Der Histamin-Irrtum. Sascha Kauffmann
• rote Flecken auf der Haut
• Halsschmerzen
• Wortfindungsstörungen, Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit
• Kraftlosigkeit und Gefühlsstörungen in Armen und Beinen sowie Nervenschmerzen in diesen
• wiederkehrendes Zucken der Gliedmaßen und Zittern der Arme
• häufige Kopfschmerzen
• Geräuschempfindlichkeit
• Schlafstörungen
• Erbrechen (eher selten)
Zu Beginn habe ich diese Beschwerden immer versucht zu begründen und habe an Infekte gedacht. Zum Beispiel dachte ich, ich sei erkältet mit einer Halsentzündung. All die aufgelisteten Symptome sind in unterschiedlicher Kombination und Häufigkeit aufgetreten bzw. treten immer noch auf. Teilweise mehrmals am Tag. Plötzlich verschwanden diese wieder oder sie blieben mehrere Tage am Stück. Manchmal wechselt mein Zustand innerhalb von wenigen Minuten von gut zu sehr schlecht.
Alltägliche Kleinigkeiten, die für Gesunde problemlos zu schaffen sind, waren für mich – und sind es an schlechten Tagen immer noch – unbewältigbar, zum Beispiel die Wäsche aufzuhängen, den Müll aus der zweiten Etage runterzubringen, einkaufen zu gehen, mir etwas zu essen zu machen. Es gab Tage, da saß ich wie apathisch auf dem Sofa und habe die Farbe meiner Tapete angeschaut, da ich sonst zu nichts in der Lage war. Ein normales Gespräch über alltägliche Dinge war schlicht unmöglich, da ich zum Beispiel fast keinen Satz zu Ende bringen und auch einem Gesprächsverlauf selten folgen konnte und meist nach wenigen Minuten völlig überfordert war und mich erneut ausruhen musste.
Welche Erfahrung machten Sie bei den Ärzten?
Frau F.: Bis auf wenige Ausnahmen haben mich sowohl mein damaliger Hausarzt als auch die Fachärzte als »Psycho-Tante mit Knacks« abgestempelt. Selbst nach der Feststellung der Diagnose »systemisches Mastzellaktivierungssyndrom« durch das Waldkrankenhaus in Bonn wurde ich nicht ernst genommen. Ich ging gezielt auf die Suche nach einem neuen Hausarzt, als mein bisheriger sagte: »Die Medikamente sind zu teuer. Die kann ich ihnen nicht verschreiben. Und vielleicht hilft es ja noch nicht einmal.«
Der erste Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie war tatsächlich sehr positiv und ehrlich, sagte jedoch zu meinem Bedauern, er habe schon einmal von Mastzellerkrankungen gehört, aber habe kein Fachwissen und könne mir leider nicht helfen. Ein weiterer Arzt sagte, er habe auf Wikipedia mal nachgelesen, was Mastzellaktivierungserkrankungen sind, aber da stehe ja nicht viel. Das sei nicht wirklich eine Erkrankung, er habe im Studium dazu nichts gelernt.
Weitere Aussagen waren:
• »Haben Sie schon einmal an eine Psychotherapie gedacht? Sie müssen verstehen, dass Sie eine psychische Erkrankung haben, vermutlich eine Depression, die diese körperlichen Symptome mit auslöst. Machen Sie eine Therapie, dann geht es Ihnen wieder besser.«
Oder:
• Nach kurzer körperlicher Untersuchung mit Abtasten, Reflexe checken: »Sie haben nichts, Sie sind gesund.«
Ich war irgendwann so frustriert, dass ich nur noch in Begleitung von Freunden zu neuen Arztterminen ging, um endlich wieder ernst genommen zu werden. Inzwischen habe ich einen tollen Hausarzt gefunden, der mich (gemeinsam mit der Uniklinik in Lübeck) optimal betreut.
Wie wurden Sie auf das Thema Histamin und Mastzellen aufmerksam?
Frau F.: Ich vermutete einen Zusammenhang mit meiner zuvor gestellten Pyrrolurie, sodass ich Kontakt mit Ihnen, Frau Kauffmann, aufnahm. Sie vermuteten aber recht schnell, dass hinter meinen Beschwerden mehr als nur eine Pyrrolstörung steckte, und Sie untersuchten meinen Histaminstoffwechsel.
