Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов

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Einschätzungen mit zunehmender Kontakterfahrung hin, denn ehemalige Austauschstudentinnen und -studenten weisen auf einen vermehrten Wunsch nach zukünftigem beruflichen Bezug zu Deutschland hin. Es zeigt sich an der Art und Weise der Beschreibungen, dass die Austauschstudenten insgesamt ein differenzierteres Bild des Fremden entwickeln. Das nur auf vermittelten und nicht auf eigenen Erfahrungen beruhende und durch stereotype Annahmen geprägte Ausgangsniveau erweist sich als oft zu positiv besetzt. Sato-Prinz (2011 und Lerneinheit 7.3 in diesem Band) folgert in Anlehnung an Grünewald (2004), dass die Veränderungen mit zunehmendem Kontakt eine realistischere Einschätzung der fremden Kultur und – bedingt auch der eigenen – bewirken (siehe auch Budke 2003). In den Beschreibungen der Studenten offenbart sich allerdings keine allzu große Differenzierung des Eigenbildes durch den Kontrast zur fremden Kultur. Die Definitions- und Wahrnehmungskriterien werden demnach vor allem in Bezug auf das Bild der fremden Kultur verfeinert. Mit Markus und Kitayama (1991) kann also gefolgert werden, dass kulturspezifische und individuelle Faktoren zusammenwirken und konstitutiv – und zu einem gewissen Grade gegen äußere Einflüsse resistent – bei der Konstruktion des Selbst mitwirken:

      It is important to note, however, that our initial observations lead us to believe that there is also substantial within-culture variation in the construal of the self. Thus, within each culture, there is likely to be a distribution of people ranging from those who are most concerned with independence to those who are most concerned with interdependence. Moreover, within each culture, there is also likely to be significant divergence in how the self is construed on the basis of gender, ethnicity, religion, region of the country, and according to historical and generational cohort. (Markus & Kitayama 1991: 20)

      Die Vorstellung, einfacher Kontakt von Kulturen führe automatisch zu interkulturellem Verstehen, bedarf daher kritischer Betrachtung:

      Contrary to popular belief, inter-group contact does not necessarily reduce inter-group tension, prejudice, hostility and discriminatory behavior. Yet one often hears politicians, church leaders and other public figures saying that if only people of diverse cultural backgrounds could be brought into contact with each other, they would surely develop a mutual appreciation of their points of view and grow to understand, respect and like one another. (Bochner 1982: 16)

      Ein belastbarer Fortschritt lässt sich durch die postulierte Kontrastierung von vermeintlich Eigenem und Fremdem nicht verzeichnen, solange nicht die Bedingungen des kognitiven Apparates berücksichtigt werden. Lerneinheit 7.3 von Sato Prinz zeigt, wie dieser kognitive Apparat mittels Akkommodations- und Assimilationsprozessen die neu gemachten Erfahrungen in bestehende, mehr oder weniger verfestigte Bilder, Einstellungen und Verhaltensformen in Bezug auf die Ausgangs- und die Zielkultur restrukturierend integriert und dabei auch gegenläufige Veränderungen bewirkt, zum Beispiel in Bezug auf Generalisierungs- und Differenzierungsstrategien.

      1.3.3 Das 5-Phasenmodell der interkulturellen Sprachdidaktik

      Den Weg zur Horizontverschmelzung als Kernelement der interkulturellen Hermeneutik betrachten die interkulturelle Sprachdidaktik und verwandte Ansätze als graduell bewältigbaren Prozess der Annäherung. An Modellen der sukzessiven Annäherung an das Fremde orientieren sich unter anderem die Lehrwerke Sichtwechsel (Hog, Müller & Wessling 1984), Typisch Deutsch? (Behal-Thomsen, Lundquist-Mog & Mog 1993) und Für- und Widersprüche (Roche & Webber 1995), die bemerkenswerterweise alle aus der gleichen Epoche stammen, aber keine Nachfolger gefunden haben. Ihre Fortsetzung finden die Ansätze der interkulturellen Sprachdidaktik in der stärkeren Fokussierung auf Aspekte der Transkulturation (Ehrhardt 2009; Reimann 2008; Rieger 2008; Engelbert 2008; Birk 2008; Brunnhuber 2008; Janich 2002; Agar 1994). Wie man sich den Annäherungsprozess vorstellen kann, illustriert das 5-Phasenmodell der interkulturellen Sprachdidaktik. Es bietet eine Orientierung für eine Vorgehensweise, die zu multiperspektivischem Lernen führen soll und mit mehr oder weniger unterrichtlicher Steuerung eingesetzt werden kann. Sein Ablaufschema liegt dem Lehrwerk Für- und Widersprüche (Roche & Webber 1995) zugrunde. Das Modell impliziert, dass die präsentierten Themen auf das Interesse der Lerner stoßen und somit authentische (für die Lerner relevante) Prozesse der intellektuellen Auseinandersetzung mit interkulturellen Thematiken auslösen, die die Ausgangskultur und -sprache der Lerner mitberücksichtigen. Über verschiedene didaktische Schritte lässt sich der Fremdheit erschließende Zugang (neben anderen) operationalisieren. Dabei ist eine unterrichtsmethodische Reduzierung oder Auflösung der Fremdheit weder Bedingung noch Ziel des Verfahrens.

