sonderung aber ist die Scheidung des Einen in ein Vieles, wie es sich mit der Gattung und ihren Arten verhält. Hätte somit der Allweise die Scheidung der einen Sprache in mehrere Mundarten geboten, würde er einen näherkommenden, richtigeren Namen gebraucht haben, von einer Scheidung, Teilung, Sonderung oder derartigem sprechend, nicht von der Synchysis, die jenen entgegengesetzt ist. Vielmehr ist sein Streben darauf gerichtet, die Schar der Untugend(en) aufzulösen (…). (Conf § 190–193)

      Das Grund, warum für Philon das Thema der Perikope der Sprachverwirrung


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