ZNT - Zeitschrift für Neues Testament 24. Jahrgang, Heft 48 (2021). Группа авторов

ZNT - Zeitschrift für Neues Testament 24. Jahrgang, Heft 48 (2021) - Группа авторов


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Kinder und Kindheit in der antiken Welt, insbesondere im römischen Kontext; sie sind aber auch in der Forschung zu späteren historischen Perioden zu beobachten.3 Im Verein mit den römischen Studien hat sich die Forschung zum NT und zum frühen Christentum inhaltlich wie methodisch an die Spitze der historischen Erforschung von Kindern und Kindheit gesetzt.

      In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten wurden dabei eine Vielzahl von Aspekten wie Geschlecht, Lebensphasen, soziale Schicht, ethnische Vielfalt sowie Behinderung und Krankheit berücksichtigt. Die Forschung ist heute durch eine vitale Interdisziplinarität gekennzeichnet, insbesondere mit den Sozialwissenschaften, z. B. der Sozialgeschichte, der Kulturanthropologie und der Soziologie, sowie mit verschiedenen geisteswissenschaftlichen Bereichen wie Kunst, Altertumswissenschaft, Geschichte, Archäologie und Literatur. In jüngerer Zeit wurden auch die Rechtswissenschaften und die Medizin einbezogen, z. B. im Blick auf die zivilen und religiösen Rechtsvorschriften über Kinder und Krankheiten von Kindern. Aufgrund des interdisziplinären Charakters dieser Forschungen, aber auch aufgrund von Entwicklungen innerhalb des Feldes selbst, hat die Vielfalt der methodischen Ansätze zugenommen. Beispiele für diese breite Palette von Ansätzen sind etwa Intersektionalität und Kinder als Subjekte von Interpretation („childist interpretation“); hiervon später mehr.

      2 Eine wichtige Unterscheidung: „Kinder“ versus „Kindheit“

      Bei jeder Art von Forschung über Kinder und Kindheit ist es notwendig, zwischen diesen beiden Gegenständen zu unterscheiden. Während sich erstere auf Fragen wie die Lebensbedingungen, die sozialen Funktionen oder die Aktivitäten von Kindern bezieht, befasst sich letztere mit Vorstellungen von Kindern als Menschen und Ideen über Kindheit als Lebensphase. Und während sich erstere hauptsächlich auf die Kinder selbst konzentriert, spiegelt letztere in der Regel die Sichtweise von Erwachsenen wider. Beide Perspektiven sind für sich genommen wichtig, da sie auf unterschiedliche Weise spezifische Einsichten vermitteln. Die beiden Kategorien schließen sich natürlich nicht gegenseitig aus, sondern wirken auf einander, was die Beziehung zwischen ihnen, beispielsweise zwischen „Realität“ und „Ideen“ oder „Idealen“, zu einem interessanten Thema macht.

      Eine ähnliche, aber umfassendere Unterscheidung, die man im Auge behalten sollte, ist die zwischen der Perspektive von Kindern und der Perspektive auf Kinder. Während es bei der letzteren darum geht, die Interessen der Kinder zu berücksichtigen, d. h. im Namen der Kinder zu sprechen, zielt die erstere darauf ab, die Dinge aus der Perspektive der Kinder selbst zu sehen und auf die Stimmen der Kinder zu hören.

      3 Die Suche nach Kindern/Kindheit in der Antike und im Neuen Testament

      Die Erforschung von Kindern und Kindheit ist in der Vergangenheit oft auf den Einwand gestoßen, dass es kein ausreichendes Quellenmaterial für solche Studien gibt. Problematisiert wurde auch, wie man Zugang zum Leben der Kinder bekommen kann, wenn denn zutrifft, dass sie nur wenige Spuren in den Quellen hinterlassen haben. Es hat sich jedoch gezeigt, dass das Material viel reicher ist, als traditionell angenommen wurde, und zwar selbst für eine so weit zurückliegende Zeit wie die des Neuen Testaments.

      Zu dieser Erkenntnis hat die interdisziplinäre Forschung dadurch beigetragen, dass sie verschiedene Bereiche wie Linguistik, Kunstgeschichte und Archäologie zusammengeführt hat. Darüber hinaus wurden in dem Maße neue Entdeckungen gemacht, wie die Forschenden einfach eine „neue Brille“ aufsetzten und die bekannten und weniger bekannten Quellen gezielt daraufhin befragt haben, was sie über Kinder und Kindheit mitteilen. In gewisser Parallele zu den feministischen Studien ist es der historischen Forschung zu Kindern und Kindheit gelungen, eine marginalisierte Gruppe wie Kinder in den antiken Quellen ausfindig und sichtbar zu machen.1

      Dies lässt sich leicht anhand des hier behandelten Materials zeigen, an den Schriften des NT. Am anschaulichsten begegnet uns Jesus als Kind in den Kindheitserzählungen bei Matthäus und Lukas, aber auch andere Kinder wie Johannes der Täufer, oder etwa die Kinder vom Kindermord in Bethlehem. In den Wundergeschichten der Evangelien und gelegentlich in der Apostelgeschichte tauchen häufig Kinder unterschiedlichen Alters auf. Sie sind auch unter den Menschen zu finden, die sich um Jesus versammeln und seinen Segen erbitten, und wir begegnen ihnen sogar im Tempel von Jerusalem. In den authentischen Paulusbriefen wie auch in den Deuteropaulinien und den Pastoralbriefen ist von ihnen die Rede (wenn auch nicht so oft), und sie werden auch angesprochen (viel häufiger), in den Pastoralbriefen vor allem in paränetischen Passagen wie den Haustafeln.

