Wirtschaftspsychologie für Dummies. Ulrich Walbrühl
später nicht feststellen können, ob das Ziel erreicht ist. Ein Coach wird daher immer fragen: »Woran merken Sie, dass Sie das Ziel erreicht haben?«
»Ich will meinen Chef ersetzen« ist ebenfalls kein geeignetes Ziel, weil es so spezifisch formuliert ist, dass Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Misserfolg haben werden.
Wie sehen geeignete Ziele aus? Sie sind, das ist hinreichend erforscht, vor allem anspruchsvoll und konkret formuliert. Außerdem hat es sich bewährt, konkrete Termine festzulegen, wann die Ziele erreicht sein sollen. Ein gutes Ziel bei einer Führungskraft in ihrer ersten Führungsfunktion, bei der eine halbjährige Probezeit vereinbart wurde, wäre:
Ziel: Probezeit überstehen
Zielerreichung: positives Beurteilungsgespräch zum Ende der Probezeit
Termin: 14 Tage vor Ende der Probezeit
Natürlich kann ein Coaching auch mehrere Ziele haben.
Reality: Wie sieht die aktuelle Situation aus?
Der Coach hilft dem Coachee, eine realistische Sichtweise auf die eigene Situation zu erwerben. Es nützt dem Coachee nichts, wenn er sich seine Situation schönfärbt. Ebenso ist es wichtig, alle verfügbaren Informationen einzubeziehen. Um eine aktuelle Zustandsbeschreibung zu erhalten, stellt der Coach zum Beispiel folgende Fragen:
Skalenfrage: »Auf einer Skala von 1 bis 10, bei der 1 für ›schlecht‹ und 10 für ›exzellent‹ steht – wie würden Sie Ihre aktuelle Situation einordnen?«
Systemische Frage: »Was meint Ihre Frau, wie Ihr Sohn über die Sache denkt?«
Metapherfrage: »Wie können Sie die Situation in einem Bild beschreiben?«
Durch solche und ähnliche Fragen erschließen sich Coachee und Coach einen Blick auf die aktuelle Situation.
Options: Welche Möglichkeiten bieten sich?
In der dritten Phase entwickeln sowohl Coachee als auch Coach möglichst viele Möglichkeiten, um die Ziele zu erreichen. Dies ist die kreativste Phase des Coachingprozesses und die einzige, in der sich der Coach auch inhaltlich voll einbringen darf. Es geht ja lediglich darum, möglichst viele Optionen zu entwickeln. Je mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen, desto kraftvoller kann sich der Coachee fühlen. Jede Handlungsoption gibt ihm ein wenig Stärke, weil er dadurch weniger auf andere oder auf den Zufall angewiesen ist.
Will: Für welche Option entscheidet sich der Coachee?
In der vierten Phase steht wieder der Coachee im Vordergrund, der Coach hält sich zurück. Der Coachee muss sich selbst entscheiden, welche der verschiedenen Möglichkeiten er umsetzen möchte. Er muss die Verantwortung für die von ihm gewählten Schritte selbst tragen. Er wird aber auch am besten wissen, was er sich zutraut und welche Vorgehensweise er am ehesten umsetzen kann.
Wichtig ist, dass nach der Entscheidung für einen Weg eine detaillierte Planung der nächsten Schritte erfolgt. In den kommenden Coachingsitzungen wird immer wieder thematisiert werden, welche Schritte erfolgreich waren und ob das Ziel schon erreicht wurde. Logisch, dass die Bewertung hier wieder durch den Coachee, nicht durch den Coach erfolgt, denn der Coachee bleibt der Auftraggeber.
Sie haben wohl gemerkt, dass ein guter Teil der Tätigkeit eines Coaches darin besteht, Fragen zu stellen. Die Kunst liegt darin, die richtigen Fragen zu stellen, nicht irgendwelche. Dem Coach steht ein Sortiment zur Verfügung, von dem oben schon einige Exemplare aufgezeigt wurden. Hier sind noch einige weitere Fragetechniken:
Verschlimmerungsfrage: »Angenommen, Sie wollen die Situation verschlimmern – was müssten Sie tun?« Diese Frage eignet sich bei der Suche nach Lösungen, indem man die Antworten umkehrt und dadurch Lösungsansätze entdeckt.
Bewältigungsfrage: »Wie behalten Sie in dieser schwierigen Situation noch Ihren guten Mut?« Diese Frage zielt auf die emotionalen Kräfte des Klienten ab.
Wunderfrage: »Angenommen, ein Wunder ist geschehen und Ihr Problem ist gelöst: Wie sähe die Situation aus?« Diese Frage hilft bei der Beschreibung des gewünschten Zielzustands.
Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Techniken, die Coaches im Verlauf ihrer Karriere erlernen und entwickeln. Auch die weiter vorn in diesem Kapitel im Abschnitt »Grundlagen der Moderation« beschriebene Technik Appreciative Inquiry Summit lässt sich im Coaching anwenden. Denn ein Coach ist gar nicht so viel anders als ein Moderator tätig. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass er es nicht mit einem Team aus mehreren Menschen, sondern mit einem »inneren Team« zu tun hat, das innerhalb eines Menschen am Werk ist. Diese verschiedenen Stimmen und Bestrebungen zu gemeinsamer Schlagkraft zu bringen ist die eigentliche Aufgabe des Coaches.
Typische Fehler als Coach vermeiden
Das klingt jetzt erst mal schön einfach. Doch auch als Coach kann man Fehler machen. Hier sind die zehn häufigsten Fehler, die im Coaching passieren, aufgelistet, und was Sie stattdessen tun sollten:
1 Nehmen Sie eine Zielklärung vor, gehen Sie nicht sofort zu den Problemen über.
2 Formulieren Sie Ziele konkret und besprechen Sie, woran der Coachee merkt, dass ein Ziel erreicht wurde.
3 Führen Sie eine Situations- und Ursachenanalyse durch.
4 Haben Sie kein Mitleid mit dem Coachee, insbesondere wenn dieser auch ganz gerne in die Opferrolle verfällt. Wer mitleidet, verliert die Übersicht.
5 Sprechen Sie nicht zu viel von sich selbst: »Ich hatte mal ein ganz ähnliches Problem …«
6 Geben Sie keine guten Ratschläge. Ratschläge sind auch Schläge.
7 Setzen Sie sich nicht zu lange mit dem »Problem« auseinander. Arbeiten Sie lösungsorientiert.
8 Gehen Sie auf die schon vorhandenen Stärken des Coachees ein und nutzen Sie dadurch Ressourcen, die sich anbieten.
9 Verwerfen Sie mögliche Lösungsoptionen nicht frühzeitig, nach dem Motto »Geht ja doch nicht, habe ich schon versucht …«.
10 Ermutigen Sie zur Änderung der eigenen Person, nicht der anderen, denn nur das eigene Verhalten kann der Coachee selbst beeinflussen.
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