Internationales Strafrecht. Robert Esser
der Sache öffentlich, über die Medien etc. in einer Art und Weise geäußert hat, die seine Unparteilichkeit objektiv in Zweifel zieht,
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Sieht sich ein Richter als befangen an und will er deswegen von sich aus nicht an der Behandlung der Beschwerde teilnehmen, so hat er den Präsidenten seiner Kammer entsprechend zu informieren, der ihn dann von der Teilnahme an der Rechtssache freistellt (Rule 28 Abs. 3). Bei Zweifeln an der Unparteilichkeit eines Kammermitglieds entscheidet die Kammer nach Anhörung des Betroffenen, in dessen Abwesenheit (Rule 28 Abs. 4).[65] Ist der nationale Richter betroffen, muss er durch einen ad hoc-Richter nach Rule 29 Abs. 1 lit. c ersetzt werden.
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Einen speziellen Rechtsbehelf zur Geltendmachung eines Befangenheits- oder Ausschlussgrundes in der Person eines Richters sehen weder die EMRK noch die Rules of Court vor. Der Bf. bzw. der Verteidiger sollte bei berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit eines Richters ein schriftliches Ablehnungsgesuch an den Präsidenten der Kammer bzw. der Sektion richten und dieses entsprechend begründen.
3. Kanzlei
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Die Kanzlei („La plume de la Cour“)[66] unterstützt die Arbeit des Gerichtshofs. Sie führt die Korrespondenz mit den Beschwerdeführern, nach der Zustellung auch mit den Regierungen der betroffenen Staaten, und legt Akten über die Beschwerden an (Rule 17 Abs. 2), die grundsätzlich öffentlich sind (Rule 33). Die Mitarbeiter der Kanzlei sorgen auch für die Vervollständigung dieser Akten. Den Juristen der Kanzlei obliegt außerdem die erste Einschätzung der Erfolgsaussichten der Beschwerde.[67]
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Sind die Akten vollständig, weist der bearbeitende Jurist die Beschwerde vorläufig einem Entscheidungsorgan zu. Außerdem bereitet die Kanzlei auf Anweisung des (richterlichen) Berichterstatters[68] (siehe Rn. 300) auch Entscheidungs- und Urteilsentwürfe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs vor.[69] Zu den Aufgaben der Kanzlei gehört ferner die Öffentlichkeitsarbeit. Sie sorgt für die Zugänglichkeit der Rechtsprechung und verbreitet auch aktuelle Informationen und Statistiken zur Tätigkeit des Gerichtshofs.[70]
Anmerkungen
Der Text der EMRK nebst Ratifikationsstand und die Verfahrensordnung des EGMR sind über die Homepage des Gerichtshofs (www.echr.coe.int) erhältlich.
Die Konvention ist von 47 Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert worden und am 1.2.1989 (für Deutschland: 1.6.1990) in Kraft getreten (BGBl. II 1989, 946). Die beiden (Änderungs-)Protokolle vom 4.11.1993 (CETS 151, 152) hat Deutschland ebenfalls gezeichnet und ratifiziert. Zur Arbeit des CPT: Lettau ZfStrVo 2002, 195 ff.; Puhl NJW 1990, 3057 ff.; Alleweldt EuGRZ 1998, 245 ff.; ausführlich: Cernko Die Umsetzung der CPT-Empfehlungen im deutschen Strafvollzug, S. 12 ff.; Kicker The European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (the CPT), in: de Beco (Hrsg.), Human Rights Monitoring Mechanisms of the Council of Europe, S. 43 ff.
Siehe etwa: EGMR Burga Ortiz v. Deutschland, Entsch. v. 16.10.2006, Nr. 1101/04 (Auslieferung), Dougoz v. Griechenland, Urt. v. 6.3.2001, Nr. 40907/98 sowie Modarca v. Republik Moldau, Urt. v. 13.11.2012, Nr. 37829/08 (Haftbedingungen); Tekin Yildiz v. Türkei, Urt. v. 10.11.2005, Nr. 22913/04 (Hungerstreik).
Auf Art. 24 Abs. 3 GG kam es dabei nicht an, vgl. Schweitzer/Dederer Rn. 1170.
BVerfG NJW 2009, 1133, 1134; hierzu siehe auch Schweitzer/Dederer Rn. 826, 835.
BGBl. II 1952, 686, 953; 1954, 14.
Zur Geltung der lex-posterior-Regel im Verhältnis zur EMRK: Kühne StV 2001, 73, 74 f.; Weigend StV 2000, 384, 387.
Hierzu siehe auch Zehetgruber ZIS 2016, 52 f.
BVerfGE 111, 307 = NJW 2004, 3407 (Görgülü) = JZ 2004, 1171 mit Anm. Klein; siehe zu diesem Beschluss auch: Cremer EuGRZ 2004, 683; Esser StV 2005, 348 ff.; Gaede HRRS 2004, 387; Kühne GA 2005, 195 ff.; Meyer-Ladewig/Petzold NJW 2005, 15; LR/Esser EMRK Teil II, 251 ff.; zur Anklage der Richter am OLG Naumburg wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB): OLG Naumburg NJW 2008, 3585; Lamprecht NJW 2007, 2744.
Vgl. Esser StV 2005, 348, 352 ff.; Meyer-Ladewig/Petzold NJW 2005, 15, 18 f.
Abgesichert wird diese Pflicht dadurch, dass die Nichtberücksichtigung als Verletzung des jeweils betroffenen (parallelen) Grundrechts i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) vor dem BVerfG gerügt werden kann (dazu Rn. 14).
BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 321, 323 f. = NJW 2004, 3407 (Görgülü); BVerfG NJW 2009, 1133, 1134; NJW 2015, 1083, 1085; BGH NJW 2001, 309, 311. Eine ähnliche Berücksichtigungspflicht gilt im Bereich des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) v. 24.4.1963 und der diesbezüglichen Rechtsprechung des IGH, vgl. BVerfG NJW 2014, 532 f.
Vgl. BVerfGE 111, 307, 317; 128, 326, 371; BVerfG NJW 2008, 2978, 2981; NVwZ 2016, 1079 = EuGRZ 2016, 311, 313 f.
Vgl. auch BVerfGE 112, 1, 25 f.; Schweitzer/Dederer Rn. 829, 1174.
Vgl. BVerfGE 111, 307, 327; 128, 326, 370 f.; BVerfG NJW 2015, 1083, 1085; EuGRZ 2016, 311, 314.
EGMR