Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов

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Austauschvorgänge der Transkulturation erfordern ein dynamisches Subjekt, das sich (im Sinne des sozial-interaktionistischen Konstruktivismus) im Wechselspiel mit der Umwelt weiterentwickelt.

      Kultur ist demzufolge als die denotative Bedeutungsebene von sozialer und sprachlicher Interaktion zu definieren. Sozialisations-, Akkulturations-, und Integrationsprozesse sowie letztlich auch Individuationsprozesse im Sinne soziokultureller Selbstwahrnehmung beruhen auf der Viabilisierung konnotativer Bedeutungen in gesellschaftlichen Kontexten. (Wendt 2002: 42)

      Die Bereitstellung denotativen Wissens alleine, zum Beispiel durch die Kontrastierung von Bekanntem und Neuem kann diesen Austausch nicht ersetzen, weil sie den Selbstbezug nicht durchbricht. Wie aber kann das Wechselspiel mit dem Neuen beziehungsweise Fremden in der Umwelt aussehen, wenn die Präsentation denotativen Wissens nicht genügt?

      2.1.5 Die Normalität des Fremden in der skeptischen Hermeneutik

      Schon sehr früh und nachdrücklich wehrt sich Hunfeld gegen alle Versuche, Fremdheit zu verharmlosen, zu verwaschen oder auflösbar zu machen und plädiert dagegen für ein Konzept der Affirmation und des Erhalts (Normalität) des Fremden. Bewusst distanziert sich dieser Ansatz von jeder „optimistischen Verstehenslehre“ (Hunfeld 2004: 487), die davon ausgeht, dass man den Fremden verstehen könne, wenn man nur sorgfältig seine Sprache und Kultur lernte.

      Diese einfache Grunderkenntnis der Hermeneutik widerspricht der gängigen Euphorie, die der Sprache zutraut, sie könne zwischen allen alles vermitteln (Hunfeld 1998: 85).

      Diese Normalität des Fremden erfordere eine neue Haltung, die den fremden Anderen in seiner Eigenheit wahrnehme und anerkenne, zugleich aber eine respektvolle Nähe und Distanz ermögliche und so die Bedingungen für einen interkulturellen Dialog schaffe, der von gleichwertigen Partnern und Partnerinnen geführt werde. „Solange das Fremde noch auffällig ist, wird es nicht als Normalität wahrgenommen“ (Hunfeld 2004: 488). Die Schwierigkeiten des Fremd-Verstehens führt Hunfeld unter anderem auf folgende traditionelle und weiter in die Gegenwart wirkende Tendenzen zurück:

       die Inbesitznahme des Fremden aus der eigenen Interessensperspektive;

       die Neigung, Fremdes in die je eigenen Verstehensbegriffe überzuführen;

       die Fiktion, das Fremde vom Eigenen her abzubilden;

       die Befangenheit im a priori als richtig verstandenen Urteil über den Anderen;

       die Eingeschränktheit in der eigenen Wahrnehmung;

       die Unfähigkeit, das Andere als Anderes gelten zu lassen;

       das autoritäre Sprechen mit dem Fremden, das zu seiner Verstummung führt. (vergleiche Hunfeld 2004: 45)

      „Wenn das Fremde in der gewährten Nähe das Verschiedene bleiben kann“, werde der Tendenz vorgebeugt, es „vollständig in das eigene Verständnis zu bekommen“ (Hunfeld 1998: 60). Damit komme es auch nicht zu der oft befürchteten Auflösung der Perspektiven in transkulturellen Prozessen.

      Hunfelds darauf aufbauendes Konzept der skeptischen Hermeneutik betont die nicht auflösbare Begrenztheit des Verstehens. Verstehen erfordere demnach eine mühsame Verstehensübung, die diese Begrenztheit beachte, denn das Nichtverstehen sei konstitutiver Bestandteil jeder Anstrengung des Verstehens (siehe Hunfeld 2004: 45).

      Kapumba Akendas Entwurf des Modells eines ethischen Universalismusethischer Universalismus (2004), der wie Hunfelds skeptische Hermeneutikskeptische Hermeneutik von einer praktischen, Verstehensgrenzen überschreitenden Anerkennung von Pluralität, Ungleichheit und Dissens ausgeht, hebt hervor, dass diese Anerkennung keinen Verzicht auf das Verstehen als Ziel, sondern einen Verzicht auf das Verstehen als Bedingung interkulturellen Handelns darstelle.

      Sie kommt ohne eine theoretische und argumentative Homogenisierung aus und erzeugt dadurch eine Gleichheit der Bedingungen für ungleich verstandenes und kulturbezogenes Handeln (Kapumba Akenda 2004: 284).

