Internal Investigations. Dennis Bock
Ganz ähnlich entschied auch die Rechtsprechung. Der BGH ließ in seiner Entscheidung über die Voraussetzungen zur Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung erkennen, dass für ihn das Vorliegen einer typisch anwaltlichen Tätigkeit davon abhing, ob und inwieweit hinsichtlich des betreffenden Falles nach den konkreten Umständen eine selbstständige, d.h. eigenständige und von fachlichen Weisungen freie Bearbeitung durch den Syndikusanwalt gewährleistet war bzw. ob umgekehrt zu besorgen war, dass die Weisungs- und Richtlinienkompetenz des Arbeitgebers eines Syndikusanwalts in dessen konkrete Tätigkeit hineinwirkte.[42] Das LG Bonn griff diese Kriterien zur Begründung eines Zeugnisverweigerungsrechts des Syndikusanwalts auf.[43] Die Weisungsgebundenheit im Einzelfall musste daher nach der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur als entscheidendes Kriterium angesehen werden. Ende 2015 hat sich der Gesetzgeber jedoch trotz erheblicher und berechtigter rechtspolitischer Kritik an diesem Vorhaben[44] gegen eine solche Differenzierung gewandt und die Möglichkeit zur Anerkennung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Syndikusanwälte (nun Syndikusrechtsanwälte) mit der Neufassung des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HS 2 StPO bewusst ausgeschlossen.[45] Damit finden also auch die übrigen in der StPO geregelten Anwaltsprivilegien der §§ 97 Abs. 1–3, 100c Abs. 6 und 160a StPO auf Syndikusrechtsanwälte keine Anwendung mehr, da diese Normen unmittelbar Bezug auf § 53 StPO nehmen.[46] Begründet wird diese Einschränkung der Anwaltsprivilegien vorrangig mit dem bereits erwähnten Gebot der effektiven Strafverfolgung, da die Einbeziehung der Syndikusrechtsanwälte in den Anwendungsbereich der §§ 97, 160a StPO – so die Gesetzesbegründung – die Gefahr hervorrufe, „dass relevante Beweismittel den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Verfügung stünden“.[47] Auch das Ziel der Einführung eines praktisch gegenüber der früheren Differenzierung besser handhabbaren Kriteriums wird angeführt. Als Gegenausnahme zum grundsätzlichen Ausschluss der Anwaltsprivilegien für Syndikusrechtsanwälte ist das Zeugnisverweigerungsrecht gesetzlich anerkannt, wenn der Syndikusrechtsanwalt als Berufshelfer für andere zeugnisverweigerungsberechtigte Personen i.S.d. § 53a Abs. 1 StPO agiert.
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Als weitere zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsträger kommen Patentanwälte i.S.d. §§ 1, 29 PAO, Notare i.S.d. § 3 BNotO, Notarassessoren i.S.d. § 7 BNotO, Wirtschaftsprüfer i.S.d. §§ 1 Abs. 1 S. 1, 15 WiPrO, auch wenn sie nach § 183 AktG als Kapitalprüfer eingesetzt werden,[48] vereidigte Buchprüfer i.S.d. § 128 Abs. 1 WiPrO sowie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte i.S.d. §§ 40, 42 StBerG in Betracht. Nicht geschützt werden z.B. Mitarbeiter von Wirtschaftsdetekteien oder sonstige Beauftragte, die keiner der vorstehend genannten Berufsgruppe angehören.
3. In dieser Eigenschaft anvertraute oder bekanntgewordene Tatsachen
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Der Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts ist auf diejenigen Tatsachen beschränkt, die dem Berufsträger in seiner jeweiligen Eigenschaft anvertraut oder bekanntgeworden sind. Voraussetzung des Zeugnisverweigerungsrechts ist daher, dass das Wissen unmittelbar aus der Berufstätigkeit erwächst oder zumindest mit ihr in unmittelbarem Zusammenhang steht.[49] Die Person des Mitteilenden und das Ob und Wie des Kontakts werden vom Zeugnisverweigerungsrecht mit umfasst,[50] so etwa die Frage, ob ein Steuerberater mit der Abgabe einer Steuererklärung beauftragt worden ist.[51]
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Unter einer anvertrauten Tatsache versteht man eine unter Verlangen oder stillschweigender Erwartung der Geheimhaltung schriftlich oder mündlich mitgeteilte Tatsache sowie eine solche, die der Berufsträger dadurch erlangt, dass ihm Gelegenheit zur Beobachtung und Untersuchung gegeben wird.[52] Ob die Tatsache dem Berufsträger vom jeweiligen Beschuldigten oder einem Dritten anvertraut worden ist und wessen Sphäre das Geheimnis angehört, ist gleichgültig.[53]
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Eine bekanntgewordene Tatsache ist eine solche, die der Berufsausübende von dem Beschuldigten oder einem Dritten erfahren hat, ohne dass sie ihm anvertraut worden ist.[54] Der Begriff ist nach dem BGH und der herrschenden Lehre weit auszulegen.[55]
a) Grundlagen
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Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht führt in den Fällen des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2–3b StPO gem. § 53 Abs. 2 S. 1 StPO zu einer Aussagepflicht des Berufsträgers. Die Entbindungserklärung ist eine Prozesshandlung, die Handlungsfähigkeit voraussetzt.[56]
b) Entbindungsberechtigter
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Entbindungsberechtigt ist jeder, dessen Vertrauensschutz § 53 StPO dient. Ausschlaggebend ist regelmäßig das Mandatsverhältnis.[57] Sind mehrere Personen geschützt, so müssen alle eine entsprechende Erklärung abgeben oder es muss eine gemeinsame Erklärung abgegeben werden.[58] Dies gilt insbesondere für eine Mehrheit von Geschäftsführern einer GmbH[59] oder einen Wechsel der Geschäftsführung oder des Vorstandes.[60] Hat ein nicht geschützter Dritter dem Berufsträger ein Geheimnis anvertraut, kann nur der Geschützte die Entbindung erklären.[61] Wenn allerdings der Beschuldigte dem Berufsträger das Geheimnis eines Dritten anvertraut hat, können sowohl der Beschuldigte als auch der Dritte die Entbindung erklären.[62]
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Die Entbindungserklärung kann ausdrücklich oder konkludent[63] erfolgen und ist analog § 52 Abs. 3 S. 2 StPO frei widerrufbar.[64] Ist dies vom Geschützten gewollt, kann die Entbindungserklärung rechtlich wirksam auf bestimmte Tatsachenkomplexe beschränkt werden, nicht aber auf einzelne Tatsachen.[65] Der Widerruf der Entbindung muss im Gegensatz zur Entbindung selbst ausdrücklich erklärt werden.[66] Widerruft der Geschützte die Entbindung von der Schweigepflicht erst nach der Aussage des Berufsträgers, bleibt die Aussage prozessual verwertbar und eine Niederschrift über die Vernehmung kann verlesen werden.[67] § 252 StPO erfasst den Fall des Widerrufs der Entbindung von der Schweigepflicht nicht.[68] Eine Vertretung ist sowohl hinsichtlich der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht als auch hinsichtlich ihres Widerrufs wegen des höchstpersönlichen Charakters beider Erklärung ausgeschlossen.[69]
Anmerkungen
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 1.
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 1.
Vgl. HK-GS/Trüg § 52 StPO Rn. 1, zu § 52 StPO.
Vgl. HK-GS/Trüg § 52 StPO Rn. 1, zu § 52 StPO.
KK-StPO/Senge § 53 Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 2.
Vgl. BVerfGE 33, 367, 383; 38, 312, 321; Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 2.
BVerfGE 33, 367.