Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch). Elena Schäfer
diskutiert, sodass diesbezügliche Forderungen und Implikationen für die Gestaltung von Lehrwerken deutlich werden.
Kapitel 5 widmet sich daraufhin dem fremdsprachlichen Kompetenzerwerb durch Lernvideos und unterstreicht deren Potential hinsichtlich der Schulung von Diskursfähigkeit, Medienkompetenz und Differenzierungsmöglichkeiten. Im Sinne eines integrierten Hör-Seh-Verstehens und entsprechend den Spezifika von Lernvideos werden methodisch-didaktische Möglichkeiten zur Förderung und Bündelung verschiedener Kompetenzbereiche erläutert. Diese umfassen funktional-kommunikative Kompetenzen, transkulturelle Kompetenzen, Sprachlernkompetenzen, Sprachbewusstheit und Medienkompetenz sowie Ansätze zu Gunsten eines differenzierten Kompetenzerwerbs.
Vor diesem theoretischen Hintergrund ermöglicht Kapitel 6 als Teil des zweiten Themenblocks eine Übersicht über das Angebot aktueller Lernvideos außer- und innerhalb des deutschen Schulbuchsektors, wobei sich die weiteren Ausführungen dieser Arbeit hauptsächlich auf die Lernvideos der großen deutschen Schulbuchverlage beziehen. Um die Kategorie lehrwerksintegrierter Lernvideos als Zeichen einer neuen Lehrwerksgeneration hervorzuheben und von herkömmlichen Videoformaten abzugrenzen, erfolgt eine differenzierende Kategorisierung in lehrwerksunabhängige, lehrwerksbegleitende und lehrwerksintegrierte Lernvideos. Neben den medienimmanenten Potentialen und Herausforderungen wird insbesondere auf die Merkmale und Charakteristika lehrwerksintegrierter Lernvideos eingegangen. Diese betreffen konzeptionelle Besonderheiten in Bezug auf die darin enthaltenen Filmkategorien (didaktisch/authentisch), sowie auf ihre Länge, Inhalte, Einsatzmöglichkeiten, Begleitmaterialien, Verfügbarkeit und technische Voraussetzungen. Um die Komplexität des Forschungsgegenstandes möglichst vielfältig zu erfassen, wird die empirische Annäherung mit einer Expertenbefragung eingeleitet, in der einige Autoren führender deutscher Schulbuchverlage Einblicke in die Konzeption, Produktion und Qualitätsansprüche lehrwerksintegrierter Lernvideos ermöglichen.
In diesem Zusammenhang beleuchtet Kapitel 7 die besonderen Anforderungen, Potentiale und Lernvoraussetzungen des fremdsprachlichen Anfangsunterrichts. Diese bilden die Grundlage für die Erarbeitung und Beschreibung von zehn Qualitätskriterien, denen lehrwerksintegrierte Lernvideos im Anfangsunterricht idealerweise genügen sollten. Unter Berücksichtigung ihrer qualitativen Güte folgt eine Fokussierung auf Analysemethoden zur empirischen Überprüfung von sechs der zehn Qualitätskriterien. Sie bilden den Maßstab für die Analyse der lehrwerksintegrierten Lernvideos.
Damit die vorgestellten Analysemethoden nicht der Theorie verhaftet bleiben, werden in Kapitel 8 jeweils zwei Lehrwerksreihen des Französischen (À plus! Nouvelle Edition, Découvertes série jaune) und des Spanischen (Encuentros 3000, ¡Adelante!) in Bezug auf die Qualität ihrer Lernvideos überprüft und bewertet. Die empirische Analyse und Bewertung erfolgt kategoriengeleitet anhand von Kategorie I: Angebot an Lernvideos und Spielzeit, Kategorie II: Themen, Schauplätze und Figuren sowie Kategorie III: Zusatzmaterialien und Benutzerfreundlichkeit und beschränkt sich aufgrund des eingangs geschilderten Forschungsinteresses auf die ersten beiden Lernjahre. Dieses Vorgehen ermöglicht sowohl eine Gegenüberstellung auf der Ebene der Einzelsprachen als auch sprachübergreifend in Bezug auf die jeweiligen Schulbuchverlage.
Zusätzlich dazu berücksichtigt Kapitel 9 im Rahmen des dritten Themenblocks die Perspektive von 337 Schülern, 26 Lehrern und 72 Lehramtsstudierenden der Fächer Französisch und Spanisch. Diese schildern, inwiefern die lehrwerksintegrierten Lernvideos in der Schulpraxis zum Einsatz kommen, welche Lernchancen sie bieten und unterziehen sie einer abschließenden Bewertung. Die im Zuge der Fragebogenstudie generierten Mehrfachdaten werden der Komplexität des Forschungsgegenstandes gerecht, weil sie über theoriefundierte konzeptionelle Bedingungen lehrwerksintegrierter Lernvideos hinausgehen und einen Einblick in schulpraktische Erfahrungswerte gewähren. Die erhobenen Daten werden anhand einer Perspektiventriangulation zusammengeführt und theoretisch eingebettet, sodass im vierten Themenblock unter Berücksichtigung der vorangegangenen Erkenntnisse dieser Arbeit Empfehlungen für künftige Konzeptionen lehrwerksintegrierter Lernvideos abgeleitet und diskutiert werden können.
