Die Syntax-Pragmatik-Schnittstelle. Sonja Müller

Die Syntax-Pragmatik-Schnittstelle - Sonja Müller


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Wie lässt sich die Markiertheit von (i) im Vergleich zu (ii) erklären?

(i) #Ein Zauberer war einst sehr weise, reich und mit einer wunderschönen Hexe verheiratet.
(ii) Es war einst ein Zauberer, der sehr weise und reich war.
(nach Lambrecht 1994: 178/180)

      2. Erläutern Sie den Unterschied zwischen (iii) und (iv) hinsichtlich der Topik-Kommentar-Gliederung. Überlegen Sie dazu, in welchen Kontexten die beiden Sätze geäußert werden könnten. Das heißt, welche Art von Frage könnte jeweils vorweg gehen?

(iii) Mein BAUCH tut weh.
(iv) Mein Bauch tut WEH. (nach Lambrecht 1994: 137)

      3. Bestimmen Sie die Fokusdomänen der folgenden Sätze. Was fällt auf hinsichtlich möglicher Fokusprojektionen?

(v) Der Verband hat die BUNdestrainerin entlassen.
(vi) Der VerBAND hat die Bundestrainerin entlassen.
(vii) Der Verband hat die Bundestrainerin nach dem TurNIER entlassen.

      

Wie wir gesehen haben, beschäftigt sich die Informationsstruktur mit der Gliederung von Sätzen, die dem Zweck dient, auf Verhältnisse in der Kommunikationssituation aufmerksam zu machen bzw. zu reagieren. Ein angrenzender Untersuchungsbereich im Rahmen des größeren Themas der Diskursorganisation ist, in welchem Verhältnis Äußerungen im Diskurs zueinander stehen, d.h. letztlich, wie ein Diskurs durch einzelne Äußerungen strukturiert wird. Da dieses Feld bei der Diskussion mancher Phänomene in den Kapiteln 2 bis 7 ebenfalls eine Rolle spielen wird, wollen wir auch zu diesem Themenbereich abschließend einige Aspekte einführen.

      1.2.3 Diskursrelationen

      Vergleicht man die Texte in (94) bis (96) hat man als Leser vermutlich eine Präferenz für den dritten Text.

(94) Der Fischotter ist fast im ganzen Europa vom Polarkreis bis nach Spanien verbreitet. Im Winter taucht der Fischotter unter dem Eis und kann sich so mit Nahrung versorgen. Der Fischotter wird ca. 90 cm lang und bis zu 10 kg schwer. Bevor er unter Naturschutz kam, wurde der Fischotter exzessiv gejagt. Sein extrem dichtes braunes Fell schützt den Fischotter auch im Winter vor Kälte. Der Fischotter gehört zur Familie der Marder. Seine Nahrung besteht zu 90 % aus Fisch, den er schwimmend jagt.
(95) Der Fischotter ist fast im ganzen Europa vom Polarkreis bis nach Spanien verbreitet. Trotzdem steht er unter Naturschutz, weil er früher viel gejagt wurde. Die Jagd war eine wichtige Beschäftigung des Adels und des gemeinen Volkes. Insbesondere die Adeligen legten Wert auf eine prachtvolle Jagdausrüstung. Ebenso prachtvoll mussten auch die Kleidung und die Wohnungen sein.
(96) Der Fischotter ist fast im ganzen Europa vom Polarkreis bis nach Spanien verbreitet. Er gehört zur Familie der Marder. Der Fischotter wird ca. 90 cm lang und bis zu 10 kg schwer. Seine Nahrung besteht zu 90 % aus Fisch, den er schwimmend jagt. Dank seines extrem dichten braunen Fells kann der Fischotter lange im Wasser bleiben, ohne zu frieren. Das Fell schützt ihn auch im Winter vor Kälte, so dass er unter dem Eis tauchen und sich so auch im Winter mit Nahrung versorgen kann.
(Averintseva-Klisch 2013: 15f.)

