Internal Investigations. Dennis Bock
im Konzern ein Beherrschungsvertrag, so ergibt sich die Haftung der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens aus § 309 Abs. 2 S. 1 AktG. Bei der Erteilung von Weisungen muss die Unternehmensleitung des herrschenden Unternehmens gegenüber der beherrschten Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwenden (§ 309 Abs. 1 AktG). Diesen Anspruch kann gem. § 309 Abs. 4 S. 1 AktG auch jeder Aktionär geltend machen.[30] Jedoch darf er gem. S. 2 Leistung nur an die Gesellschaft fordern. Soweit Gläubiger der beherrschten Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können, können sie den Anspruch gem. § 309 Abs. 4 S. 3 AktG geltend machen. Handelt es sich bei der beherrschten Gesellschaft um eine GmbH, so finden die Regelungen analoge Anwendung.[31]
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Daneben kann eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB bestehen. Eine Vermögensbetreuungspflicht im Vertragskonzern kann sich aus der in §§ 308 ff. AktG normierten Leitungsmacht ergeben.[32] Bejaht man zusätzlich eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gesellschaftern, so kann auch eine Haftung gegenüber den Gesellschaftern des beherrschten Unternehmens bestehen (Rn. 217).
b) Haftung im faktischen AG-Konzern
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In einem faktischen AG-Konzern besteht grundsätzlich keine Weisungsbefugnis des herrschenden Unternehmens gegenüber seinen Tochter- oder Enkelunternehmen.[33] Übt die Unternehmensleitung aber trotzdem Druck auf den Vorstand der abhängigen Gesellschaft aus und erreicht so die Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung, obwohl diese nicht geboten war, sieht der § 311 Abs. 1 a.E. AktG eine Ausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens vor. Gem. § 317 Abs. 3 AktG haften die handelnden gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens neben dem herrschenden Unternehmen, wenn der Verlust nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres durch das herrschende Unternehmen ausgeglichen worden ist. Die Ersatzpflicht scheidet aber wiederum aus, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft auch vorgenommen oder die Maßnahme getroffen hätte.
c) Haftung im faktischen GmbH-Konzern
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Im Gegensatz zu § 317 AktG knüpft das GmbH-Recht keine Rechtsfolgen an den Begriff der Abhängigkeit.[34] Deshalb scheidet eine analoge Anwendung der §§ 311, 317 AktG aus.[35] Im faktischen GmbH-Konzern gilt deshalb nur die Treubindung des herrschenden Unternehmens in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der GmbH.[36] Das herrschende Unternehmen unterliegt im Hinblick auf den Schutz der abhängigen GmbH jedoch einem umfassenden Schädigungsverbot, welches entweder aus der Treuepflicht[37] oder dem Mitgliedschaftsrecht[38] abgeleitet wird.[39] Insofern kann es in Ausnahmefällen auch zu einer Haftung der Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens wegen der Nichtdurchführung oder der fehlerhaften Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung im faktischen GmbH-Konzern kommen.
5. Ergebnis
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Bei der Durchführung von unternehmensinternen Untersuchungen können einer Gesellschaft somit Schäden entstehen. War die Durchführung einer internen Untersuchung nicht notwendig, so stellen die angefallenen Kosten für die Durchführung einen Schaden dar. Wird allerdings eine unternehmensinterne Untersuchung unterlassen, obwohl eine Durchführung geboten war, können der Gesellschaft ebenfalls erhebliche Schäden, wie Reputationsschäden, höhere Bußgelder und längere Verfahrensdauer entstehen. Die Durchführung von unternehmensinterner Untersuchungen ist grundsätzlich Aufgabe der Unternehmensleitung und teilweise auch des Aufsichtsrates. Verletzen diese bei der Entscheidung, ob und wie eine unternehmensinterne Untersuchung durchzuführen ist, ihre Pflichten, so haften sie auch gegenüber der Gesellschaft für die entstandenen Schäden.
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Tab. 1: Zusammenfassung: Haftung bei unternehmensinternen Untersuchungen
Organisationsstruktur | Organ | Gesellschaft | Gesellschafter | Dritte |
---|---|---|---|---|
Einheitsgesellschaft | UL | § 93 Abs 2 AktG/§ 43 Abs. 2 GmbHG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB | – | – |
AR | §§ 116 S. 1, 93 Abs. 2 AktG (analog) | – | – | |
Vertragskonzern (gegenüber Tochtergesellschaft) | UL | § 309 Abs. 2 S. 1 AktG (analog); § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB | § 309 Abs. 4 S. 1 AktG (analog) | § 309 Abs. 4 S. 3 AktG (analog) |
AR | – | – | – | |
Faktischer Konzern AG (gegenüber Tochtergesellschaft) | UL | § 317 Abs. 3 AktG; u.U. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB | ||
AR | – | – | – | |
Faktischer Konzern GmbH (gegenüber Tochtergesellschaft) | UL | U.U.§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB | ||
AR | – | – | – |
Legende: UL= Unternehmensleitung; AR= Aufsichtsrat
Anmerkungen
Vgl. Kustor S. 25 f.
Siehe auch Hamann/Sigle/Werwigk § 17 Rn. 27 ff.
Siehe hierzu BGH DStR 1994 1272, 1273; BGH WM 1979, 853, 854; vgl. auch MK-AktG/Spindler § 91 Rn. 39; Spindler/Stilz/Fleischer § 91 Rn. 46.
BGH NJW 1953, 457; NJW 1987, 2008; BGH VersR 1995, 1205; BGH ZIP 2001, 1874, 1876 f.
Vgl. hierzu Hüffer § 84 Rn. 10; Wellhöfer/Peltzer/Müller § 6 Rn. 82, § 13 Rn. 29.