Textlinguistik. Группа авторов
zwischen den Referenten der Satzglieder, die in den einzelnen Sätzen vorkommen. Hinzu kommen verschiedene Arten von sachlichen Beziehungen zwischen den von den einzelnen Sätzen bezeichneten Situationen und Sachverhalten, so etwa die folgenden:
RÄUMLICHE UND ZEITLICHE ZUGEHÖRIGKEIT ZUR GLEICHEN SITUATION: Zwei Sachverhalte können in einem Zusammenhang stehen, indem sie zur gleichen Zeit, im gleichen Raum oder in benachbarten Zeiten oder Räumen der Fall sind.
GEMEINSAME ZUGEHÖRIGKEIT ZU TYPISCHEN, STANDARDMÄSSIG DEFINIERTEN SITUATIONEN: Van Dijk bezieht sich hier auf die Konzeption von so genannten FRAMESFrame und SCRIPTSScript, die im Rahmen der Künstlichen-Intelligenz-Forschung entwickelt wurde (Schank/Abelson 1977). Danach werden für sehr viele Handlungsbeschreibungen vordefinierte Handlungs-Handlungsmuster und Situationsmuster vorausgesetzt, die beim TextverstehenTextverstehen zu Hilfe genommen werden, um unausformulierte Nebeninformationen zu ergänzen. Zu einem Restaurantbesuch gehören etwa Essen bestellen, essen und bezahlen; dadurch bekommen die HandlungenHandlung ESSEN und BEZAHLEN im Rahmen der Beschreibung eines Restaurantbesuchs einen denotativen Zusammenhang.
VORAUSSETZUNGSBEZIEHUNG: Eine Situation kann eine Voraussetzung einer anderen sein. Dass ich in einen Zug einsteige, ist die Voraussetzung dafür, dass ich in diesem Zug fahren kann; insofern besteht auch eine inhaltliche Beziehung zwischen zwei derartigen Ereignissen (sofern sie auch zur gleichen Situation gehören).
KAUSALE BEZIEHUNGEN: Wenn ein Ereignis A die Ursache für ein Ereignis B ist, schafft dies ebenfalls Zusammenhänge zwischen Sätzen bzw. Propositionen.
All dies kann als Verallgemeinerung des Kontiguitätsprinzips für Sätze verstanden werden, das oben als allgemeinste Form des Isotopieprinzips erwähnt worden ist. Zu beachten ist auch hier, dass nicht strikte semantische Verwandtschaft zwischen den semantischen Inhalten von Sätzen als Propositionen (Bedeutungen von abstrakten grammatischen Einheiten) die Basis für diese Kontiguitäten abgeben, sondern Beziehungen zwischen deren Denotaten, sachliche Beziehungen, Beziehungen, die zwischen Situationen bestehen, wie wir sie in der Realität kennen.
4.3.2 Propositionale Verknüpfungen
Die erwähnte Kausalbeziehung als Verbindung zwischen zwei Sätze führt zu weiteren Überlegungen. Wenn zwei Sätze kohärent verstanden werden können, wie etwa im folgenden Satzpaar:
(4–9) Die Straßen sind überflutet. Es hat heftig geregnet.,
dann kann man diese Beziehung als eine echte semantische Beziehung zwischen zwei Propositionen verstehen, die auch in Satzform wiedergegeben werden könnte: ‚Dass die Strassen überflutet sind, ist dadurch verursacht, dass es heftig geregnet hat.‘ Anders gesagt, diese Inhaltbeziehungen können als Prädikate verstanden werden, die Propositionen als Ergänzungen haben und die damit wiederum semantische Einheiten höherer, komplexerer Art schaffen. In der Notationsweise der Prädikatenlogik würde eine solche Bedeutungsstruktur (stark vereinfacht und behelfsweise) etwa so dargestellt:
VERURSACHEN (p, q)
wobei: p: FALLEN (REGEN)
q: ÜBERFLUTET-SEIN (STRASSEN)
Kohärente Satzfolgen kann man also als Propositionskomplexe verstehen. Die Sprache selbst bietet verschiedene grammatische und lexikalische Mittel an, um derartige Beziehungen auch explizit zu formulieren, etwa Verben wie verursachen oder Nebensatzkonstruktionen mit Nebensätzen wie Kausal-, Final- oder Temporalsätzen. Wie in satzinternen Konstruktionen kann man auch in Texten über die kausale Beziehung hinaus zahlreiche weitere inhaltliche Beziehungen zwischen Sätzen als Texteinheiten beobachten (siehe dazu den Begriff der KonnexionKonnexion in 3.1.2). Heinemann/Viehweger (1991: 42–44) und Heinemann/Heinemann (2002: 76f.) nennen unter anderen etwa folgende Arten:
EINFACHE ADDITIVE RELATION (UND): Es regnet. Es ist kalt.
OBJEKTIVE KAUSALE RELATION (WEIL): Die Straßen sind nass. Es hat geregnet.