      Bewertet man die Texte dahingehend, ob ein Oberthema, mit anderen Worten ein DiskurstopikDiskurstopik (DT), auszumachen ist und ob ein Zusammenhang zwischen benachbarten Sätzen besteht, so ergibt sich, dass in Text 1 ein DT bestimmt werden kann (etwa „Die Eigenschaften des Fischotters“), die Inhalte der einzelnen Sätze aber nur in loser Verbindung zueinander stehen (wenngleich sie natürlich Informationen zum Fischotter anführen). In Text 2 bestehen deutliche Verbindungen zwischen den Sätzen, die durch KonnektorenKonnektor wie trotzdem und weil kodiert werden. Es fällt aber schwerer, ein übergeordnetes Thema zu bestimmen. Die Thematik wechselt vom Fischotter zur Jagd und zum Adel. Für Text 3 lässt sich schließlich gut ein DT formulieren, wie z.B. „Die Eigenschaften des Fischotters“. Und auch zwischen den Sätzen bestehen Verbindungen, angezeigt z.B. durch dank seines extrem dichten braunen Fells oder so dass (vgl. Averintseva-Klisch 2013: 15f.).

      Man stuft den dritten Text insgesamt wahrscheinlich als kohärenterKohärenz ein, wobei die Betrachtung aufzeigt, dass Kohärenz sich anscheinend sowohl globalGlobale Kohärenz (der Text als eine Einheit) als auch lokalLokale Kohärenz (Zusammenhänge zwischen Teilen des Textes) einstellt (vgl. Averintseva-Klisch 2013: 16). In diesem Sinne ist Text 1 global, aber nicht lokal kohärent, Text 2 umgekehrt lokal, aber nicht global kohärent, und Text 3 weist lokale und globale Kohärenz auf.

      Für den Eindruck der lokalen Kohärenz sind hier (wie schon angemerkt) u.a. KonnektorenKonnektor verantwortlich, die Textteile inhaltlich miteinander verbinden. Dank seines extrem dichten braunen Fells stellt beispielsweise einen kausalen Zusammenhang her, so dass eine Folge, trotzdem eine konzessive Relation, d.h. einen unerwarteten Zusammenhang. Man spricht bei dieser Art von Kohärenz, d.h. der Verbindung zwischen Textteilen, auch von relationaler KohärenzRelationale Kohärenz. Konnektoren kodieren explizit inhaltliche Relationen zwischen (Teil)sätzen. In (97) stellt weil z.B. explizit einen kausalen ZusammenhangKausalität zwischen den beiden Sachverhalten her (zu weiteren Relationen, die u.a. durch Konnektoren kodiert werden können, vgl. Averintseva-Klisch 2013: 18–26).

(97) Weil das Wetter so schön ist, werde ich nachher joggen gehen.
(Averintseva-Klisch 2013: 18)

      Doch auch (98) kann im gleichen Sinne verstanden werden.

(98) Das Wetter ist so schön. Ich werde nachher joggen gehen.
(Averintseva-Klisch 2013: 19)

      In der Literatur sind verschiedene Ansätze vorgeschlagen worden, um derartige KohärenzrelationenKohärenzrelation systematisch zu erfassen. Im Rahmen der Rhetorischen StrukturtheorieRhetorische Strukturtheorie (RST) von Mann & Thompson (1988) wird beispielsweise zwischen 23 Relationen unterschieden. Hierzu zählen u.a. die Relationen EVIDENZEvidenz, ELABORATIONELABORATION und HINTERGRUNDHINTERGRUND.

      Die Relation EVIDENZ besteht z.B. in (99) zwischen den beiden Teilsätzen des zweiten Satzes und dem ersten Satz. Der Sprecher/Schreiber beabsichtigt, den Hörer/Leser von der ersten Information zu überzeugen.

(99) [Das Programm funktioniert] (1). [Ich habe sehr schnell die Daten eintragen können] (2) und [die gleichen Ergebnisse erhalten, die ich auch per Hand ausgerechnet hatte] (3). (nach Mann & Thompson 1988: 251)

      Stehen Satzteile in der Relation ELABORATION zueinander, liefert ein Satz zusätzliche Information zum im anderen Satz Beschriebenen. In (100)


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