Das geistige Straßburg im 18. und 19. Jahrhundert. Группа авторов
quibusdam male feriatis et, literas quippe ignorantibus, literarum bonarum contemtoribus, infra dignitatem Principis esse disciplinis applicare animum blaterantibus; et indecorum esse illustres animas onerare studiis, iis relinquendis, qui non vitae sed scholae nati; Imperatorem non literas sed arma debere nosse; defectum doctrinae ministros in consilium adhibitos supplere posse, garrientibus.25
Für die Publikationsschwemme des beginnenden 18. Jahrhunderts war in der Tat die „Schreibsucht“ der Gelehrten selbst verantwortlich zu machen, während die falschen Einflüsterungen auf das Konto jener Höflinge gingen, die den seit dem 16. Jahrhundert propagierten Paradigmenwechsel hin zur profunden Adelsbildung offenbar nicht mitgemacht hatten. Indirekt wird hier ein Schulterschluss von Universität und Hof gefordert, mit dem Ziel, dem Fürsten jenes Maß an gelehrter Bildung zuteil werden zu lassen, dessen er für eine gute Amtsführung bedarf – und von dem letztlich auch eine angemessene Würdigung des Gelehrtenstandes zu erhoffen ist. Angesichts der klar geäußerten Intention einer Kritik verfehlten Verhaltens mag es des Weiteren überraschen, dass die „Fehler der Widmungsschreiber“ im Grunde nicht ausführlicher behandelt werden als die „Tugenden der Widmungsschreiber“, denn der auf Seite vierzehn beginnende Passus über die Rechtfertigungsgründe bildet eigentlich bereits einen Übergang und die Episode über die provozierend gemeinte Widmung des sozinianischen Katechismus an die lutherische Universität Wittenberg26 erzählt von einem Sonderfall. Deutlich wird an den beiden zentralen Vorwürfen, die man vielen Widmungsschreibern machen kann – Ruhmsucht und Geldgier,27 die Anknüpfung an die Schriften von Mencke, Lilienthal und anderen, von denen es im Proömium hieß: „Qui omnes id strenue agunt, ut larva detracta, inanes pudendasque <doxophilias> et <philargyrias> eruditorum artes omnium oculis conspiciendas sistant.“28
Während die Abschnitte über die gelehrten Widmungsschreiber klar normativ organisiert sind, haben die Ausführungen über die Widmungsempfänger eher deskriptiv-anekdotischen Charakter, allerdings werden auch hier Forderungen wie die nach einer höheren Bildung des Adels formuliert. Etwas ungewöhnlich präsentiert sich schließlich der letzte Teil des Thesendruckes: An der Stelle der eine dissertatio häufig abschließenden corollaria, ergänzender Thesen mit lockerem Bezug zum Hauptteil, findet sich ein Abschnitt mit vier cautelae, praxisbezogenen Ratschlägen, auf die später eingegangen werden soll. – Einen Hinweis verdient noch der bereits als Überleitungspassus benannte Paragraf „Vindiciae pro quibusdam dedicantibus“.29 Hier bemerkt man nicht nur den apologetischen Ton, sondern auch eine Art von Scham angesichts des Umstandes, dass die notorisch geldknappen Gelehrten sich ihre Widmungen zuweilen bezahlen lassen müssen. Wenn es als besonderer Fall herausgestellt und mit Zitaten belegt wird, dass manche Autoren „ut familiam alant, mercede a mercatoribus invitati libros scribunt“,30 erscheint der Gedanke an den „Verkauf“ einer Buchwidmung besonders fragwürdig. Silberrad belegt die prekäre finanzielle Situation der gelehrten Autoren mit den denkbar unverdächtigsten Zeugnissen: Eingerahmt von bekräftigenden Sentenzen aus der Antike präsentiert er mehrere Dokumente, in denen er „unicum Erasmi patria Roterodami exemplum“31 als Gewähr für die Ausweglosigkeit einer Gelehrtenexistenz vorführt. Die einschlägigen Zitate aus Erasmus’ Briefen und sonstigen Schriften werden in den Fußnoten minuziös nachgewiesen, so als wollte Silberrad diese heikelste Frage gelehrter Selbstpositionierung ausschließlich mit der unangreifbaren Autorität des Erasmus, doch mit umso zuverlässigeren Belegen, beantworten. Tatsächlich stößt der nachschlagende Leser in dieser Dokumentation auf ein bewegendes Zeugnis aus der Feder des großen Humanisten, die sorgfältige apologetische Auflistung seiner Widmungen und der Absichten, die er mit diesen verfolgt oder nicht verfolgt hat.32
5. Im Folgenden soll die These, wonach die Disputation auf eine Selbstverständigung der Gelehrten abzielt, an drei Beispielen belegt werden, die auf Aspekte der Textualität beziehungsweise Materialität gegründet sind. Vorab sei darauf hingewiesen, dass Silberrads dissertatio ebenso wie vergleichbare Schriften – beispielsweise Jans De fatis dedicationum librorum – kompilatorischen Charakter hat, weshalb die spezifische Nutzung bestimmter Überlieferungsbausteine durch Vergleich recht anschaulich dargestellt werden kann. Hingegen ist eine genaue Rekonstruktion des Weges, den die Quellen jeweils genommen haben, nicht möglich, da Silberrad und seine Kollegen keineswegs nur die bekannten Abhandlungen von Lilienthal und Mencke ausschlachteten und außerdem immer damit gerechnet werden muss, dass sie auch die Originaldokumente – etwa zeitgenössische Gelehrtenbriefsammlungen – konsultierten. Nachweise in den Fußnoten können, müssen aber nicht Anhaltspunkte für den Rückgriff der Autoren auf die ursprünglichen Quellen sein.33
