Internationales Strafrecht. Robert Esser
ein faktischer Vorrang vor dem gesamten deutschen Recht zugesprochen werden.[23]
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Über das Gebot einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung[24] kommt der EMRK und der gesamten Rechtsprechung des EGMR eine weitreichende Klarstellungs- und Konkretisierungsfunktion für das deutsche Strafverfahrensrecht zu, insbesondere für solche Garantien, die im GG nicht ausdrücklich genannt sind (z.B. der Grundsatz eines fairen Verfahrens, Art. 6 Abs. 1 EMRK; Unschuldsvermutung, Art. 6 Abs. 2 EMRK).
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Da die EMRK innerhalb der deutschen Rechtsordnung (nur) im Range eines Bundesgesetzes steht (Rn. 6), kann ein Bf. vor dem BVerfG nicht unmittelbar die Verletzung eines in der Konvention garantierten Menschenrechts mit der Verfassungsbeschwerde rügen.[25] Die Bestimmungen der Konvention selbst ebenso wie die Urteile des EGMR scheiden daher als unmittelbarer Prüfungsmaßstab für ein Verfahren vor dem BVerfG aus (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG; § 90 Abs. 1 BVerfGG).[26] Da die EMRK zwar geltendes Bundesrecht, nicht aber zugleich Teil der Verfassungen der Länder ist, kann (auch) eine Verfassungsbeschwerde nach Landesrecht nicht auf eine ihrer Bestimmungen gestützt werden.[27]
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Es bleibt aber die Möglichkeit, das einer EMRK-Bestimmung „parallele Grundrecht“ zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde zu machen und dieses sodann über das Gebot einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung mit Hilfe der einschlägigen Rechtsprechung des EGMR „inhaltlich anzureichern“.
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Die „Nichtberücksichtigung“ einer einschlägigen EGMR-Judikatur (dazu Rn. 8) kann zudem als Verstoß gegen das jeweils betroffene parallele Grundrecht i.V.m dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gerügt werden.[28]
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › A. Einführung › III. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
III. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
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Als Kontrollorgan der EMRK wurde der EGMR am 21.1.1959 mit Sitz in Straßburg eingerichtet. Seine zentrale Aufgabe ist die Auslegung und Anwendung der Konvention nebst ihrer Zusatzprotokolle (Art. 32 EMRK).[29] Das Verfahren vor dem Gerichtshof ist in Art. 27 ff. EMRK[30] und in der Verfahrensordnung des EGMR (VerfO; Rules of Court) geregelt). Die aktuelle Fassung der VerfO ist am 14.11.2016 in Kraft getreten.[31]Eine wesentliche Änderung des Verfahrens ging mit der Neufassung der Rule 47 zum 1.1.2014 einher (Rn. 205 ff.).
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Ergänzend hat der Präsident des Gerichtshofs insgesamt sieben Verfahrensanordnungen (Practice Directions (PD); alle Stand November 2016) als Handreichung für die bei der Einlegung einer Beschwerde zu beachtenden Formalia erlassen. Diese betreffen insbesondere das Erscheinen der Verfahrensbeteiligten zu mündlichen Verhandlungen, die Einreichung von Schriftsätzen oder sonstiger Unterlagen sowie die Geltendmachung von Entschädigungsleistungen (Rule 32):
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Practice Direction: Institution of Proceedings
Practice Direction: Requests for Interim Measures
Practice Direction: Requests for Anonymity
Practice Direction: Just satisfaction claims
Practice Direction: Secured Electronic Filing by Governments
Practice Direction: Electronic Filing by Applicants
Practice Direction: Written Pleadings
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › A. Einführung › IV. Verfahrensarten vor dem EGMR
IV. Verfahrensarten vor dem EGMR[32]
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Vertragsstaaten der EMRK können sich mit der Behauptung, ein anderer Vertragsstaat habe gegen ein Recht der Konvention verstoßen, an den EGMR wenden (Art. 33 EMRK). Von der Möglichkeit einer solchen Staatenbeschwerde haben die Vertragsstaaten allerdings aus politischen und diplomatischen Gründen bisher nur spärlich Gebrauch gemacht.
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Mit der Individualbeschwerde (Art. 34 EMRK) kann dagegen jeder Einzelne, jede Personenvereinigung und jede nichtstaatliche Organisation den Gerichtshof wegen der Verletzung eines in der Konvention oder einem Zusatzprotokoll gewährleisteten Rechts anrufen (zur Parteifähigkeit im Detail siehe Rn. 101).
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Die Einholung eines abstrakten Gutachtens zu verfahrensrechtlichen Fragen durch den EGMR ist nur auf Antrag des Ministerkomitees möglich (Art. 47-49 EMRK). Weder die EMRK noch die VerfO des EGMR sehen vor, dass ein nationales Gericht oder eine betroffene Person dem Gerichtshof eine Fragestellung, die für ein auf nationaler Ebene anhängiges Verfahren entscheidungserheblich ist, zur Entscheidung vorlegen kann.[33] Dass die EMRK in ihrem Kontrollsystem kein Vorabentscheidungsverfahren kennt, ergibt sich schon aus dem Erfordernis der nationalen Rechtswegerschöpfung vor Anrufung des EGMR (siehe Rn. 148).
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Durch das Protokoll Nr. 16 zur EMRK vom 2.10.2013 (CETS 214) können die Staaten ihren obersten Gerichten („highest courts and tribunals“) künftig die Möglichkeit einräumen, dem Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung konkrete Rechtsfragen betreffend die Auslegung der Konvention und ihrer Protokolle anlässlich einer bei ihnen anhängigen Rechtssache vorzulegen. Zuständig für die Erstellung dieser advisory opinions wird die GK sein (Art. 2 Nr. 2 des 16. P-EMRK); den advisory opinions wird jedoch keine Bindungswirkung zukommen (Art. 5 des 16. P-EMRK).
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › A. Einführung › V. Zugänglichkeit der Rechtsprechung des EGMR
V. Zugänglichkeit der Rechtsprechung des EGMR
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Sämtliche Urteile und Entscheidungen[34] des EGMR seit 1960 – und zahlreiche Entscheidungen der EKMR aus dem Zeitraum von 1955 bis 1998 – sind in der zentralen Datenbank (HUDOC) auf der Homepage des Gerichtshofs zugänglich (www.hudoc.echr.coe.int).