Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов

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der interkulturellen Ebene erfolgen informations- und wissensbezogene Relativierungen kultureller Differenzen ähnlich den Dimensionen oder Kulturstandards in anderen Ansätzen. Auf der transkulturellen Ebene erfolgt schließlich das kulturübergreifende Verstehen mittels Aushandlungsprozessen, die auf der Basis internationaler Kooperations- und Kommunikationsprinzipien operieren. Wie diese Prozesse sich entwickeln, ablaufen und vermittelbar sind, erklärt auch dieses Modell nicht.

       Experiment

      Auf der Webseite www.clearlycultural.com lassen sich die Daten vieler Länder zu Hofstedes kulturellen Dimensionen ablesen und vergleichen.

      Gehen Sie auf die Webseite und vergleichen Sie Ihr Heimatland mit einem Zielland Ihrer Wahl, dessen Kultur Sie gut kennen und einordnen können. Würden Sie den Vergleichsergebnissen zustimmen? Was sehen Sie kritisch? Tauschen Sie sich mit Personen in Ihrem Umfeld, die ebenfalls beide Kulturen gut kennen, aus.

      Viele Verfahren des interkulturellen Trainings beziehen sich auf die Arbeiten von Hall und Hall (1990), Hall (1976). Auch er betrachtet Kultur als „riesigen, komplexen Computer“, der spezifische zugrundeliegende Strukturen (basic patterns) aufweist. Mitglieder einer Kultur teilen demzufolge verinnerlichte Verhaltenscodes und unbewusste Bedeutungszuschreibungen, eine „Silent Language“, miteinander. Hall strukturiert interkulturelle Kommunikation – wie Hofstede nach ihm – mittels verschiedener Dimensionen. Diese Dimensionen betreffen bei ihm aber die Formen der Entscheidungsfindung, der Kommunikation, der Organisation, der Innovation, der Anerkennung und der Kontrolle. Die zwei wichtigsten Gruppen, die sich aus den Dimensionen ergeben, sind die high context Kulturen und die low context Kulturen. In den high context Kulturen ist es weniger üblich, die Dinge direkt beim Namen zu nennen, ihre Bekanntheit wird implizit vorausgesetzt und das Erwähnen zahlreicher Details kann als negativ empfunden werden. Der Gesichtsausdruck der Gesprächspartner beziehungsweise -partnerinnen, Anspielungen, die Umstände der Begegnung und viele Kontextfaktoren sind nach Hall in Kulturen mit hohem Kontext eigene nicht zu unterschätzende Informationsträger. In Kulturen mit low context erwarte man nicht, dass der Großteil der Information bereits bekannt oder ohne sprachlichen Ausdruck erkennbar sei. Sprecher fühlen sich verpflichtet, möglichst präzise Angaben zu machen. Auch das kulturtypische Zeitverständnis spielt bei Hall eine konstitutive Rolle. Hall unterscheidet tendenziell zwischen monochronen und polychronen Kulturen. In monochronen Kulturen ist es demnach üblicher, das heißt, es wird mit größerer Wahrscheinlichkeit als normal akzeptiert, einzelne Arbeitsschritte nacheinander zu tun. Hier sei das Einhalten des Zeitplans sehr wichtig, die Erledigung von Aufgaben zähle mehr als die Pflege persönlicher Beziehungen. In polychronen Kulturen gelte das Erledigen mehrerer Handlungen nebeneinander als eher üblich. Der Zeitplan sei ein Kann, aber kein Muss, Angehörige polychroner Kulturen seien flexibler und setzten die Priorität auf persönliche Beziehungen. Die Erledigung einer Aufgabe sei dagegen eher nachrangig. Eine ähnliche grundlegende Bedeutung hat auch die räumliche Organisation. Hall hebt dabei die Bedeutung von Distanzzonen hervor. Das sind Räume, die von Individuen unbewusst als intime, persönliche und öffentliche Distanzzonen unterschieden werden. Diese können sich mit steigender Vertrautheit zwischen Personen verändern. Je nach Kultur haben diese Zonen jeweils unterschiedliche Ausmaße.

      Zu welchen Ergebnissen Charakterisierungen dieser Art kommen, kann man anhand von vermeintlich nationalen Orientierungen und Charakteristika in praktischen Handreichungen ablesen, wie es exemplarisch die Beschreibung „der Österreicher“ in dem amerikanischen interkulturellen Ratgeber Kiss, Bow and Shake Hands (Morrison & Conaway 2007) tut:

      Abbildung 1.4: Kulturorientierung „der Österreicher“ nach Morrison und Conaway (2007: 6f)

      Detailbeschreibungen zu wichtigen Verhaltensmustern werden in diesem Ratgeber von Morrison und Conaway (2007: 366) im Anschluss an die globale Darstellung der nationalen Eigenschaften in wenigen Kategorien knapp zusammengefasst. Hier zur Illustration ein Beispiel, wie „der Schwede“ sich zur Gestik verhält:

      Abbildung 1.5: Gestik „der Schweden“ nach Morrison und Conaway (2007: 366)

      Die stereotype, deterministische Darstellung von Kulturen, die nicht erklärt, wie sich die Dimensionen oder Standards entwickeln, die nicht auf Binnendifferenzierung, Veränderbarkeit, Dynamik, Identitätsbildung und Gruppenzugehörigkeit eingeht, wird in den Kulturwissenschaften zunehmend kritisiert.

