Compliance. Markus Böttcher
die Annahme und Prüfung von Mitarbeitermeldungen zu erstellen (sog. „Whistleblowing Guidelines“). Diese Richtlinien sollen die Mitarbeiter ermutigen, in redlicher Absicht jedes Fehlverhalten mündlich oder schriftlich zu melden, das ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Kenntnis gelangt, sei es aus erster Hand oder aus einer Quelle, die für glaubwürdig gehalten werden darf. Exemplarisch sollte die Richtlinie die Mitarbeiter ermutigen, Folgendes zu melden:
– | strafbares Verhalten; |
– | Verstöße gegen den Verhaltenskodex des Unternehmens oder gegen sonstige Unternehmensrichtlinien; |
– | unethisches, unangemessenes oder gar gefährliches Geschäftsgebaren; |
– | Verstöße gegen Gesetze und Verordnungen; |
– | Betrug oder vorsätzliche Fehler bei der Erstellung, Auswertung, Überprüfung oder Revision der Jahresabschlüsse; |
– | Betrug, Unterschlagung oder sonstige fragwürdige Praktiken im Zusammenhang mit der Erstellung oder Führung von Finanzaufzeichnungen; |
– | Handlungen, die die Gesundheit oder Sicherheit der Mitarbeiter oder der Allgemeinheit gefährden; |
– | Handlungen, durch die einer der vorgenannten Punkte verschleiert werden soll; |
– | jegliche sonstigen Angelegenheiten, von denen ein Mitarbeiter annimmt, dass sie negative Auswirkungen auf das Unternehmen oder seine Mitarbeiter haben könnten. |
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Die Whistleblowing-Richtlinie sollte klarstellen, dass das Unternehmen eine Kultur der Offenheit, des Vertrauens und der Transparenz fördert und deshalb auf die Unterstützung der Mitarbeiter angewiesen ist, um unrechtmäßiges oder nicht integres Verhalten zu minimieren. Die Mitarbeiter sollten explizit ermutigt werden, offen mit ihren Vorgesetzten und/oder Compliance-Verantwortlichen zu sprechen, falls ihnen eine der oben genannten Verhaltensweisen bekannt wird. Im Rahmen der vom Unternehmen geförderten Offenheit und Transparenz sollte auch darauf hingewiesen werden, dass das Unternehmen es bevorzugt, wenn der „Whistleblower“ seine Identität offenlegt, es andererseits aber auch akzeptiert wird, wenn der Meldende anonym bleiben möchte.[9]
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Die Möglichkeiten, eine Meldung an die in der Richtlinie idealerweise namentlich bezeichneten Vertrauenspersonen zu richten, sollten vielfältig sein. Sowohl eine persönliche Besprechung als auch die Kommunikation per Briefpost, E-Mail, Telefon oder Telefax sollte möglich sein. Dabei ist auf strenge Vertraulichkeit zu achten. Die Kontaktpersonen sollten über eigene Telefone[10] und nur ihnen zugängliche Faxgeräte verfügen. Dies sollte in der Richtlinie unbedingt erwähnt werden, da das interne Meldesystem oft am mangelnden Vertrauen der Mitarbeiter in die diskrete Handhabung der übermittelten Information scheitert.
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Es gibt eine starke Tendenz, die Compliance Hotline an externe Anbieter auszulagern. Interne Compliance-Mitarbeiter sind kaum in der Lage, rund um die Uhr für Hinweise verfügbar zu sein. Dies führt dann dazu, dass Hinweise gar nicht angenommen werden können und damit im Sande verlaufen. Externe Dienstleister hingegen, die sich auf 24-Stunden-Service auf globaler Ebene spezialisiert haben, garantieren eine hundertprozentige zeitliche Abdeckung und sind zudem neutrale Ansprechpartner, d.h. die Hemmschwelle des Mitarbeiters Hinweise zu geben wird dadurch möglicherweise herabgesetzt.