      Darüber hinaus können Begriffe, die oft anders übersetzt werden, ein Kind „verbergen“, wie paidion, pais und paidiskē. Auch doulos und doulē können sich auf ein Kind beziehen, da viele Sklaven noch keineswegs das Erwachsenenalter erreicht hatten, jedenfalls nach unserem Verständnis. Auch einige der Jünger Jesu, die als Söhne, z. B. des Zebedäus, bezeichnet werden, können als Kinder angesehen werden, wenn man Jugendliche, „Teenager“, dazuzählt.

      In zahlreichen Fällen tauchen Vorstellungen von Kindern und Kindheit in Form von Metaphern auf, ein Sprachgebrauch, der die weit verbreitete Haltung der Erwachsenen gegenüber Kindern deutlich widerspiegelt. Dies ist besonders häufig bei Paulus der Fall, wenn er die Beziehungen zwischen ihm und den Gläubigen darstellt. Sogar die zentrale und weit verbreitete Metapher von Gott als Vater für Israel oder die Christen kann einen Einfluss auf die Vorstellung davon haben, was es bedeutet, ein Kind zu sein.

      Schließlich, und das ist wichtig, sollten wir die faktische Präsenz von Kindern in den Texten (oder zwischen den Zeilen) in Betracht ziehen, auch wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt werden. Wie in vielen heutigen Kulturen dürften sie auch in der Welt des NT allgegenwärtig gewesen sein – demographische Schätzungen gehen davon aus, dass sie bis zur Hälfte der Bevölkerung ausmachten.

      4 Die Forschungen zur griechisch-römischen Welt

      Die Entwicklungen, die die neutestamentliche Forschung durchlaufen hat, decken sich weitgehend mit anderen Forschungen über Kinder und Kindheit in der Antike und sind eng an diese angelehnt.1 Die einschlägige Erforschung der antiken Quellen begann in den frühen 1980er Jahren und entwickelte sich schnell, vor allem im Blick auf die römischen Verhältnisse, zunächst mit einem Interesse an Familienleben und -strukturen und Geschlechterbeziehungen im Allgemeinen und dann mit einer wachsenden Aufmerksamkeit für die Kindheit als Lebensphase.2 Eine frühe, bahnbrechende Studie (1990) stammt von Mark Golden über Kinder im klassischen Athen. Eine weitere von Jenifer Neils und John H. Oakley (2003)3 konzentrierte sich auf das Erwachsenwerden. Die Forschung zu den klassischen und griechisch-hellenistischen Quellen machte ebenfalls Fortschritte, wenn auch in engeren Grenzen.

      Das Interesse an Kindern und Kindheit in der römischen Welt nahm dagegen noch zu, insbesondere durch wichtige Beiträge von Beryl Rawson und anderen in den 1990er Jahren.4 Ihr letztes Buch über die Kindheit im römischen Italien (2003) war ein Meilenstein in dieser Phase der Forschung.5 Seitdem hat sich die Erforschung der römischen Verhältnisse kontinuierlich weiterentwickelt, zumal in den vergangenen zehn Jahren.6 Die Forschung ist vielfältiger geworden, hat sich weiter spezialisiert, und sie konzentriert sich u. a. auf die Lebensbedingungen von Kindern, ihre Ausbildung, ihre Rolle in Familie und Gesellschaft und ihre kulturelle Stellung. Rechnet man die Arbeiten zu NT und frühem Christentum hinzu, kann man sagen, dass die Studien zur römischen Zeit heute inhaltlich wie methodisch zur Spitze der historischen Forschung über Kinder und Kindheit gehören.

      5 Arbeiten zum Alten Testament und zum Judentum des Zweiten Tempels

      Als Schriftensammlung ist das AT mehr als dreimal so lang wie das NT und umfasst einen Zeitraum von mindestens sechs bis acht Jahrhunderten. Gemessen daran gibt es auf diesem Gebiet vergleichsweise wenig Forschungsliteratur. Erst ab etwa 2008 hat die Forschung auch hier an Fahrt aufgenommen und wichtige, methodologisch innovative Studien zu unserem Thema beigesteuert.1 Es bleiben aber noch viele weiße Flecken auf der Landkarte. Eine aktuelle Übersicht über die bisherigen Forschungen hat Julie Faith Parker (2019) vorgelegt.2

      Die Tora wurde häufiger untersucht als andere Teile, aber es erschienen auch wichtige Arbeiten zu den


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