      Dabei wird in der Regel eher implizit, ein essentialistisches und homogenisierendes Verständnis von ‚Kultur‘ bzw. ‚Kulturen‘ vorausgesetzt, wonach es sich bei ‚Kulturen‘ um reale, nach außen mehr oder weniger klar abgegrenzte und nach innen meist mehr oder weniger homogene, meist national oder ethnisch definierte Gruppen von Menschen handelt, die ‚objektiv‘ bestimmte Gemeinsamkeiten des Verhaltens, Wahrnehmens, Denkens und Fühlens ausweisen. […] Homogene Nationalkulturen, wie dieser Begriff sie unterstellt, hat es – zumindest in modernen Industriegesellschaften – wohl noch nie gegeben. (Altmayer 2006: 48)

      Homogenisierung und Banalisierung kultureller Prinzipien versucht der Deutungsmuster-Ansatz mittels interpretativer Verfahren zu vermeiden. Als Grundlage dienen ihm dafür kulturelle Produkte aller Art, vor allem auch sprachliche.

      1.2.5 Kulturelle Deutungsmuster

      Das Konzept des DeutungsschemaDeutungsschemas geht zurück auf die sozialphänomenologische Wissensanalyse von Alfred Schütz (1932) und baut auf der Differenz von subjektiver und objektiver Perspektive auf. Die subjektive Perspektive bezieht sich auf die Konstruktion des Sinnverstehens des Subjekts, die objektive Perspektive stellt demgegenüber eine Konstruktion von sozialen Gesetzmäßigkeiten aus der Beobachterperspektive dar (Reckwitz 2008: 369). Die Unterscheidung der beiden Perspektiven dient als Grundlage einer Differenzierung verschiedener Konstellationen des Fremdverstehens. Hier unterscheidet Schütz, ob es sich um fremde Bewusstseinserlebnisse oder lediglich Handlungsobjektivationen handelt, ob sich das Fremdverstehen auf instrumentelles oder signifikatives Handeln richtet, in welchem räumlichen und zeitlichen Verhältnis sich Interpret und das zu Verstehende zueinander befinden und in welchem Handlungskontext die Verstehensakte zueinander stehen (Reckwitz 2008: 379ff). Situativität und Pragmatik der Perspektive spielen demnach eine entscheidende Rolle. Als zentrales Konzept gelten Deutungsmuster bei Oevermann (1979). In Oevermanns Verständnis geben Deutungsmuster den Rahmen für die Deutungsmöglichkeiten der Akteure, bringen aber Handeln nicht selbst hervor.

      Der landeskundlich verdichtete Ansatz, Zugang zu anderen Kulturen über kulturelle Deutungsmusterkulturelles Deutungsmuster zu finden, manifestiert sich im Gegensatz zu dem subjektiven, von verschiedenen Faktoren abhängigen, dynamischen Charakter des Deutungsschemas vor allem in der Rekonstruktion einer objektivierbaren Perspektive aufgrund kultureller Erscheinungen. Unter kulturellen Deutungsmustern versteht man in der Landeskunde – anders als in der Sozialphänomenologie von Schütz – musterhaft verdichtete und im kulturellen Gedächtnis gespeicherte Einzelelemente des Wissens einer Gesellschaft. Im alltäglichen Sprachgebrauch, aber auch in anderen Medien und Registern werden Deutungsmuster aktiv. Altmayer (2010) geht davon aus, dass diese Muster in der Regel implizit und selbstverständlich als allgemein bekannt und akzeptiert vorausgesetzt werden können. Die Aufgabe kulturwissenschaftlicher Forschung bestehe demnach vor allem darin, die kulturellen Deutungsmuster zu rekonstruieren, sie auf die Ebene des Expliziten zu heben, sichtbar und damit auch lernbar zu machen (Altmayer 2010). Kulturelle Deutungsmuster weisen folgende Charakteristika auf. Sie

       enthalten abstraktes und typisiertes Wissen über einen Erfahrungsbereich;

       dienen dazu, neue Erfahrungen und neue Informationen zu den bestehenden Wissensstrukturen in Beziehung zu setzen;

       sind durch Ablagerungen erfahrungsgesättigt, aber nicht durch individuelle, sondern kollektive Erfahrungen;

       weisen


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