Internal Investigations. Dennis Bock
Über die Durchführung von Befragungen wird auch innerhalb der Internal Investigation im Rahmen des Arbeits- und Projektfortschritts berichtet. Ob und in welchem Umfang neben dem statistischen Faktum auch Einzelheiten bekannt gegeben werden, muss im Einzelfall entschieden werden. Welche Details berichtet werden können, hängt von mehreren Überlegungen ab:
– | individuell vereinbarter oder gebotener Vertraulichkeitsschutz (bspw. mit Rücksichtnahme auf familiäre Belange, Reputationsschaden etc.); |
– | notwendige Grundlage für weitere Untersuchungsansätze oder neue Beweisrichtungen; |
– | Objektivierungsnotwendigkeit im Abgleich mit anderen Informationen und Beweisen (insbesondere eine Art „Kreuzverhör“); |
– | integraler oder verzichtbarer Bestandteil von Zusammenfassungen und Berichten. |
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Liegt in der durch die Befragung erlangten Information ein ausdrückliches Geständnis eines Fehlverhaltens oder eine geständnisgleiche Aussage, so ist der Arbeitgeber darüber zu informieren. Ihm obliegt es, im Rahmen der Möglichkeiten zu Verdachtskündigung oder einer Tatkündigung zu entscheiden, ob er das Arbeitsverhältnis angesichts der neuen Erkenntnisse aufrechthält. Da jedoch der Arbeitgeber die Ergebnisse der Internal Investigation insgesamt abwarten darf und eine Kenntnis nicht schon dann angenommen wird, wenn sie bei dem Untersuchungsführer angelangt ist, darf durchaus der Abschluss der Untersuchung abgewartet werden.
b) Auskunfts- und Anzeigepflichten
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Tritt bei einer Befragung zutage, dass in der Vergangenheit ein Straftatbestand verwirklicht wurde, so besteht außerhalb des § 138 StGB keine gesetzliche Anzeigepflicht.[22] Aber gesellschafts-, haftungs-, kapitalmarkt-, steuerrechtliche (§ 153 AO) und nach ausländischen Rechtsordnungen bestehende Klärungs-, Informations- und Anzeigepflichten sind dennoch zu beachten, die das Unternehmen bei Bekanntwerden einer Straftat zu Aufdeckungs- und Berichtigungsmaßnahmen verpflichten.[23]
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Eine etwaige Anzeigepflicht kann aber auch aus einer strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung (besonders wegen §§ 13, 14 StGB) oder einer bußgeldrechtlichen Aufsichtspflicht (insb. §§ 9, 30, 130 OWiG)[24] erwachsen. Nach der bisher veröffentlichen Rechtsprechung und Literatur kann eine solche Pflicht angenommen werden, wenn
– | eine konkrete Gefährdung für Leib und Leben oder andere bedeutende Rechtsgüter Dritter (bspw. Arbeitnehmer, Vertragspartner) durch das (evtl. fortgesetzte) Handeln des Unternehmens oder seiner Organe und Vertreter entstanden ist;[25] |
– | im Unternehmen eine systemhafte, durchorganisierte Kriminalität beobachtet wird, die auf das Versagen der unternehmensinternen Delegationsstrukturen, Präventionsmaßnahmen und Kontrollen hinweist;[26] |
– | durch (die Fortsetzung) einer unrichtigen Berichterstattung des Unternehmens gegenüber den Kapitalmarktbehörden (Börse, DPR, BaFin) dauerhaft eine unrichtige Lage des Unternehmens dargestellt werden würde[27] und |
– | die Unterlassung einer Sachklärung als pflichtwidriges Verhalten eines Garanten i.S.d. § 13 StGB zum Nachteil des Unternehmens anzusehen wäre.[28] |
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Dass in Korruptionsfällen die Inkaufnahme eines vergaberechtlichen Ausschlusses wegen Unzuverlässigkeit (§ 6 AEntG; § 21 SchwArbG; § 5 VOB/A) droht, ist ein außerstrafrechtlicher Grund für eine Berichterstattung, evtl. eine Selbstanzeige. Die steuerrechtliche Anzeigepflicht des § 153 AO soll hier nur erwähnt werden. Die schadensersatzrechtliche Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat bei fortgesetzter Beschäftigung von kriminell handelnden Personen im Unternehmen (§ 93 AktG, § 43 GmbHG) mag hier ebenfalls als Entscheidungsgrundlage für eine Offenlegung dienen. Dem Befragten sollte zu Beginn der Befragung keinesfalls verheimlicht werden, dass seine Angaben zu einer solchen Offenlegungspflicht führen können. Dies wird in vielen Fällen Anlass dafür sein, im Unternehmen über einen Vertrauensschutz des Mitarbeiters in Form einer Kronzeugenregelung oder Amnestie nachzudenken.
Anmerkungen
Vgl. dazu Engelhart ZIP 2010, 1832, 1839; nunmehr auch BaFin MaComp BT 1.2. Nr. 7-9.
Der Kriminalist spricht von Versionsbildung, vgl. dazu Ackermann/Clages/Roll Handbuch der Kriminalistik, S. 151 ff.
Vgl. Rn. 60 f.
BGHSt 43, 36 und 43, 360; Nr. 126 Abs. 3 RiStBV.
Vgl. Rn. 25 ff.
Vgl. die arbeitsrechtlichen Kap. 14 und 15.
Vgl. dazu das 9. Kap.
Vgl. dazu Rn. 74 ff.
BVerfGE 63, 266, 282.
Moosmayer S. 5 f. zur Präventionspflicht; S. 7 f. zur kapitalmarktrechtlichen Pflichten, S. 12 f. zu vergaberechtlichen Pflichten; S. 14 ff. zu schadensersatzrechtlichen Pflichten, jeweils m.w.N.; ergänzend BGH GmbHR 1985, 143; OLG Koblenz ZIP 1991, 870; Walisch Organisatorische Prävention gegen strafrechtliche Haftung deutscher Unternehmen und ihrer Leitungen nach US-Recht, 2004; eingehend zur Unternehmensaufgabe: Bürkle BB 2005, 565; Bussmann/Matschke wistra 2008, 88 ff.; Eidam Rn. 1936 ff.; Hauschka/Hauschka § 1 Rn. 21 ff., 24 ff.; ders. NJW 2004, 257, 259; ders. DB 2006, 1143, 144 f.; Hauschka/Greeve BB 2007, 165, 166 f.; von Hehn/Hartung DB 2006, 1909, 1912 f.; Lösler NZG 2005, 104; Sieber in FS Tiedemann S. 454 ff.; Schulte/Görts RJW 2006, 567; Wessing FS 25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im DAV, 2009, S. 907, 909 ff.; kritisch Pfordte in Wessing FS 25 Jahre AG Strafrecht im DAV, S.