Nietzsche aus Frankreich. Jacques Derrida
nicht vermeinte: heißt das, daß die Abwesenheit der Götter ihn zur Schöpfung neuer Götter antreibt? Oder will er die Wiederkehr der Zeiten verhindern, in denen er die Götter verehrte? Indem er die Götter noch einmal will, will er den Übergang der Menschen zu einem höheren Leben? Doch wie könnte von nun an ein Leben anders höher sein als dadurch, daß es sich dem zuwendet, was schon einmal war? Wie anders als dadurch, daß es sich zu einem Zustand zurückwendet, in dem es die Götter nicht schaffen, sondern verehren wollte? Und so wird noch einmal deutlich, daß die Lehre von der ewigen Wiederkehr als der bloße Schein und das Bild einer Lehre zu verstehen ist, deren parodistischer Charakter von der Heiterkeit als einem Attribut des sich selbst genügenden Daseins zeugt; denn sei’s, daß die Wahrheit im Lachen der Götter explodiert, sei’s, daß die Götter selber in irrem Gelächter sterben – im Grund der Ganzen Wahrheit erschallt das Gelächter:
Sie haben sich selber einmal zu Tode – gelacht!
Das geschah, als das gottloseste Wort von einem Gotte selber ausging – das Wort: »Es ist ein Gott! Du sollst keinen andern Gott haben neben mir!«
Und alle Götter lachten damals und wackelten auf ihren Stühlen und riefen: »Ist das nicht eben Göttlichkeit, daß es Götter, aber keinen Gott gibt?«
Das Lachen ist hier wie das höchste Bild, die höchste Darstellung des Göttlichen, die die ausgesprochenen Götter wieder verzehrt und sie in einem neuen Gelächter wieder ausspricht; denn wenn sich die Götter totlachen, so werden doch aus diesem Gelächter, das vom Grunde der Wahrheit erschallt, die Götter auch wiedergeboren.
Man muß Zarathustras Abenteuer bis zu seinem Ende folgen, um den Widerruf des Bedürfnisses einer Neuschöpfung gegen die Notwendigkeit zu gewahren, die Denunziation der Solidarität zwischen den drei Kräften der Ewigkeit, der Verehrung und der Schöpfung, den drei Kardinaltugenden bei Nietzsche, und zu sehen, daß der Tod Gottes und der Notstand des gründenden Eros, der Notstand des Verehrungsbedürfnisses identisch sind; ein Notstand, den der Schöpfungswille als sein eigenes Scheitern der Lächerlichkeit preisgibt. Denn wenn es die Niederlage ein und desselben Triebs ist, so ist die Lächerlichkeit, die sie wettmacht, auch der Notwendigkeit der ewigen Wiederkehr einbeschrieben: wie er die ewige Wiederkehr aller Dinge gewollt, so hat Zarathustra sich vorab auch für die Lächerlichkeit seiner eigenen Lehre entschieden, als wäre das Lachen, dieser gründlichste Totschläger, nicht bloß der beste Anstifter, sondern der beste Verächter dieser Lehre; so will die ewige Wiederkehr aller Dinge auch die Wiederkehr der Götter. Welchen anderen Sinn könnte die außerordentliche Parodie des Abendmahls haben, bei dem der Mörder Gottes seinen Kelch dem Esel reicht – der Gestalt der Lästerung des christlichen Gottes zur Zeit der heidnischen Reaktion, aber mehr noch dem heiligen Tier der antiken Mysterien, dem goldenen Esel der Initiation in den Isis-Kult, dem durch sein unermüdliches I-A2 – sein unermüdliches JA zur Wiederkehr aller Dinge – der Darstellung göttlicher Langmut würdigen Tiers, würdig also auch, eine antike Gottheit, Dionysos, den Gott des Weins, zu inkarnieren, wiederauferstanden in allgemeiner Trunkenheit. Und in der Tat, wie der Wanderer und Schatten vor Zarathustra erklärt: Tod ist bei Göttern immer nur ein Vorurteil.
Anmerkungen
1 Was man hier flüchtig gewahrt, ist nicht die Rückkehr zu einer Dämonologie: wie viele dunkle Mächte, so viele Dämonen, sondern zu einer Theogonie: wie viele psychische Dispositionen, so viele Götter; wie viele verträgliche oder widerstreitende Dispositionen, so viele sich bekämpfende oder sich vereinigende Gottheiten. Die Dämonologie neoplatonischer Herkunft ist schon auf dem Weg zur Psychologie, einer figurativen Psychologie gleichsam (einer Art Gestaltpsychologie), während die Pantheologie einen Begriff von Raum voraussetzt, in dem das seelische Leben und das des Kosmos einen einzigen Raum bilden, worin sich, was wir »psychisches« Ereignis nennen, als räumliches Geschehen darstellt. Insofern schafft die Pantheologie des Mythos mit seinen Götter-Genealogien, mit seinen Liebesabenteuern von Göttern und Göttinnen ein Gleichgewicht zwischen dem Menschen und seinen Kräften: denn sie finden hier ihren Ausdruck in den ewigen Göttergestalten: die praktischen Konsequenzen eines derartigen Gleichgewichts sind denen einer rein psychologischen Konzeption diametral entgegengesetzt: Bewußtsein und Wille und folglich Moral des Verhaltens. In der Theogonie herrscht nur der Austausch zwischen Gunst und Ungunst des Seins: die Gestalt eines bestimmten Gottes, welche die Gestalt einer bestimmten Göttin nach dem Gesetz der Verfolgung und der erotischen Anziehung entweder anzieht oder abstößt; hier gibt es nicht, was wir uns entschlossen haben reine Umsetzung menschlicher Erfahrung zu nennen, sondern einen Prozeß, der zu den Darstellungen des Seins gehört: der Verkehr der Geschlechter ist unter den Gottheiten eine Auslegung des Seins in den Formen des Erscheinens und des Verschwindens, während er in seiner menschlichen Form nur eine Erfahrung von Leben und Sterben ist. Was bei uns so genannt wird, ist nur eine notwendige Teilnahme an den Auslegungen des Seins in den Gestalten der Götter.
2 I-A: ita est!
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