      Der Normalfall des Nichtverstehens besteht nach Kogge (2002) folglich darin, dass zwischen dem Aufkommen eines Zweifels bis zu seiner Beseitigung konstruktive Verstehensprozesse ausgelöst werden. Der skeptischen Hermeneutik geht es in diesem Sinne nicht um die Auflösung oder Verwässerung unterschiedlicher Positionen oder eine vordergründige Kompromissbereitschaft (Toleranz), sondern gerade um die Wahrung des Rechts auf, und die Betonung der Notwendigkeit von Differenz und Dissens. Folgerichtig entwickelt die skeptische Hermeneutik aus der Affirmation von Differenz und Dissonanz auch für den Unterricht die Forderung, Fremdheit als Lernimpuls aktiv nutzen zu sollen, anstatt sie auflösen zu wollen. Ein anderes Verständnis von Verstehen führe nicht wirklich zu einer Anerkennung der Andersartigkeit. Will man diesen Ansatz im Fremdsprachenunterricht produktiv umsetzen, genügt es folglich nicht mehr, in der Landeskunde fixierte Normen vorzugeben, nachzustellen oder zu deuten.

      2.1.6 Zusammenfassung

       Anhand verschiedener Bereiche der Jugendsprache konnte gezeigt werden, wie soziale Identität in der Kommunikation konstituiert wird und dass die sprachlich konstituierten Gruppenzugehörigkeiten zudem der sozialen Sanktionierung bedürfen.

       Die unterschiedlichen Rollen, zwischen denen Menschen in der Kommunikation hin- und herwechseln, lassen sich durch unterschiedliche Zugehörigkeiten zu größeren und kleineren Kollektiven erklären.

       Allerdings lässt sich durch diese Zuschreibungen nicht erklären, in welchem Wechselverhältnis die unterschiedlichen Kollektive sich beeinflussen.

       Kritisch reflektiert wurden zudem die Konvergenz- und Divergenzhypothese im Kontext der transkulturellen Kommunikation.

       Um die inhärente Statik und Binarität dieser Hypothesen und anderer Konzepte zu überwinden, die die interkulturelle Kommunikation beherrschen, wurde der Begriff der Transkulturation als Prozessbegriff erläutert.

       Schließlich ging es darum zu zeigen, wie sich die ständigen Austauschprozesse von Eigenem und Fremdem mit der skeptischen Hermeneutik („Normalität des Fremden“) als didaktischem Ansatz des Fremdsprachenunterrichts umsetzen lassen.

      2.1.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle

      1 Wie verhält sich Languaging zu Kreolisierungsprozessen?

      2 Welche Auswirkungen hat die Divergenzhypothese in Bezug auf sprachliche Förderprogramme und Sprachenpolitik?

      3 Inwiefern unterscheiden sich die Konzepte Transkultur und Transkulturation?

      4 Wie beschreibt Hunfeld die wichtigsten Schwierigkeiten des Fremd-Verstehens?

      2.2 Transdifferenz

      Jörg Roche

      Wie Sie bereits an mehreren Stellen sehen konnten, ist interkulturelle Kommunikation weitaus mehr als die Beschäftigung mit Alterität und die Überwindung von vermeintlich kulturellen Unterschieden. Auch kann es nicht nur um ein toleranzbasiertes Verständnis im Sinne von Akzeptanz des Fremden gehen, wenn dieses Bedingung für die interkulturelle Begegnung und nicht Ergebnis von Verstehensprozessen sein soll. Es geht vielmehr um die Sichtbarmachung – und Nutzung – teilweise unbewusster Verstehensprozesse von Menschen in mehrkulturellen und mehrsprachigen Gesellschaften und um den produktiven Umgang mit dem Fremden. Dabei geht es nicht um einzelne Bereiche einer mehr oder weniger definierbaren Kultur, sondern um den grundsätzlichen Umgang mit Wissen. Es ist davon auszugehen, dass unser gesamtes Wissen nicht in statischen Schubladen (oder Speichern) abgelegt ist, sondern sich vielmehr dynamisch organisiert und daher ständig in verschiedenen Akkomodations- und Assimilationsprozessen verändert. Bemerkenswert ist, dass trotz aller Dynamik auch ältere Wissensbestände (Einstellungen, Werte, Meinungen, …) weiterhin zugänglich bleiben und unser Handeln unterschiedlich beeinflussen können. So kommt es oft auch zu widersprüchlichen Einstellungen und Handlungen bei derselben Person. Statt also von statischen Konzepten von


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