(a) Im Kapitel über die angebliche Geldgier der Widmungsschreiber wird die in vielen gelehrtenkritischen Schriften tradierte Episode von dem französischen Humanisten François Hotman und dem kurpfälzischen Rat Justus Reuber erzählt.34 Die offenbar zwischen beiden vereinbarte Zahlung einer Geldsumme für die Dedikation eines der Werke Hotmans an Reuber kam nicht zustande, weil dem Rat der Preis letztlich zu hoch war. Quelle für die Anekdote ist – unter anderem – die gedruckte Korrespondenz Hotmans,35 auf die die Autoren zuweilen explizit verweisen. Allerdings wird die Geschichte und zugleich ihre Kommentierung nicht selten auch auf anderem Wege überliefert. Die Passage bei Silberrad sei hier vollständig zitiert:
Fr. Hottomannum fatis melioribus dignum virum rogaverat Just. Reuberus, ut sui mentionem publice injiceret, seque, quod risu sane dignum, elogio quodam dignaretur; is ergo simplicitatem hanc et inane gloriae studium, in suos convertendum usus existimans, quas venales habuit laudes, in dedicatione Observationum ad ipsum facienda, ea cum conditione Reubero addixit, si centum Joachimicos praemij loco solvere promitteret. Verum noluit Reuberus tanti emere laudum suarum, quarum alioquin erat appetentissimus cantilenas. Eundem animi characterem in F. Hottomanno etiam notavit A. TEISSIER. Consil. et Historiogr. Pruss. inter alia haec quoque de ipso observans: On voit aussi dans ces lettres qu’il faisoit un negoce de ses Epîtres Dedicatoires, comme plusieurs autres Auteurs, et qu’il cherchoit par tout des Mecenas à qui il put offrir utilement ses livres; qu’il sollicitoit ceux qui étoient auprès des Princes à luy procurer des recompenses considerables, et que lors qu’elles ne repondoient à son atente, il s’en plaignoit et revenoit à la charge. Il paroit par sa lettre 164. qu’il avoit voulu dedier son livre des observations à Reuberus Chancelier du Palatinat, pourveu que Reuberus luy fit présent de cent écus d’or. Mais qu’il luy avoit fait connoître que bien qu’il estimat beaucoup ses louanges, l’état de ses afaires ne luy permettoit pas de les achepter à un si haut prix. Cependant Reuberus luy envoya ensuite trois doubles Ducats d’Arragon pour ses Etrennes. Voyez la lettre 194.36
Silberrad erzählt die Geschichte im Grunde zweimal, zunächst im – nicht markierten – Rückgriff auf Lilienthal, der die Anekdote als Beispiel für Menschen anführt, „qui non nisi aliorum Panegyricis volunt inclarescere“,37 und im Kontext seiner Ausführungen Hotman nicht angreift, ja sein Handeln in der Affäre überhaupt nicht erwähnt.38 Demzufolge wird auch in dieser ersten Erzählung nicht Hotman Gegenstand der Kritik, sondern Reuber, der ja von sich aus in lächerlicher Weise („quod risu sane dignum“) Hotman um die Widmung angegangen sei. Diesem sei dann praktisch nichts anderes übrig geblieben, als die Ruhmsucht des Rates zum eigenen Nutzen zu verwenden („inane gloriae studium, in suos convertendum usus existimans“). Dass Reuber die Widmung letztlich wegen des zu hohen Preises ablehnte, wird dann ziemlich unverhüllt als Geiz bewertet. Scheinbar zur bloßen Illustration des Vorgangs zitiert Silberrad danach aus einer dedikationenkritischen Quelle,39 die die Episode ebenfalls berichtet, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: Demnach sei das Angebot von Hotman ausgegangen, der „faisoit un negoce de ses Epîtres Dedicatoires“ und „cherchoit par tout des Mecenas à qui il put offrir utilement ses livres“. Reuber hingegen habe sich großzügig gezeigt, indem er zwar den hohen Preis aus nachvollziehbaren Gründen nicht zahlte, aber dem Anbieter umsonst ein kleineres Geldgeschenk überreichte. Mit dieser gelehrtenkritischen Alternativversion untergräbt Silberrad eigentlich die Position des eigenen Standes. Es war ihm offenbar wichtiger, verschiedene Perspektiven auf einen heiklen Vorgang zu eröffnen, wozu er sich der Technik des repetitiven Erzählens bediente. Dies scheint eine Besonderheit in der Verwertungsgeschichte dieses „Falles“ zu sein. Auch Jan, der der Anekdote einen ganzen Paragrafen widmet und ebenfalls beide Akteure kritisiert, verfährt anders, indem er zwar mehrere Quellen auswertet und einen ganz