      Trotz verschiedener Ähnlichkeiten zu Bennetts Modell von interkultureller Kommunikation (1993) handelt es sich beim 5-Phasenmodell nicht um eine Ableitung davon. Der Zugang zum Fremdverstehen erfolgt nicht global, sondern in Teilbereichen, wie es für didaktische Verfahren üblich ist. Die Stufen des 5-Phasenmodells der interkulturellen Sprachdidaktik gestalten sich folgendermaßen:

Phase Aktivitäten
1. Aktivierungsphase Formulierung der ersten Reaktionen auf das Thema Herstellung der Relevanz Aktivierung des Vorwissens
2. Thematische Differenzierungsphase Herausforderung oder Bestätigung eigener Ansichten, Meinungen und Einstellungen der Lerner weitere Exploration
3. Strukturelle Differenzierungsphase Bearbeitung der Aufgaben des Themas anhand diverser Hilfestellungen
4. Expansionsphase Vervollständigung der thematischen Differenzierung Einbringen und Sammeln neuer Perspektiven Erweiterung der inhaltlichen Diskussion
5. Integrationsphase Erläuterung kontroverser Perspektiven Hervorhebung der sprachlichen Variation in unterschiedlichen Textsorten

      Tabelle 1.1: Die Stufen des 5-Phasenmodells

      1 Die Aktivierungsphase (Vorentlastung) ermöglicht es den Lernern, ihre ersten Reaktionen auf das Thema einer Lerneinheit zu formulieren und zu ordnen sowie die Relevanz für sich herzustellen. Die wichtigsten sprachlichen und konzeptuellen Fragen, die bei der Durchführung der Aufgaben eine Rolle spielen könnten, werden bearbeitet, und Hilfen werden zur Verfügung gestellt. Vorwissen wird aktiviert, meist durch Assoziationen. Die Lerner können aktiv an der Findung und Formulierung des Themas beteiligt sein.

      2 Die thematische Differenzierungsphase (in Form eines ersten Haupttextes, einer ersten Aktivität oder einer Sammlung von kürzeren Texten) gibt eine bestimmte Perspektive zum Thema wieder, die die Ansichten, Meinungen und Einstellungen der Lerner herausfordert oder bestätigt und damit zu weiterer Exploration führt. Das Thema und ein angemessener Behandlungsmodus werden somit gleichzeitig etabliert. Wichtige sprachliche Mittel zur Lösung der anstehenden Aufgaben werden zur Verfügung gestellt. Assoziatives Denken und Vergleichen werden gefordert und gefördert, um so Reflexionen auszulösen und zu ersten Schlussfolgerungen zu führen.

      3 Die strukturelle Differenzierungsphase (Kontextualisierung / Spezialisierung) stellt verschiedene Hilfsmittel zur Bearbeitung der Aufgaben des Themas zur Verfügung: Informationsquellen (inklusive Internetrecherchen), Methoden, Techniken und Strategien für den vertieften Umgang mit dem Thema wie zum Beispiel Grammatik, Wortschatz und Lernstrategien. Auch diese Hilfsmittel werden interkulturell vermittelt und erarbeitet, und zwar, soweit möglich, mit thematischem Bezug auf die entsprechende Lerneinheit. Teile dieses Abschnittes können auch als „Auszeiten“ für grammatische oder strategische Vertiefungen arrangiert werden. Stärker strukturierte Formen des Denkens, wie das konzeptuelle (bedeutungsbezogene) und taxonomische (ordnende) Denken, treten dabei in den Vordergrund.

      4 Die Expansionsphase vervollständigt die thematische Differenzierung in Bezug auf Information, Spezifik beziehungsweise Perspektive. Hier werden neue Perspektiven eingebracht und versammelt, um damit die (inhaltliche) Diskussion zu erweitern und um die bestehenden Perspektiven der Lerner weiter entwickeln zu helfen. Zusätzliche Vergleiche und Reflexionen werden initiiert. Deduktives Denken tritt hierbei


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