Wie anhand von Abbildung 1 ersichtlich wird, handelt es sich bei der Erschließung des Themenkomplexes um einen hybrid angelegten Forschungsansatz, der dazu beitragen soll, möglichst umfassende Rückschlüsse auf die Konzeption aktueller lehrwerksintegrierter Lernvideos zu ziehen. Langfristiges Ziel ist die Verbesserung künftiger Produktionen im Hinblick auf die systematische Förderung des fremdsprachlichen Hör-Seh-Verstehens ab dem ersten Lernjahr.
Abb. 1: Forschungsansatz zur Erschließung des Themenkomplexes lehrwerksintegrierter Lernvideos im fremdsprachlichen Französisch- und Spanischunterricht
2 Zur Geschichte des Bildes in der Fremdsprachendidaktik
Der Einsatz von Bildmaterial im Fremdsprachenunterricht hat eine lange Tradition, die bis in das 17. Jahrhundert reicht. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die zur Verfügung stehenden Medien nicht nur vervielfältigt, sondern auch gewandelt. Aus diesem Grund verbindet jede Generation von Schülern ein bestimmtes Spektrum an Medien und Materialien mit dem fremdsprachlichen Unterricht. Hierzu zählen zum einen statische Bilder wie etwa Wandbilder, klassische Tafelbilder, Landkarten, Lehrbuchabbildungen, flash cards, Dias und Folien. Zum anderen handelt es sich um audiovisuelle Datenträger mit bewegten Bildern wie Fernsehen, Video, DVD und online verfügbare Videopods/-blogs.
Vor diesem Hintergrund hat das vorliegende Kapitel zum Ziel, einen kurzen Abriss über den fremdsprachengeschichtlichen Einsatz visueller Medien zu geben, sodass der Übergang von statischen zu audiovisuellen Bildern deutlich wird. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung erster lehrwerksbegleitender Videokassetten zu Gunsten online verfügbarer Lernvideos, die in den Aufbau des Lehrwerks integriert sind.
2.1 Auf den Spuren von Comenius
Bereits Johann Amos Comenius (1592–1670) war sich der verständniserleichternden Wirkung von Bildern bewusst, als er 1658 das erste speziell für den Fremdsprachenunterricht entwickelte Bilderkompendium Orbis Sensualium Pictus veröffentlichte. Es beinhaltete 150 Holzschnitte, deren Bildteile mittels einer Nummerierung tabellenartig auf die fremdsprachlichen Ausdrücke verwiesen. Zwar waren die Bilder klein und mitunter undeutlich, dennoch vermochten sie den fremdsprachlichen Unterricht im Sinne Comenius’ anschaulicher zu gestalten und Sprechübungen zu fördern (cf. Reinfried 1992, 33sq.).
Diese Idee der visuellen Unterstützung fremdsprachlicher Begriffe geht vermutlich zurück ins 15. Jahrhundert und wurde zunächst in Form von Federzeichnungen zur Gestaltung lateinisch-englischer Wörterverzeichnisse genutzt. Die bekanntesten Befürworter waren die Humanisten Desiderius Erasmus und John Palsgrave. Hintergrund des Bildeinsatzes war der, dass sich Sprachlehrmeister jener Zeit bemühen mussten, den in der Regel privat stattfindenden Sprachunterricht mit Hilfe von Bildern interessanter und motivierender zu gestalten (cf. ibid. 25sq.).
Für Comenius lag die Funktion der Bilder ausschließlich in ihrer Anschaulichkeit, wodurch der Bezug zwischen Wort und Bild hergestellt werden sollte. Dieses Konzept divergiert gegenüber anderen didaktischen Strömungen dahingehend, dass sich beispielsweise Vertreter der direkten Sprachlehrmethode für eine Verwendung von Bildern als „bloße Hilfsmittel zur Bedeutungserklärung fremdsprachlicher Ausdrücke oder auch Sprechimpulse“ aussprachen (ibid. 43). Trotz didaktischer Kontroverse hatte Comenius’ Bilderkompendium großen Erfolg und fand im 18. Jahrhundert eine Vielzahl an Nachahmern, wie etwa den Orbes Picti von Seidel und Geissler, den Neuen Orbis Pictus von Eberhard oder das Elementarbuch nach Lederer (cf. ibid. 53).
Im Zuge der Versinnlichungsmethode setzten sich die Dessauer Philanthropen unter der Führung von Johann Bernhard Basedow (1724–1790) seit der Gründung der Dessauer Privatschule1 im Jahre 1774 für die fremdsprachenunterrichtliche Nutzung von Realien ein. Folglich kennzeichnete sich das von Basedow entwickelte Lehrbuch Elementarwerk durch eine Vielzahl an Kupferstichen. Diese waren nicht nur als Semantisierungshilfe gedacht, sondern sollten gleichermaßen das Einsprachigkeitsprinzip des Fremdsprachenunterrichts fördern