SUBJEKTIVE KAUSALE RELATION (DENN): Emma fährt nach Berlin. Ihr Freund hat Geburtstag.
KONDITIONALE RELATION (WENN): Hoffentlich schneit es. Dann können wir Ski fahren gehen.
KONZESSIVE RELATION (OBWOHL): Emma mag zwar Gesang nicht. Trotzdem geht sie ins Konzert.
TEMPORALE RELATION (VORHER – NACHHER): Lucky Luke setzte sich aufs Pferd. Das Pferd galoppierte los.
KONSEKUTIVE RELATION (SODASS): Lucky Lukes Pferd machte wilde Sprünge. Lucky Luke fiel vom Pferd.
FINALE RELATION (DAMIT): Emma fährt nach Berlin. Sie besucht dort ein Rolling-Stones-Konzert.
ADVERSATIVE RELATION (ABER): Die Luft ist heiss, aber das Wasser ist kalt.
SPEZIFIZIERENDE RELATION (SPEZIF): Das Haus ist am Verlottern. Das Dach ist ganz löcherig.
VERGLEICHSRELATION (WIE): Erich isst Kuchen fürs Leben gern. Auch sein Vater liebte Süßes.
EXPLIZIERENDE RELATION (EXPLIZ): Emma fährt zum Geburtstag von Karl nach Berlin. Karl ist Emmas Bruder.
Dass zwischen Sätzen eines Textes inhaltlich relevante Beziehungen bestehen, die über die Einzelbedeutungen der einzelnen Sätze hinausgehen, und dass diese einen wichtigen Beitrag zur Kohärenz leisten, ist nicht zu bestreiten. Die hier erwähnten Beziehungen sind allerdings auf recht unterschiedlichen Inhaltsebenen anzusiedeln. Viele davon sind, wie van Dijk postuliert, Beziehungen zwischen den Denotaten der Sätze, also den bezeichneten Sachverhalten, so die konjunktionale oder die kausale Relation. Andere sind eher logisch-satzsemantischer Art; sie werden nicht von einzelnen Situationen ausgesagt, sondern über die Wahrheitsbedingungen der einzelnen Sätze, etwa im Falle der konditionalen Relation oder der spezifizierenden Relation. Andere Relationen betreffen weniger die sachliche Bedeutung der verknüpften Sätze als die Aussageabsichten der Sprecherin oder des Sprechers, also die illokutive Ebene, so im Falle der explizierenden Relation. Und wieder andere Verknüpfungen beziehen sich auf Erwartungen des Lesers oder der Leserin, so bei der konzessiven und bei der adversativen Relation: In zwei Sätzen werden zwei Sachverhalte genannt, die an sich sachlich durchaus verträglich sind, bei denen aber gewöhnlich aus dem ersten Satz Schlussfolgerungen gezogen werden, zu denen der zweite nicht ganz passt. Die zuletzt genannten textuellen Relationen zwischen Sätzen in einer Textfolge können also kaum als Prädikate zwischen Propositionen verstanden werden, sondern sind Verknüpfungen auf anderen Ebenen, der PragmatikPragmatik oder der IllokutionIllokution. Eine voll entwickelte Theorie, die Texte als Propositionskomplexe versteht, müsste hier wesentliche Differenzierungen anbringen.
Außerdem: Je mehr Inhaltsaspekte in die Beschreibung einbezogen werden, desto schwieriger wird es zu entscheiden, auf welcher Ebene der festgestellte Zusammenhang anzusiedeln und wie er konkret zu beschreiben ist. Die textuellen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sätzen in einer Satzfolge wie (4–9) können auf unterschiedlichen Ebenen gesehen werden: Sie sind einmal, wie beschrieben, sachlich-kausaler Art, der zweite Satz kann aber zusätzlich auch als Erläuterung oder Begründung verstanden werden, was – je nach Betrachtungsweise – eine performative oder illokutive Funktion wäre. In solchen Fällen zeigt sich die Mehrschichtigkeit der Textkohärenz.
4.4 Theorie rhetorischer Strukturen – Rhetorical Structure Theory (RST)
Nahe verwandt mit Theorien über propositionale und denotative Beziehungen zwischen Sätzen ist die so genannte Theorie rhetorischer Strukturen, englisch Rhetorical Structure TheoryRhetorical Structure Theory (RST) (Mann/Matthiessen/Thompson 1992, Mann/Thompson 1988, Taboada/Mann 2006, www.sfu.ca/rst/). Diese Beschreibungsmethode stellt im Vergleich dazu allerdings einen wesentlich differenzierter ausgebauten Ansatz dar. Sie wurde zunächst in den USA im Rahmen von computerlinguistischen Forschungen zur Textanalyse entwickelt und sollte Formate zur computergestützten Analyse von Textinhalten und zur computergestützten Textproduktion anbieten (Kap. 15). Dieser Hintergrund