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Die Whistleblowing-Richtlinie sollte die Mitarbeiter dazu ermuntern, so viele spezifische Hinweise wie nur möglich zu übermitteln, damit die zuständigen Compliance-Verantwortlichen oder die mit der Angelegenheit betrauten Personen eine Untersuchung auf der Basis der gegebenen Informationen durchführen können. Zu erwähnen ist auch, dass der meldende Mitarbeiter zwar keinen Beweis für ein angebliches Fehlverhalten beibringen muss,[11] jedoch das Anliegen substantiiert vorgetragen und nicht völlig aus der Luft gegriffen sein sollte. Auch wenn sich das angebliche Fehlverhalten nach einer entsprechenden Untersuchung nicht bestätigt und sich herausstellt, dass der Mitarbeiter sich geirrt hat, wird sein Anliegen dennoch ernst genommen, und der Mitarbeiter hat keinerlei Disziplinarmaßnahmen oder Sanktionen zu befürchten.[12] Gleichermaßen sollte jedoch auch verdeutlicht werden, dass eine bewusst falsche Anzeige und böswillig erhobene Vorwürfe, die jeglicher Grundlage entbehren und dazu führen, andere zu diffamieren und zudem dem Unternehmen zu schaden, nicht hingenommen werden. Derartiges Verhalten verstößt gegen den Compliance-Kodex und muss disziplinarische oder arbeits- und strafrechtliche Konsequenzen haben.
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Den Mitarbeitern sollte zudem in der Richtlinie klar vermittelt werden, dass sämtliche substantiiert vorgetragenen Meldungen intern oder mit Hilfe von externen Experten untersucht werden und bei Bedarf an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden. Sämtliche Ermittlungen sind objektiv, mit der gebotenen Sorgfalt und mit größtmöglicher Vertraulichkeit durchzuführen und haben das Ziel, die relevanten Fakten aufzuklären. Der Beschuldigte muss das Recht haben, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen, falls nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen.
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Sämtliche gemeldeten Vorfälle sind von den Compliance-Verantwortlichen in ein Verzeichnis einzugeben, anhand dessen die Entwicklung eines Falles vom Eingang über die Untersuchung bis hin zur abschließenden Beurteilung nachvollzogen werden kann. Aus diesem Verzeichnis erstellen die Compliance-Verantwortlichen regelmäßige Berichte für die Geschäftsführung, den Aufsichtsrat sowie die interne Revision.[13]
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Im globalen Konzern wird es nicht nur eine einzelne Ombudsperson geben, sondern, ähnlich wie bei den Compliance-Beauftragten, ein Netzwerk von lokal zuständigen Ombudspersonen. Dies ist nicht nur eine Frage der Effektivität, sondern insbesondere des Vertrauens, das die zuständige Ombudsperson bei den Mitarbeitern erwecken soll. Ohnehin empfiehlt es sich, Personen für diese Positionen auszuwählen, die aufgrund ihrer Stellung, ihrer langjährigen Betriebszugehörigkeit oder aufgrund sonstiger Faktoren das Vertrauen der Mitarbeiter genießen. Darüber hinaus ist es von Bedeutung, dass die Mitarbeiter ihre Sorgen, Nöte und Probleme möglichst an ihrem Standort und in der ihnen vertrauten Sprache vorbringen können.
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Zu den Aufgaben des Ombuds-Netzwerks gehört es vor allem, den Mitarbeitern bei Fragen, Problemen und Anliegen als Ansprechpartner zu Verfügung zu stehen und darüber hinaus zu gewährleisten, dass die angesprochenen Themen den zuständigen Abteilungen oder auch Dritten zur Klärung übergeben werden. Ein „Kummerkasten“ allein genügt nicht, sondern jeder Einzelfall muss von den zuständigen Gremien bzw. Fachabteilungen untersucht, bewertet und entschieden werden. Und auch gegenüber den Ombudspersonen sollten die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, sich mit ihren Anliegen nach ihrer Wahl anonym oder nicht-anonym zu melden.[14] Ebenso muss klar festgelegt und kommuniziert sein, dass das Vorbringen eines Anliegens bzw. einer Beschwerde zu keinerlei Nachteil für den berichtenden Mitarbeiter führen kann und darf. Der Mitarbeiter muss zudem vollständige Transparenz über den Ablauf einer Untersuchung bekommen und darf keinesfalls zum Spielball unterschiedlicher Interessen werden.
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Selbstverständlich sollten die mit einer Ombudsfunktion betrauten Mitarbeiter nicht unvorbereitet ihrer Aufgabe nachgehen, sondern entsprechende Einführungs- und Auffrischungsschulungen hinsichtlich ihrer