Welche weiteren diagnostischen Schritte wurden durchgeführt?
Frau F.: Die DAO wurde bereits bei meinem damaligen Hausarzt gemessen und befand sich im Normbereich. Daher schloss er ein Histaminproblem kategorisch aus. Bei Ihnen wurde mehrmals der Histaminspiegel, die DAO, und die entsprechenden Cofaktoren gemessen. Zudem auch die Schilddrüse und die Nebenniere genau untersucht, die ja auch einen Einfluss auf die Mastzellen haben. Als der Histaminwert immer höher stieg, haben Sie mich zur weiteren Diagnostik mit dem Verdacht auf Mastzellerkrankung nach Bonn ins Waldkrankenhaus verwiesen. Dort wurde ich stationär aufgenommen und eine Magen- und Darmspiegelung sowie eine Knochenmarkbiopsie durchgeführt. Dazu kamen viele weitere Laboruntersuchungen auf Histamin und andere Mastzellenmarker. Nach dem Klinikaufenthalt und mehrmonatiger Suche nach einem Arzt zur Weiterbetreuung bin ich letztendlich in der Uniklinik Lübeck gelandet. Dort wurden weitere Allergietests und Blutwerte entnommen und nun auch regelmäßig überprüft.
Welche schulmedizinischen und welche naturheilkundlichen Therapien haben rückblickend Ihre Symptome verbessern können?
Frau F.: Vor allem die monatlichen Injektionen mit dem Anti-IgE-Mittel Xolair® gepaart mit dem Mastzellenstabilisator Chromoglycinsäure und ein Antihistaminikum haben eine deutliche Verbesserung gebracht, aber keine ausreichende »Gesundung«. Inzwischen bekomme ich noch den Leukotrienhemmer Montekulast und ein zweites Antihistaminikum. Die Celestaminetropfen (Cortison) zeigen bei mir im Notfall sehr schnelle Linderung und sorgen für ein Abschwellen des Halses.
Zusätzlich hilft mir eine histaminarme Ernährung sehr gut (obwohl meine DAO immer gut war!), Lebensmittel mit Quercetin und diverse darmfloraunterstützende Präparate; außerdem noch Vitamin-C- und Zink-Präparate und die von Ihnen verordneten KPU-HPU-Infusionen sowie spezielle Aminosäure-Infusionen. Alles in allem summiert sich mein täglicher Medikamenten- und Nahrungsergänzungsmittelbedarf auf fast 20 Präparate. Aktuell habe ich immer noch große zyklusabhängige Schwankungen und heftige Beschwerden während meiner Periode. Gemeinsam mit meinem Frauenarzt versuche ich, diese Symptome zu minimieren und nehme nach einigen leider nicht hilfreichen Zyklusmedikamenten seit drei Monaten eine reine Progesteronpille. Diese zeigt erste positive Effekte, nicht nur während der Periode, sondern im gesamten Zyklus. Insgesamt gibt es nach wie vor auch viele schlechte Tage, an denen ich dann vor allem bei der Nahrung strikt aufpasse und meist nur Reis und Karotten (gesichert histaminarm) esse. Mir hilft jetzt eine Kombination aus vielen unterschiedlichen Therapien, deren Wirkung ich nicht klar trennen kann.
Was möchten Sie anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Frau F.: Je nachdem, an welchem Punkt sich Betroffene befinden, gibt es unterschiedliche Ratschläge. Wer sich noch in der Phase des Suchens befindet: »Gebt nicht auf, lasst euch nicht einreden, das sei alles psychisch und nicht körperlich. Hört auf euer Gefühl. Sucht weiter. Wenn ihr von euren Ärzten nicht ernst genommen werdet, sucht euch neue. Auch wenn dies viel Kraft kostet, lohnt es sich.«
Wer eine gesicherte Diagnose hat und schon gut betreut wird: »Nehmt euch Zeit rauszufinden, was eure ganz persönlichen Auslöser sind. Diese sind so vielfältig und oft schwer zuzuordnen, dass ich es als hilfreich empfunden habe, darüber Buch zu führen.« Und nicht zuletzt: Die Krankheit wird sich nicht an euch anpassen, ihr müsst euch an die Krankheit anpassen, dieser Weg ist schmerzhaft und teilweise schwer akzeptierbar.
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