Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов

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Erkenntniswert sich aus vereinfachenden und stereotypen Feststellungen ergibt und wie die Lerner damit auf authentische Kulturbegegnungen vorbereitet werden, ist nicht belegt. Meist sagt die Charakterisierung mehr über den Autor beziehungsweise die Autorin und die Betrachter und Betrachterinnen als über die fremde Kultur aus, die damit vermeintlich beschrieben wird.

      Für diese Art der faktenbasierten, größtenteils dekontextualisierten Kultur- beziehungsweise Landeskunde hält Byram daher den Begriff background studiesbackground studies für symptomatisch und repräsentativ. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Stern (1991: 342) in Bezug auf den Umgang mit fremdsprachiger Literatur im Unterricht. Die vier wichtigsten Typen der traditionellen Landeskunde-Präsentation beschreibt sie in Introduction to Cultural Context, Culture Aside, Culture Capsule, Group Work on Culture.

      Als Hintergrundinformationen werden in der Landeskunde-Präsentation typische, oft stereotype Informationen angeboten, aber auf die Rezeptionsbedingungen des Lerners wird kaum Rücksicht genommen. Das folgende Beispiel illustriert, wie in Kulturecken (culture capsulesculture capsules) und dergleichen Landeskunde segregiert präsentiert wird.

      Abbildung 1.3: Segregierte und limitierte Kulturvermittlung in Treffpunkt Deutsch (Widmaier & Widmaier 2000: 23)

      Das Konzept von Landeskunde entspricht in diesem Lehrwerk dem traditionellen, auf reduktionistische Fakten begrenzten. Dieses Konzept schließt nicht mit ein, dass Landeskunde auch in der Thematik sowie in den Kommunikationsmitteln ihren Ausdruck findet. Repräsentativ ist ferner der ethnozentrische Ausdruck der Ausgangsperspektive der Autoren, wie sich in Bezug auf die Präsentation französischer Landeskunde ganz besonders gut illustrieren lässt. Ausgehend von der civilisation als der ‚Gesamtheit der Eigenschaften einer Gesellschaft‘, ist der Bildungsbegriff culture als Teil der civilisation zu verstehen (zur Inhaltsorientierung und dem kollektiven Bilungsstand in der französischen Landeskundevermittlung siehe Venohr 2007: 73–76). Das fremde Universitätsleben wird in Abbildung 1.3 kontrastiv (als negatives Gegenstück) zu den schulischen Kriterien der (amerikanischen) Hochschulkultur dargestellt. In dieser Hochschulkultur sind Kriterien wie Aufsicht und Anleitung, Anwesenheitspflicht und Klausuren wichtiger, als sie es im deutschen Hochschulsystem im Jahre 2000 noch waren. So wird einem stereotypen Bild der Zielkultur Vorschub geleistet, das durch das begleitende Foto noch verstärkt und damit von kritischen Zugängen abgeschirmt wird. Studentinnen und Studenten in Deutschland, die das Hochschulsystem vor der Bolognareform gekannt haben, werden sich in dieser selektiven Darstellung ihres Universitätslebens kaum wiederfinden können.

      Mit multikulturellen Lehrplänen, multidisziplinären beziehungsweise multinationalen Kulturkursen und ‑programmen, mit der Identifizierung von Kontaktzonen und der Definition von Kultur als fünfter Fertigkeit (cultural proficiencycultural proficiency) wird versucht, Typisierungen und Reduktionen entgegenzuarbeiten. Es geht vorwiegend um die Rekonstruktion besseren Wissens. Die unterschiedlichen Ansätze werden hier skizziert.

      1.2.4 Dimensionen interkulturellen Trainings

      Ziel des interkulturellen Trainings ist es, mithilfe vermeintlich allgemeingültiger Kategorien kulturelle Eigenschaften, Orientierungen, Dimensionen oder Denk- und Deutungsmuster zu beschreiben, die über die dadurch herstellbare Vergleichbarkeit den schnellen Zugang zu fremden Kulturen ermöglichen. In Lerneinheiten 3.1 und 3.2 von Ulrich Bauer wird gezeigt, welchen Einsatz Verfahren finden können, die nicht von statischen Kulturzuschreibungen ausgehen. Hier sollen jedoch die verbreiteten Modelle interkulturellen Trainings kritisch dargestellt werden, weil sie oft – unkritisch und unreflektiert – in der Praxis herangezogen und gelegentlich auch für Forschungszwecke zitiert oder bemüht werden. Die massenhafte Anwendung täuscht dabei über die wissenschaftliche Problematik dieser Ansätze leicht hinweg. Deswegen ist es wichtig, ihre Grundlagen zu kennen. Der ehemalige IBM-Mitarbeiter Hofstede (1991) etwa betrachtet Kultur als mentale Software, die in einem Sozialisierungsprozess kulturell programmiert wird. Im Laufe dieser Sozialisation und vor allem in der Primärsozialisation, der Kindheit, erwerbe das Individuum bestimmte Muster des Denkens, des Handelns und des Fühlens, die als Werte und Haltungen umschrieben werden. Diese fasst Hofstede in folgende Dimensionen und weist ihnen eine Polarität zu:

       power distance (PDI, Machtdistanz – Machtnähe);

       individualism versus collectivism (IDV, Individualität – Kollektivität);

       masculinity versus femininity (MAS, Maskulinität – Femininität);

       uncertainty avoidance (UAI, Toleranz der Unsicherheit);

       long-term versus short-term orientation (LTO, langfristige – kurzfristige Zeitorientierung);

       indulgence versus restraint (IVR, Befriedigung – Einschränkung).

      Auf der Grundlage umfangreicher Befragungen (mit vorgegebenen Kriterien und Skalen) lässt sich damit für jede Nationalkultur ein Profil erstellen. In Deutschland gibt es demnach eine niedrige Distanz zur Macht, eine flache Hierarchie, eine mittlere Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung und eine mittlere bis höhere Tendenz zum Individualismus. Durch eine Skalierung lassen sich die Dimensionen operationalisieren. So erreicht Singapur den Wert 20 (aus 100) auf der Kollektivitäts- beziehungsweise Individualitätsskala, was es zu einem relativ kollektivistischen Land macht, während die USA mit dem Wert 91 als relativ individualistisch gelten. Guatemala erzielt bei dieser Dimension den niedrigsten Wert, ist also die kollektivistischste Kultur der Welt, Schweden die feministischste.

      Eine dynamische Komponente oder eine Entwicklungskomponente der Dimensionen ist bei Hofstede nicht vorgesehen. So bleibt ungeklärt, wie es zur Ausprägung der vermeintlichen Kulturspezifika und ihrer möglichen Weiterentwicklung kommt. Die fehlende Dynamik im Ansatz von Hofstede hat zudem Auswirkungen auf das homogene Kulturverständnis seines Modells, nach dem alle Individuen einer Kultur mit derselben „Software“ ausgestattet sind und somit die Existenz interindividueller Unterschiede weiterer Faktoren außer Acht gelassen wird.

      Auch Trompenaars (1993) geht in seinem Ansatz ähnlich vor wie Hofstede. Anders als Hofstede betrachtet er Kultur aber als einen dynamischen Prozess des Lösens menschlicher Probleme. Die Betrachtung beschränkt er dabei auf menschliche Beziehungen, Zeit und Natur. Den Gesamtbereich der menschlichen Existenz bezieht Trompenaars‘ Modell nicht mit ein. Trompenaars charakterisiert Kultur anhand eines Zwiebelschalenmodells. Nach außen hin sichtbar sind die explizite Kultur, die Gegenstände und Produkte. Man kann sagen, die Artefakte. Die mittlere Schalenebene stellen Definitionen einer Gruppe, Werte und Normen dar. Im Kern befinden sich die grundlegenden Annahmen über die Existenz impliziter Kultur. Es handelt sich also um ein dreistufiges Modell, dessen Darstellungsrichtung von innen nach außen geht. Auch Trompenaars’ Modell liegt die Annahme zugrunde, dass die Kultur homogen sei und einer Nationalkultur entspreche. Kulturelle Stratifikationen oder andere Differenzierungen kommen in dem Modell ebenfalls nicht vor.

      Trompenaars (1993) verwendet dafür die folgenden universalen Kriterien zur Bestimmung kultureller Werte:

       in der Beziehung mit Menschen: Universalismus versus Partikularismus, Individualismus versus Kollektivismus, Neutralität versus Affektivität, Spezifik versus Ungerichtetheit, Erbringung versus Zuschreibung beziehungsweise Zufallen von Verdiensten;

       in Einstellungen gegenüber der Zeit: Linearität versus Zirkularität;

       in Einstellungen gegenüber der Umwelt: Kontrolle innerhalb des Individuums versus Kontrolle innerhalb der Natur.

      Zu Trompenaars‘ Modell gibt es ebenfalls Operationalisierungversuche auf Basis bipolarer Skalen, auf denen die Begriffspaare angeordnet werden. So ergibt sich ein bestimmter Grad (Wert) der Merkmalspolarität (vergleiche dazu auch die verwandten Einteilungen von Brake, Walker & Sullivan 1992).

      Von drei Ebenen geht auch das Verhaltensmustermodell von Meyer (1991) aus. Auf der monokulturellen


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